Westerwelle stellt Buch vor: Rückkehr ohne Gepolter

Bei seiner Buchvorstellung erinnert Guido Westerwelle wenig an den Politiker von einst. Das ist ehrlicher, aber auch etwas schade.

Guido Westerwelle während seiner Buchpräsentation

Guido Westerwelle bemüht sich während der Veranstaltung um ein Lächeln. Foto: reuters

BERLIN taz | Schwarzer Boden, Marmorsäulen, hohe Spiegel und goldene Verzierungen an den Wänden. Guido Westerwelle hätte sich nur wenige prunkvollere Umgebungen für seine Buchvorstellung aussuchen können als diesen Raum im Berliner Ensemble. Dick auftragen für ein polterndes Buch, eine Abrechnung mit der Politik?

Im Gegenteil: Als der ehemalige Außenminister und langjährige Vorsitzende der FDP am Sonntagmittag den Raum betritt, scheint es eher, als solle das Ambiente auf ihn abstrahlen. Als wolle er davon ablenken, wie geschwächt er nach seiner Leukämieerkrankung, der Chemotherapie und der Stammzellentransplantation noch immer ist. Die Wangen sind faltiger als früher, die Augen blicken müde, die Hosenbeine schlackern an den Beinen.

Westerwelle blickt in die Menge, die überwiegend aus Journalisten und nur wenigen politischen Weggefährten wie Ex-Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel besteht. Er fasst sich zum Gruß ans Herz, winkt ins Publikum. „Es geht mir eigentlich ganz gut, aber ich bin noch immer schwach. Man muss sehen, dass man zu Kräften kommt“, sagt er.

Mitte Juni 2014 fiel Ärzten bei einer Untersuchung nach einer Meniskusverletzung ein seltsames Blutbild auf. Die Diagnose: akute myeloische Leukämie – Blutkrebs. Es beginnt die Suche nach einem Stammzellenspender, im Herbst 2014 folgt eine Knochenmarktransplantation.

Zur Faust geballte Hände

Heute hat Westerwelle wohl das Schlimmste überstanden, ist aber noch nicht vollständig genesen. Darüber hat er in seinem Buch „Zwischen zwei Leben“ geschrieben, gemeinsam mit Ex-Stern-Chefredakteur Dominik Wichmann, der wie ZDF-Moderatorin Dunja Hayali neben ihm auf der Bühne sitzt.

Hayali fragt Westerwelle ab, über sein Verhältnis zu Wichmann, die Idee zu dem Buch, die Erkrankung. Westerwelle antwortet offen und ohne Scheu, spricht mit starker Stimme und in klar strukturierten Sätzen. Seine Worte unterstützt er mit ausgebreiteten oder zur Faust geballten Händen – so wie er das in den Jahren als Politiker verinnerlicht hat und doch ist es nicht das Gleiche.

„Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der die Sache regelt – und das bin ich.“ Es war Westerwelle, der diesen Satz 2001 nach seiner Wahl zum FDP-Vorsitzenden gesagt hat. Wer den Politiker mit markigen Sprüchen wie diesem verbindet, erkennt ihn nicht wieder. Er spricht demütig über die Chance noch am Leben zu sein, betont das Schicksal anderer, die nicht im Rampenlicht stehen und wirbt für eine Registrierung als Knochenmarkspender. Kalkuliert wirkt das nicht, eher dankbar.

Nur zur Politik und „seiner“ FDP möchte der ehemalige Vizekanzler an diesem Vormittag nicht sprechen. Eine entsprechende Nachfrage bügelt er schroff ab: „Das ist so lang her, so weit weg.“ Das wirkt etwas merkwürdig, schließlich liegt sein Amt als Außenminister nicht einmal zwei Jahre zurück. Aber es ist eben auch viel passiert in der Zeit. Ein Jahr nach seiner Transplantation will Westerwelle kein Politiker mehr sein, nur ein Überlebender der mal in der Politik war.

„Man bleibt derselbe Mensch und ist doch ein anderer geworden“, antwortet Westerwelle zum Schluss pathetisch auf die Frage, wie die Krankheit ihn verändert habe. Das ist in Anbetracht der schweren Krankheit verständlich, in Bezug auf die Sprüche von früher aber auch ein bisschen schade.

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