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Westbalkan-Gipfel in ZagrebMilliardenhilfe gegen die Pandemie

Die EU hat den Staaten Südosteuropas in der Coronakrise weitere Unterstützung zugesagt. Anders als China fordert die EU im Gegenzug Reformen.

EU-Hilfe für die medizinische Versorgung: Personal und Patient in einem Krankenhaus in Belgrad Foto: Marko Djurica/reuters

SPLIT taz | Nach einem ersten Hilfspaket von 3,3 Milliarden Euro für die Länder des Westbalkans, hat die EU am Mittwochabend bei einem Video-Gipfel in Zagreb weitere Unterstützungen angesichts der Coronakrise zugesichert.

Das Hilfspaket umfasse „eine Soforthilfe für den Gesundheitssektor (…) und erhebliche Unterstützung für die notwendige gesellschaftliche und wirtschaftliche Erholung unserer Partner“, heißt es in einer Erklärung des Gremiums. Die Öffentlichkeit der betreffenden Länder Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien reagierte erleichtert.

Und Kroatiens Regierungschef Andrej Plenković, dessen Land den Gipfel offiziell ausgerichtet hat, wies mit Blick auf China und Russland darauf hin, dass die Hilfe der EU weit über das hinaus gehe, was andere Staaten in der Region geleistet hätten.

Diese Aussagen können nur als Seitenhieb auf den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić verstanden werden. Dieser hatte im März in allen Staatsmedien zur besten Sendezeit erklärt: „Die europäische Solidarität gibt es nicht.“

Hilfe bei Gegenleistung

Stattdessen hatte Vučić das Engagement Chinas und Russlands gelobt. Er nannte den chinesischen Präsidenten Xi Jinping einen „Bruder“ und ließ in Belgrad riesige Plakate mit dessen Konterfei anbringen. China hatte medienwirksam ein Flugzeug mit Schutzmasken nach Belgrad geschickt, deren Wert jedoch überschaubar war.

Das EU-Paket stellt dagegen eine umfassende Hilfe bei der Bewältigung der Folgen der Coronakrise in Südosteuropa dar. Schon mit dem 3,3-Milliarden-Hilfspaket flossen nach Angaben des Auswärtigen Amtes allein 400 Millionen Euro in die Gesundheitssysteme. Die EU-Kommission wurde nun aufgefordert, „einen robusten Wirtschafts- und Investitionsplan für die Region“ auszuarbeiten. Zugleich wurden die sechs Balkanstaaten ermahnt, den Zielen der EU-Außenpolitik zu folgen.

Schon seit Jahren monieren europäische Experten, Journalisten und Diplomaten die Zurückhaltung der EU in der Region. Viele Serben glauben Vučić, wenn er sagt, die EU helfe den Menschen nicht. Dabei ist die EU nicht nur der bei weitem wichtigste Handelspartner der Region, sondern auch der größte Geldgeber.

Viele EU-Infrastrukturprojekte sind an Bedingungen geknüpft, die es manchen autoritär regierenden Politikern schwer machen, das zur Verfügung gestellte Geld in den Sumpf der Korruption zu leiten. Mit den Krediten aus China und Russland werden zwar Schuldenberge aufgehäuft, die nur mit größten Schwierigkeiten rückzahlbar sind, aber beide Länder fordern weder demokratische Kontrolle, noch rechtsstaatliche Verhältnisse.

EU-Erweiterung bleibt umstritten

Dies aber fordert der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel. Er drängt die Westbalkan-Länder bei der Video-Schalte am Mittwoch darauf, Reformen durchzusetzen – „im Rechtssystem und im Kampf gegen die Korruption.“

Die EU-Regierungschefs versprachen, an der Integration des Raumes in die EU festzuhalten, ohne jedoch einen näheren Zeitplan zu verkünden. Charles Michel begrüßte die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien, die voraussichtlich im Juni beginnen sollen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wies jedoch mit Blick auf den Erweiterungs-Zeitplan darauf hin, dass die Corona-Pandemie „eine riesige Herausforderung“ sei.

Die Frage der Aufnahme weiterer Mitglieder ist in der EU weiterhin umstritten. In den vergangenen zwei Jahren hatten sich die Mitgliedstaaten Frankreich und Niederlande gegen Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien ausgesprochen. Grünes Licht dafür gab es erst Ende März, nachdem die Hürden dafür noch einmal erhöht worden waren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ erklären, der Gipfel habe „ein starkes Zeichen der Solidarität gesetzt“ und solle dazu beitragen, „eine neue Dynamik für weiterhin nötige Reformen in den Westbalkan-Staaten auszulösen“. Merkel ermutigte die politisch Verantwortlichen in der Region, „den eingeschlagenen Reformweg zur EU-Mitgliedschaft“ fortzusetzen, ohne jedoch konkreter zu werden.

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