Werteunion-Vorsitzender in Niedersachsen: „Zunehmend radikalisiert“
Steffen Grüner ist Arzt und bekannt für hasserfüllte rechte Postings. Nun wurde er zum Vorsitzenden der niedersächsischen Werteunion gewählt.
Doch Grüner ist für Fragen nicht zu erreichen. Wer zu ihm Kontakt sucht, wählt und schreibt sich die Finger wund. Anruf bei der Gemeinschafts-Praxis „Ärzte am Wilkenkamp“, im nordrhein-westfälischen Westerkappeln, in der Grüner arbeitet: Ein ChatBot ist vorgeschaltet: Man rufe zurück. Niemand ruft zurück; eine Mail bleibt unbeantwortet.
Anruf bei der Bezirksstelle Osnabrück der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN), deren Vorsitzender Grüner ist: Ihn dort zu erreichen sei „im Moment nicht möglich“ heißt es. Anruf beim Bund Osnabrücker Bürger (BOB), den Grüner vertritt: Sekundenkurz ist Steffen Grüner tatsächlich selbst am Telefon. Er könne jetzt nicht reden, sagt er der taz, er sei mitten in der Behandlung eines Patienten. Ein Rückruf unterbleibt. Eine Mail an den BOB geht ins Leere.
Steffen Grüner ist an vielen Orten aktiv. Auch in die Kammerversammlung der ÄKN wurde er gewählt, in das Hannoveraner Ärzteparlament. Dass er in der Vergangenheit für rechtslastige Postings in den Sozialen Medien bekannt wurde tat dem keinen Abbruch. Bei Twitter nutzte er Worte wie „Linksfaschismus“, „Haltungsjournaille“ und „Ökopopulismus“. Schon vor Jahren retweetete er Posts von Werteunion-Vordenker Alexander Mitsch – und Hans-Georg Maaßen.
Fraktion im Osnabrücker Stadtrat löst sich auf
„Herr Grüner ist bislang vor allem durch hasserfüllte Posts in den Sozialen Medien aufgefallen“, sagt Volker Bajus der taz, Vorsitzender der Osnabrücker Ratsfraktion von Grüne/Volt. „Und durch Kampagnen gegen die Verkehrswende und den Osnabrücker Stadtbaurat. Er hat sich offenbar zunehmend radikalisiert. Da ist sein Einsatz für die Werteunion nur folgerichtig.“
Grüner arbeite, so Bajus, „mit persönlichen Feindseligkeiten, Streit und Polarisierung. Lösungsvorschläge Fehlanzeige. Unter ihm hat sich seine Fraktion im Stadtrat vor kurzem zum zweiten Mal nach 2020 aufgelöst, weil sie seinen rechtspopulistischen Kurs nicht mehr mittragen wollte.“
Die Werteunion stehe für „Meinungsvielfalt und Freiheit“, betont Armin Hensel, Sprecher des Landesverbands Niedersachsen und Grüners Stellvertreter. Der neue Landesverband zähle „mehr als 100 Personen“, die Zahl umfasse „Mitglieder und solche, deren Mitgliedsantrag sich in Prüfung befindet“. Zielgruppe sei die „Lücke zwischen CDU und AfD“, seien „enttäuschte konservativ-liberale Wähler“. Zu Grüners Postings sagt Hensel nichts. Jetzt gehe es darum, „Menschen zu überzeugen“. In Kürze gehe die Homepage an den Start, man werde die Social-Media-Aktivitäten verstärken.
Was Grüner zu sagen hat, ist seiner Pressemitteilung zu entnehmen: Man werde „den traditionellen, konservativ-freiheitlichen Werten wieder mehr Geltung verschaffen“, heißt es dort. Über Hans-Georg Maaßen, als „rechtsextremes Beobachtungsobjekt“ im Visier des Verfassungsschutzes, heißt es: „Seine Beliebtheit gibt uns Rückenwind.“ Ob das so ist, bleibt abzuwarten.
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