Werkstätten der Volksbühne vor dem Aus?: Die bedrohte DNA des Hauses
Die hauseigenen Werkstätten der Volksbühne sollen aufgelöst werden. Beschlossen ist aber noch nichts. Und das Theater hat da eine eigene Idee.

Aufsehen erregen: das ist dringend vonnöten. Denn im Zuge der Kürzungen im Kulturbereich – für 2025 sind das 130 Millionen – erwägt der Senat die Auflösung der Theaterwerkstätten der Volksbühne und deren Angliederung an den Bühnenservice Berlin. Der ist nach eigenen Angaben der größte Theaterdienstleister in Deutschland mit Sitz am Ostbahnhof, man fertigt zum Beispiel die Bühnenbilder für die drei Opernhäuser.
Apropos Oper: Die Stiftung Oper ist das Vorbild, nach dem der Senat Gorki-Theater, Deutsches Theater, das Theater an der Parkaue und Konzerthaus sowie die Volksbühne in eine Stiftung öffentlichen Rechts überführen will. Und damit stehen eben die Theaterwerkstätten der Volksbühne auf dem Spiel. Deren Abwicklung wäre eine Katastrophe, sagt Celina Nicolay. „Die eigenen Werkstätten mit allen Mitarbeiter:innen gehören unverzichtbar zur DNA der Volksbühne.“
Das lässt sich in den Hallen mit den Gewerken gut nachvollziehen. Werkstattleiter Stefan Möllers steht im eher kleinen Konstruktionsbüro am großen Besprechungstisch und erklärt, wie die Idee eines Bühnenbildes von der Skizze ins Digitale übertragen wird.
In der riesigen, hohen Halle der Tischlerei wiederum riecht es nach Holz und Leim, überall stehen große Maschinen, in Schränken liegen kleine Werkzeuge. Auf mehreren Podesten wird gearbeitet, Bretter hier verleimt, dort etwas zusammengefügt. An der Wand lehnt etwas Fertiges, „Asia Shop Rückwand unten“ hat jemand darauf geschrieben. Noch ist sie ohne Farbe, die kommt dann später im Malsaal drauf. Hier wird deutlich, was den Theaterzauber ausmacht: Aus hölzernen Bauten werden mittels Farbe und Mustern „Imitationen aller Art“ hergestellt, sagt Möllers und zeigt auf eine Abbruchkante, die aus Holz, Draht, Rattan, Stoff und eben Farbe besteht.
„Hier findet sich viel Expertise“
Über die Schlosserei geht es zur Plastik-Abteilung, wo das Gestell für die Abbruchkante entstanden ist. Das sind „traditionelle Techniken“, die leichte, aber feste Theaterkulissen bescheren, erklärt Möllers fachkundig. „Wir bewahren bewusst diese alten Technologien“, sagt der Werkstattleiter und erklärt wenig später, wie sich Masken aus Pappmaché herstellen lassen. „Hier findet sich viel Expertise.“
Und Herzblut: Mina Fichte arbeitet seit vier Jahren in den Kostümwerkstätten, die sich im Theaterbau am Rosa-Luxemburg-Platz befinden. „Für mich und meine Kolleginnen wäre das eine dramatische Entwicklung“, sagt die Damengewandmeisterin. Am Theater zu arbeiten, sei ja eine bewusste Entscheidung. „Es ist ein besonderer Platz“, sagt sie und hebt die Verbundenheit über die Gewerke hinweg hervor. „Es ist so magisch und ein Herzessprojekt. Die Vorstellung, dass es das nicht mehr gibt, tut wirklich weh.“ Die Liebe zum Detail ginge verloren.
Was passiert mit dem Fundus an Wissen und Material? Und was macht das mit der Kunst? Fragen, die die neue Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson (CDU) beantworten muss. Die hat vor kurzem die gleiche Führung bekommen, erzählt der designierte Intendant. Sie sei ganz angetan von den Werkstätten gewesen, so Lilienthal. Aber man befinde sich in einer „offenen Situation“ sagt er mit Verweis auf den Kulturdialog mit der Senatorin und fügt überraschend hinzu: „Wir sind ein kleines bisschen optimistisch.“
„Erst im März habe ich die Werkstätten der Volksbühne in meiner damaligen Funktion als Staatssekretärin besucht und durfte mich von der hoch kreativen und leidenschaftlichen Arbeit der Mitarbeitenden überzeugen“, sagt Wedl-Wilson auf taz-Anfrage. „Die Mitarbeitenden der Volksbühne haben erklärt, dass ihre Werkstätten Teil ihrer künstlerischen Identität sind.“ Doch auch die Volksbühne als landeseigener Betrieb müsste in Rahmen der Haushaltskonsolidierung sparen. „Die Form der Umsetzung liegt im Verantwortungsbereich der Volksbühne selbst“, spielt Wedl-Wilson den Ball zurück.
Theaterstandort Ostberlin nicht degradieren
Ist der Kulturmanager Lilienthal, ab nächstem Jahr Intendant der Volksbühne, also ein kleines bisschen zu optimistisch?
Betriebsdirektorin Celina Nicolay erklärt den Grund dafür. Denn es liegt bereits ein Vorschlag samt Zahlen auf dem Tisch. Einerseits wäre es so, dass die Volksbühne kein Geld sparen würde, wenn sie fortan den Bühnenservice Berlin beauftragen würde – im Gegenteil. „Es wäre viel teurer.“ Der Bühnenservice, so Nicolay, berechnet für seine Dienste 60 Euro pro Stunde. Die Volksbühne selbst bekommt das mit knapp 47 Euro hin – mit allen Vorteilen, die diese hauseigene Arbeitsweise mit sich bringt.
Andererseits muss die Volksbühne aus ihren Proberäumen in Rummelsburg raus, dort probt auch das Gorki-Theater, 2029 läuft der Mietvertrag aus. Die Idee ist daher, auf dem landeseigenem Grundstück, auf dem sich die Werkstätten befinden und auf dem es genug Platz dafür gibt, eine Probebühne für beide Häuser zu bauen. Das würde den Theaterstandort Ostberlin nicht degradieren, sondern aufwerten.
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