Werkschau zu Adolph Menzel in Berlin: Zeichnen als Lebensform
Zum 200. Geburtstag des großen Zeichners Adolph Menzel widmet ihm das Märkische Museum in Berlin eine umfassende Ausstellung.
„In tiefer Dankbarkeit gegen den hohen Meister . . . preise ich Gott, der Meinem Vaterlande einen solchen Künstler vergönnt“, das schreibt Kaiser Wilhelm II. zum 80. Geburtstag von Adolph Menzel im Jahre 1895.
Für manche war es schon damals keine Auszeichnung, vom Hause Hohenzollern gelobt zu werden. Aber Menzel war durchaus kein Hofmaler. Er war unabhängig und hat vieles gerade von dem, was wir heute als sein Bestes schätzen, zu Lebzeiten gar nicht aus seinem Atelier herausgegeben: das berühmte „Balkonzimmer“ etwa oder manchen Blick auf städtische Hinterhöfe, Baustellen und Brachen, in denen er etwas Pittoreskes entdecken und darstellen konnte. Menzel ist damit und nicht nur mit seinen Paradestücken wie dem „Ballsouper“ oder dem „Flötenkonzert Friedrichs des Großen“ zum Klassiker geworden.
Trotzdem drohte Menzel zu seinem 200. Geburtstag am 8. Dezember nicht genügend gewürdigt zu werden. Das fand jedenfalls die erst 2008 in Berlin gegründete Adolph Menzel Gesellschaft. Claudia Czok, Mitglied der Gesellschaft und von Hause aus Kunsthistorikerin, hat im Märkischen Museum (Stadtmuseum Berlin) eine Menzel-Ausstellung eingerichtet, die den Künstler hauptsächlich als Zeichner vorstellt.
Zeichnen war für Menzel Beruf wie Berufung. Man könnte sogar sagen, Zeichnen war die spezielle Lebensform für einen Mann, der eigentlich unablässig zeichnen musste und zeichnen wollte. Anhand seiner Werke kann man deshalb nun dem Leben Menzels ganz gut nachfolgen.
Märkisches Museum, Am Köllnischen Park 5, Di.–So. 10–18 Uhr. Bis 28. März 2015.
Rund 200 Objekte werden ausgestellt: Zeichnungen und druckgrafische Blätter, auch die bekleckste Palette des Meisters, seine Stifte mitsamt Zeichenblock, Briefe, Fotos, Drucksteine, ein Stuhl aus dem Atelier in der Sigismundstraße in Tiergarten, Gipsabdrücke seiner Hände, eine Büste sowie ein Reisepass, in dem seine Körpergröße mit knapp 1,50 Meter verzeichnet ist.
Zwergenhafte Statur
Nicht nur sein Zeichentalent, auch seine zwergenhafte Statur machte Menzel zu Lebzeiten zu einem stadtbekannten Unikum in Berlin. Geboren ist Menzel aber in Wrocław (Breslau). Hier trat er mit 14 Jahren in die väterliche Lithografenwerkstatt ein, die er zwei Jahre später nach dessen Tod allein weiterführte, um die Familie und die etlichen Geschwister durchzubringen.
Das hieß jede Menge Arbeit: illustrierte Drucksachen von Neujahrskarten über Geschäftsanzeigen bis zu Buchillustrationen. Dabei war Menzel als Zeichner Autodidakt. Welches Handwerk Menzel seit Jugendzeiten eigentlich betrieb, dem kann man in der Schau anhand einer Druckerpresse nachgehen, in der Menzel-Grafiken reproduziert werden.
Die früheste Zeichnung in der Schau stammt übrigens schon vom Vierzehnjährigen. Der eigentliche große Durchbruch gelingt Menzel 1849 mit dem Abschluss der 400 Illustrationen zu Franz Kuglers „Geschichte Friedrich des Großen“. Da lebte Menzel bereits seit fast 20 Jahren in Berlin.
Humorvoll gezeichnet
Menzel war als Künstler Realist und blieb es auch, als die Moden anderes nach oben spülten. Realistisch sind seine Figuren, weil sie lebendig sind und menschlich – oft humorvoll gezeichnet, gut beobachtet. Menzel hatte immer sein Notizheft dabei. Dafür hatte er sich extra Taschen in seinen Mantel einarbeiten lassen. Den Notizblock benutzte er wie andere heute den Fotoapparat.
Sein Sujet waren vor allem Menschen. Einer davon, der bereits lange tot war, wurde durch Menzel gleichsam zur Pop-Ikone. Es ist Friedrich II. Menzel zeichnete den Preußenkönig so lebendig, als hätte der ihm selbst Modell gestanden und als wäre er mit seinem Zeichenblock fast ständig an dessen Seite gewesen. Friedrich und das friderizianische Rokkoko sollte in seinen großen Gemälden Thema werden. Aber auch für das Werk „Armee Friedrichs des Großen“ fertigte Menzel allein 170 Federlithografien an.
Im der Ausstellung ist ein anderes Werk der Star. Es ist Menzels größtes Landschaftsgemälde, eine Aussicht auf den Berliner Kreuzberg aus dem Jahre 1849 – wahrscheinlich unvollendet und nur zum eigenen Training gemalt. Denn auch im Malen war Menzel Autodidakt. Das Bild aus dem Besitz des Stadtmuseums hat jene wehende Leichtigkeit und Sensibilität für Stoff und Atmosphäre, die auch dem Balkonzimmer eigen ist. Allein der leere Ort passt nicht als offizielles Sujet in die damalige Zeit: nur zwei Bäume im Vordergrund und ein Häuschen in der Ferne, die Stadt dahinter nur angedeutet.
Menzel malt, was an idyllischen Nischen beim damalige Bauboom vorerst noch verschont blieb. Öffentlich wurden solche Bilder zu seinen Lebzeiten nicht. Gut, dass das Märkische Museum schon 1874 begann, dessen Werke und viele seiner Hinterlassenschaften zu erwerben.
Darunter das titelgebende Objekt der Schau: die Kladde mit einer nach wenigen Sätzen abgebrochenen Autobiografie. Die stilvolle Aufschrift lautet „Ich“. Zum 200. Geburtstag bekommt Menzel im Märkische Museum also doch noch die „Ich“ gebührende Würdigung. Oder, um es mit dem Berliner Gottfried Benn, zu sagen: Zu sehen ist ein „Gezeichnetes Ich“.
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