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Werder-Frauen gewinnen beim HSV57.000 wollen Frauenfußball sehen

Vor Rekordkulisse gewannen Werder Bremens Frauen das Pokal-Halbfinale beim HSV mit 3:1. Die Hamburgerinnen empfahlen sich für die erste Liga.

Das gab's noch nie: ausverkauftes Volksparkstadion bei einem Frauenfußballspiel Foto: Gregor Fischer/dpa

Hamburg taz | Als Werder Bremens Torfrau Livia Peng das Feld zum Aufwärmen betrat, wurde klar, warum dieses Spiel neben dem gestiegenen Interesse am Frauenfußball eine so große Anziehungskraft besaß: Hier sollte es vor 57.000 Zuschauer:innen, der größten Kulisse, die ein Frauenfußball-Spiel auf Vereinsebene in Deutschland bislang hatte, endlich wieder zu einem Nord-Derby zwischen dem HSV und Werder kommen.

Aus der schon gefüllten Nordgerade tönte Peng ein gellendes Pfeifkonzert entgegen, gefolgt von inbrünstigen „Scheiß Werder Bremen“-Rufen. Die Schweizer Nationaltorhüterin eilte ungerührt zu den 15.000 Werder-Fans im Südwesten, die sie beklatschten und mit einem herzlichen „Scheiß-HSV“ antworteten.

Das hatte im April 2009 auch Werder-Torwart Tim Wiese mit dem Megaphon in diese Kurve gebrüllt, als Werder das DFB-Pokal-Halbfinale im Volkspark nach Elfmeterschießen für sich entschied. Damals standen die HSV-Frauen auf Platz sechs der Bundesliga, Star des Teams war Nationalspielerin Kim Kulig, die als größtes Talent Deutschlands galt. Werder Bremen lieferte sich währenddessen mit dem BV Cloppenburg in der Regionalliga Nord einen Zweikampf um die Tabellenspitze.

Gut drei Jahre später kommentierte die inzwischen nach Frankfurt gewechselte Kulig: „Nach der WM im eigenen Land dachte man, der Frauenfußball sei angekommen in Deutschland – und jetzt so etwas.“ Im Sommer 2012 hatte HSV-Vorstand Carl Jarchow das Aus für die Bundesligamannschaft verkündet. „Aus wirtschaftlichen Gründen“, wie es hieß, wurde sie abgemeldet. Hunderttausend Euro sollen gefehlt haben, um mit einem konkurrenzfähigen Etat in die neue Saison zu gehen.

Vor 13 Jahren schob der HSV die Frauen aufs Abstellgleis

Während andere Bundesligisten begannen, in den Frauenfußball zu investieren, geriet er beim HSV aufs Abstellgleis. Die brüskierte Frauenabteilung war allerdings so resistent, dass sich die 1. Frauenmannschaft bis 2023 wieder in die 2. Bundesliga hochkämpfte – und dort aktuell als Tabellendritter gute Aufstiegschancen besitzt.

Auch bei Werder gab es eine Zeit, in der der Frauenfußball verpönt war. „Solange ich bei Werder was zu sagen habe, gibt es keinen Frauenfußball“, sagte der ehemalige Präsident Klaus-Dieter Fischer 1974, änderte aber später seine Meinung. Seit der Neugründung der Abteilung im Jahr 2006 wird sie kontinuierlich unterstützt. Finanziell mit Augenmaß zwar, aber so nachhaltig, dass sich die ehemalige Fahrstuhlmannschaft ins gesicherte Mittelfeld der 1. Bundesliga hochgespielt hat. Nur so ist sie attraktiv genug für junge Talente wie Larissa Mühlhaus, die im letzten Sommer als Zweitliga-Torschützenkönigin vom HSV an die Weser wechselte. Pfiffe gab es für die 22-Jährige bei der Rückkehr ins Volksparkstadion dennoch nicht.

Obwohl beide Teams im Liga-Alltag meist vor 600 beziehungsweise 1.500 Zu­schaue­r:in­nen spielen, kannten sie die Stadionatmosphäre mit Zuschauern im fünfstelligen Bereich bereits: der HSV von beiden vorigen Pokalrunden, Werder von zwei Bundesliga-Spielen im Weserstadion. Weniger beeindruckt von der Riesenkulisse, die von Beginn an hitzige Pokalatmosphäre erzeugte, war der Zweitligist, der mehrfach kurz vor der Führung stand und in der ersten halben Stunde fast jeden Zweikampf gewann.

Nachdem Werder-Spielerin Saskia Matheis in der 53 Minute nach einem Foul an der Strafraumgrenze die Gelb-Rote Karte bekam, wurde das Spiel auch auf dem Feld giftiger. Zahlreiche Fouls auf beiden Seiten und weiter fehlerhafte Bremerinnen führten zu einem zerfahrenen Spiel mit wenigen Torchancen.

Ausgleich in der 90. Minute

Den vermeintlich entscheidenden Fehler beging dann eine Hamburgerin: Torfrau Inga Schuldt zögerte bei einer Rückgabe zu lange, Werder-Stürmerin Sophie Weidauer sprintete in den Ball und erzielte das 1:0. In der 90. Minute sorgte dann ein Kopfballtor von Sarah-Vanessa Stöckmann nach einem abgewehrten Freistoß der von Lisa Baum, der besten Hamburgerin, doch noch für die Verlängerung.

In der erreichte die Stimmung dann endgültig das Level der Champions-League-Jahre in diesem Stadion. Den offenen, frenetisch befeuerten Schlagabtausch auf dem Feld entschied dann erneut Weidauer in der 118. Minute. Gewonnen hat nicht die bessere, sondern die glücklichere Mannschaft, auch wenn Verena Wieder noch das 3:1 erzielte.

Werder tritt nun am 1. Mai im Pokalfinale gegen Bayern München an. Der HSV wäre in dieser Form eine Bereicherung für die Bundesliga.

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1 Kommentar

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  • Die Hamburger Deerns lieferten zwar einen großen Kampf, in der zweiten Hälfte der Verlängerung ging ihnen aber zunehmend die Puste aus und auch die Konzentration lies deutlich nach. Wenn ein Team mit Drei zu Eins gewinnt, und das fast 70 Minuten in Unterzahl, hat nicht die glücklichere, sondern auch die bessere Mannschaft gewonnen. Das zuzugeben, schmälert nicht die Leistung der tapferen Hamburgerinnen!