Werder Bremen gewinnt in Freiburg: Delaney trifft für Wikipedia
5:2! Auswärts! Konsequenter Konterfußball ist die Methode, mit der Werder Bremen sich aus der Abstiegszone ins Mittelfeld schießt.
Thomas Delaney, Werders Mann mit der Nummer 6, gelang dieses Kunststück beim völlig verdienten 5:2-Sieg in Freiburg, zu dem er die Bremer Tore Nummer zwei, drei und fünf beisteuerte (45./47./86.). Max Kruse (21.) und Fin Bartels (71.) durften sich auch noch ein wenig freuen und hatten voraussichtlich ebenfalls ein Smartphone im Mannschaftsbus herumliegen.
„Ich muss jetzt erst einmal schauen, ob mein Wikipedia-Eintrag auf dem neuesten Stand ist“, sagte der Däne, der erst im Winter von Kopenhagen nach Bremen gewechselt war und in seiner bisherigen Karriere nach eigener Aussage noch nicht einmal zwei Tore in einem Spiel geschossen hat – geschweige denn drei. „In der ersten Hälfte habe ich nicht einmal gut gespielt. Und am Ende war das wohl der großartigste Tag in meinem bisherigen Fußballer-Leben.“
Dass solche Feiertage vor Schwarzwaldpanorama stattfinden, scheint allerdings auch eine Art Naturgesetz zu sein. Schließlich hatte der SC Freiburg schon vor dem Anpfiff eine regelrecht gruselige Bilanz gegen Werder in seinem Wikipedia-Eintrag stehen. Zehn von 18 Bundesligapartien zu Hause gingen verloren, die meisten davon in einer Höhe, die schnell mal demütigende Ausmaße annahmen. Wie bei den 0:6-Klatschen im Dezember 2004 und im November 2009.
33 Prozent Ballbesitz, sieben Torschüsse
Oder wie eben jetzt beim 2:5 am 1. April 2017. Die elfte Niederlage im 18. Spiel hatte sich ebenfalls gewaschen. So wie der Sportclub am Samstag auftrat, hätte er allerdings wohl gegen jede Mannschaft aus der Ersten Liga verloren, außer vielleicht gegen das Team von Thorsten Frings, dem ehemaligen Bremer und zweitprominentesten gebürtigen Würselener.
Gelegenheiten wie beim finalen 2:5, als der Ball unter freundlicher Beobachtung der gesamten Freiburger Defensive durch den Strafraum segelte, ehe ihn Delaney einnickte, haben auch Heranwachsende auf Asche gerne, um ihr Selbstbewusstsein aufzumöbeln. Wer so freundlich eskortiert wird wie Werder an diesem Nachmittag, braucht folgerichtig auch nicht mehr als 33 Prozent Ballbesitz und sieben Torschüsse, um fast ein halbes Dutzend Tore zu schießen.
Christian Streich
Zumal die Stärken von Alexander Nouris Bremern weniger in filigranen Ballstafetten als in robustem Zweikampfverhalten und zielstrebigem Umschaltspiel liegen. Wohlwissend, dass in der vordersten Reihe Spieler wie der wuselige Bartels warten, der mit seinem schicken Hackentricktor das ästhetische Highlight des Tages lieferte. Oder eben Kruse, der derzeit eigentlich nicht sonderlich sportlich aussieht, aber einen fantastischen Torinstinkt hat, dem auch mutmaßlich kohlehydratreichere Ernährung nicht viel anhaben kann.
Seit sechs Spielen ungeschlagen
Werder ist nun seit sechs Spielen ungeschlagen. Aus einer Mannschaft, die noch in der Vorrunde wie ein sicherer Abstiegskandidat wirkte, scheint allmählich zumindest ein solides Mittelklasseteam zu erwachsen. Für einen Kader, der noch vor gar nicht allzu langer Zeit in der Champions League spielen durfte, mag das nicht allzu glamourös klingen.
Doch in Bremen weiß man ja schon lange, dass man zu den ersten Opfern der Tatsache zählt, dass die Schere zwischen den reichen und den ärmeren Klubs immer weiter auseinandergeht. Da freut man sich schon, wenn man auch 2017/18 nicht nach Sandhausen fahren muss.
Und Freiburg? Kann sich immerhin damit trösten, dass es seit Monaten, vielleicht sogar seit Jahren nicht mehr so schwach gespielt hat wie am Samstag. So hatte es im Übrigen auch Trainer Christian Streich gesehen: „Das war unsere schlechteste Saisonleistung, das ist klar.“ Besonders deprimierend: Sie kam gegen eine Mannschaft zustande, die taktisch nicht annähernd so variabel spielt wie manches Team, gegen das man zuletzt gewann. „Bremen hat die Räume zugestellt und gewartet, bis wir Fehler machen“, fasste Streich die Taktik der Werderaner zusammen. „Die Fehler haben wir dann gemacht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett