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Wer mitbestimmen will, soll zahlen

Die Musikhochschule Hannover zerlegt sich in einem bizarren Führungsstreit. Diverse Verwaltungsgerichtsverfahren inklusive. Dafür droht renitenten Senatoren fette Rechnung

Erbaut in Form eines Ohrs: Aber zugehört wird sich an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover nicht mehr so recht Foto: Thomas Robbin/imago

Von Nadine Conti

Von außen betrachtet wirkt es wie ein Stück aus den Trumpschen USA. Die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH) wird seit mehr als zwei Jahren von einem erbittert geführten Streit über die Neuwahl eines Unipräsidenten lahmgelegt. Mit allen Mitteln – von Geschäftsordnungstricks bis zu Verwaltungsgerichtsverfahren – bekämpfen sich hier zwei Lager. Und obwohl das eine Lager vor Gericht regelmäßig Recht bekam, zieht es nun im wirklichen Leben den Kürzeren.

Das niedersächsische Wissenschaftsministerium und die Hochschulleitung haben sich letzten Endes durchgesetzt. Und die Senatsmitglieder, die anders abgestimmt haben, darunter auch ein Studierendenvertreter, fürchten, dass das dicke Ende noch auf sie zukommt – nämlich in Form einer ziemlich teuren Abrechnung der Anwalts- und Gerichtskosten.

„Die Hochschulleitung hat uns signalisiert, dass wir für einige der Verwaltungsgerichtsverfahren die Kosten zu übernehmen haben, sofern kein formeller Senatsbeschluss vorliegt“, bestätigt Professor Stefan Weiss. Zuerst hatte die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtet.

Weiss, der hier für eine Gruppe von sieben Senatsmitgliedern spricht, findet das unfair. „Alle Verfahren dienten ja letztlich dem gleichen Zweck: Das zu Unrecht abgebrochene Auswahlverfahren wieder aufzunehmen und die Präsidentenwahl zu wiederholen. Und dafür gab es sehr wohl einen entsprechenden Senatsbeschluss.“ Allerdings waren unterwegs immer mal wieder Eilanträge vonnöten – zum Beispiel, weil die Hochschulleitung sich weigerte, die Wiederholungswahl auf die Tagesordnung zu setzen. Dazu kann man aber schwerlich erst einmal den Senat frist- und formgerecht zusammenrufen.

Doch von vorn: Am 5. Juli 2023 wurde vom Senat der Musikhochschule ein neuer Präsident gewählt. Das ist dem niedersächsischen Hochschulgesetz zufolge die Aufgabe dieses Gremiums, in das Professoren, Vertreter des Mittelbaus, der Verwaltung und der Studierenden für jeweils zwei Jahre gewählt werden.

Zur Wahl standen – nach dem üblichen Vorauswahlprozess durch eine Findungskommission – damals zwei Bewerber: Ein interner, der Violinist und Vizepräsident Oliver Wille und ein externer, der Musikpädagogik-Professor Philipp Ahner. Die Wahl fiel knapp mit sieben zu sechs Stimmen auf Ahner. Sie wurde vom Hochschulrat bestätigt und per Pressemitteilung bekanntgegeben.

Doch dann brach ein Sturm los. Hochschulangehörige, die dem Wille-Lager zugerechnet werden, protestierten. Sogar von einer „gestohlenen Wahl“ war die Rede. Und die Hochschulleitung knickte schnell ein. Man suchte Formfehler und fand sie. Die Sitzungsleitung hätte durch die noch amtierende Hochschulpräsidentin oder einen ihrer Stellvertreter übernommen werden müssen, doch das war nicht geschehen. Das Präsidium der Hochschule brach das Auswahlverfahren ab.

Dagegen klagten sowohl der eigentlich erfolgreiche Bewerber Ahner als auch der Senat, der mehrheitlich für ihn gestimmt hatte. Und sie bekamen Recht, sowohl das Verwaltungsgericht Hannover als auch das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg befanden: Die Hochschulleitung hätte das Verfahren nicht abbrechen dürfen. Der Formfehler wäre durch eine Wiederholung des Wahlganges heilbar gewesen.

Um diese Wiederholungswahl rang man dann monatelang. Doch schon die Versuche, sie auf die Tagesordnung zu hieven, wurden vom Präsidium torpediert und machten neue Eilverfahren nötig. Als die Wiederholungswahl im März 2025 endlich stattfand, wurde sie umgehend für ungültig und ihr Ergebnis für geheim erklärt. Offenbar hatte der Senat wieder einmal nicht so abgestimmt, wie man sich das wünschte.

Mit allen Mitteln – von Geschäftsordnungstricks bis zu Verwaltungsgerichtsverfahren – bekämpfen sich hier zwei Lager

In der Zwischenzeit hatte auch das Ministerium das Bewerbungsverfahren für abgebrochen erklärt – auch darum wurde erneut vor Gericht gestritten, mit verschiedenen Klägern und durch zwei Instanzen.

Mit dem Beinahe-Präsidenten Philipp Ahner einigte sich das Ministerium irgendwann außergerichtlich – auf eine Abfindungszahlung, über deren Höhe man lieber Stillschweigen bewahrt. Die restlichen Verfahren hatte irgendwann die Zeit erledigt. Denn im April hat endlich der neue Senat seine Amtszeit begonnen – und der stimmte so ab, wie vom Ministerium und seinem Staatskommissar gewünscht. Das Bewerbungsverfahren soll nun ganz neu aufgerollt werden.

Und die Senatsmitglieder, die vorher auf ihre Wahlentscheidung gepocht haben, müssen jetzt die Rache mit den Mitteln des Haushaltsrechtes fürchten. Noch ist unklar, wie viel der Anwalts- und Gerichtskosten auf Verfahren entfallen, für die kein Senatsbeschluss vorliegt. Universitätsleitung und Ministerium erklären, dass diese Prüfung noch gar nicht abgeschlossen ist und man sich zu diesen internen Vorgängen auch nicht äußern wolle. Möglicherweise tut man das dann auch erst wieder vor Gericht. Nach friedlicheren Zeiten sieht es an der Musikhochschule jedenfalls nicht aus.

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