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„Wer liest heute schon noch gedruckte Zeitungen?“

Jürgen Rademacher hat lange als Drucker gearbeitet, zuletzt druckte er die taz. Als die damalige Druckerei zumachte, schulte er um zum S-Bahn-Fahrer. Besonders schön, sagt er, sei es morgens, wenn der Nebel über den Wiesen hängt

Sein neuer Arbeitsplatz: Jürgen Rademacher im Führerstand der S25

Von Plutonia Plarre (Interview) und Toni Petraschk (Fotos)

taz: Herr Rademacher, in einem Alter, in dem andere langsam ans Aufhören denken, haben Sie beruflich noch einmal komplett umgesattelt – vom Drucker zum S-Bahn-Fahrer. Erfolgte das aus freien Stücken?

Jürgen Rademacher: Das war eher gezwungenermaßen. Mein langjähriger Arbeitgeber, die Henke-Druckerei in Berlin-Hohenschönhausen, hatte 2015 dichtgemacht.

taz: Unter anderem wurde dort auch die taz gedruckt.

Rademacher: Ich habe dann versucht, mein Bein in andere Druckereien rein zu bekommen, was am Ende nicht funktioniert hat. Die Digitalisierung machte der Branche immer mehr zu schaffen, aber ich hatte auch keine Lust, mich ausbeuterischen Arbeitsbedingungen zu unterwerfen. Irgendwann hatte ich die Schnauze voll und habe gesagt: Dann fahre ich eben Straßenbahn. Das war aber nicht ernst gemeint.

taz: Am Ende doch. Was ist passiert?

Rademacher: Die Sachbearbeiterin beim Arbeitsamt hat mir vorgeschlagen, mal zu einer Informationsveranstaltung für Quereinsteiger der S-Bahn zu gehen. Und da ging mir durch den Kopf, dass ich doch als Kind auch mal Lokführer werden wollte (lacht). Ich bin dann zum Infotag und habe mir das angehört. Und dann habe ich gefragt: Nehmen Sie auch so einen alten Sack wie mich, ich bin 57? Da kam Gelächter und der eine meinte: Na klar, wir haben hier schon Leute mit 60 ausgebildet und die fahren heute noch.

taz: Da waren Sie baff?

Rademacher: Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber ich hatte meine Bewerbungsunterlagen schon dabei, habe die sofort abgegeben und kriegte dann auch tatsächlich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch zum Quereinsteiger-Lokführer bei der S-Bahn.

taz: War das ein Selbstläufer?

Rademacher: Durch das Vorstellungsgespräch, bei dem es unter anderem um Motivation und Kenntnisse ging, bin ich gut durchgekommen. Wirklich schwer fand ich die Tauglichkeitsprüfung. Im August 2018 habe ich dann mit der Ausbildung begonnen, am 30. Juni 2019 Prüfung gemacht. Seit sechs Jahren fahre ich S-Bahn. Das war ein kompletter Neuanfang, ein komplett neues Leben.

taz: Die Ausbildung zum S-Bahn-Fahrer hat elf Monate gedauert. Was hieß das für Sie?

Rademacher: Richtig die Schulbank drücken, vom ersten Tag an. Richtlinien und Vorschriften lernen. Damals gab es alles noch in Papierform. Am ersten Tag der Berufsschule bin ich mit zwei Taschen mit dicken Aktenordnern nach Hause kommen. Ich musste mir erst mal einen Schrank kaufen, wo das alles reingepasst hat. Das Problem war, ich habe vier Seiten gelesen und hinterher habe ich mich gefragt, was stand da eigentlich drin? Meine Meisterschule als Drucker war 1994 beendet gewesen. Seitdem musste ich nichts mehr lernen.

taz: Wieder lernen zu lernen, wie ist Ihnen das gelungen?

Rademacher: Im Internet habe ich den Tipp gefunden, kleine Karteikarten zu nehmen. Das hat funktioniert. Ich habe die Karteikarten alle als Bilder im Kopf behalten, auf der Vorderseite standen die Fakten drauf, die ich lernen musste, und auf der Rückseite die Frage. Und dann wusste ich, das waren zum Beispiel fünf Antwortpunkte.

taz: Nachmittags wurden die Hausaufgaben gemacht?

Rademacher: Nachmittags ging meistens nicht, da war der Kopf voll, und da war auch die Familie. Abends um 8 Uhr habe ich mich noch mal in unserem Erker hingesetzt. Die Nachbarn haben manchmal gesagt: Da haste aber wieder lange gesessen.

taz: Sie wohnen in einer Einfamilienhaus-Siedlung am nördlichen Stadtrand von Berlin.

Rademacher: Man kennt sich. Früher war das mal eine Kleingartenanlage, viele von uns wohnen seit DDR-Zeiten hier. Ich habe immer gesagt, ich kann am Tag acht Bit aufnehmen, wenn ein Bit am nächsten Tag hängengeblieben ist, ist es gut. Du musst ja alles auswendig können wie etwa die Bremsprobenfälligkeiten und all so was.

taz: Hat Ihnen das technische Verständnis als Drucker geholfen?

Rademacher: Sehr, weil wir an der Druckmaschine teilweise auch Sachen hatten, die es an der S-Bahn auch gibt. Ich sage jetzt mal Pneumatikzylinder oder Luftpresser. Viele Sachen, die bei der Druckerei bei technischen Störungen geholfen haben, macht man bei der S-Bahn nicht anders.

taz: Warum sind Sie Drucker geworden?

Rademacher: Das war eigentlich Zufall. Als Rohrleger war ich nicht angenommen worden. Die wollten lieber Praktiker. Ich galt als Theoretiker, weil ich auf einer Russisch-Schule gewesen war, ab der dritten Klasse schon Russisch hatte und immer einer der Besten war.

taz: Waren Sie ein angepasster Jugendlicher?

Rademacher: Kann man nicht gerade sagen (lacht). Ich war Rocker. Jeans waren ja zu DDR-Zeiten Mangelware, ich hatte eine aufgetrieben, die ziemlich zerrissen war und habe da Flicken draufgehauen. Die hatten aber nur gehalten, bis ich in der Schule war. Sie haben mich dann nach Hause geschickt, ich soll mir vernünftige Hosen ­anziehen.

taz: Haben Sie Abitur gemacht?

Rademacher: Ich bin nicht zugelassen worden. Bevorzugt wurden Schüler, die sich länger als nur anderthalb Jahre für die Armee verpflichten wollten. Das war so ein sozialistisches DDR-Ding damals. Wie ich an die Lehrstelle gekommen bin, weiß ich bis heute nicht. Ich bin da hingefahren mit meinen langen Haaren und meiner Lederjacke und habe gedacht, die nehmen mich sowieso nicht, aber sie haben mich genommen. Und dann habe ich im Neuen Deutschland als Druckerlehrling angefangen.

taz: Wie alt waren Sie da?

Rademacher: 17. Ich hatte keine Ahnung, was ein Drucker ist. Aber dann war es eben so und ich habe es gerne gemacht und wollte mich auch weiterbilden. Im September 1979 hatte ich ausgelernt und bin noch im selben Jahr zur Armee eingezogen worden. Nach dem Grundwehrdienst ging es im Neuen Deutschland weiter. Da habe ich dieses Zentralorgan der SED gedruckt und die Berliner Zeitung und die ganzen Zeitungen der Blockparteien, die es in der DDR gab.

taz: Hatten Sie ein Verhältnis zu Zeitungen oder Büchern, haben Sie gelesen?

Rademacher: Überhaupt nicht (lacht). Es war die Technik, die mich interessiert hat.

taz: Die Inhalte des Neuen Deutschland haben Sie aber registriert?

Rademacher: Natürlich. Mir taten manchmal die Leser leid, wenn da auf acht Seiten die Rede von Honecker abgedruckt wurde oder von sonst jemandem. Oder wenn Plenum des Zentralkomitees war. Da stand dann nichts weiter drin als das. Wir haben immer schon um 20 Uhr gedruckt, und wenn da stand „tosender Beifall“ oder „rhythmisches Klatschen“ hatte das noch gar nicht stattgefunden. Das hatten wir schon vorher alles gedruckt (lacht). So war das damals. In der Lehre hatten wir auch schon Plakate gedruckt.

taz: Erinnern Sie sich noch an welche?

Rademacher: Ja, zum Beispiel an das für eine ganz junge Band – Karat. Die gibt’s ja immer noch. Es gab auch ein Plakat mit dem Kosmonauten Sigmund Jähn, …

taz: …, der 1978 als erster Deutscher ins All geflogen ist.

Jürgen Rademacher

Der Mensch

Jürgen Rademacher, 1960 in Wüsterhausen/Brandenburg geboren, besuchte bis zur 10. Klasse die polytechnische Oberschule in Berlin und machte anschließend eine Druckerlehre beim Neuen Deutschland. Nach der Wende arbeitete er bei der Druckerei Henke in Berlin-Höhenschönhausen. Im Alter von 57 Jahren schulte er noch mal um, seit 2019 arbeitet er als S-Bahn-Fahrer. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Die Druckerei

In der Druckerei Henke in Berlin-Höhenschönhausen wurde von 1989 bis 2015 die Berliner Ausgabe der taz gedruckt. Die taz gehörte zu den letzten Kunden, die Druckerei schloss Ende 2015. Die verbliebene Belegschaft, darunter Jürgen Rademacher, wurde entlassen. Die Arbeit in der Druckerei ist in einem Film von 2012 zu sehen. Am 16. Oktober diesen Jahres stellt die taz die tägliche gedruckte Ausgabe ein, gedruckt wird von da an nur noch die wochentaz.

Rademacher: Wenn der nicht geflogen wäre, wäre ein anderer geflogen. Der hieß Köllner und die Plakate waren auch schon alle gedruckt. Beim Neuen Deutschland war ich in einer Jugendbrigade. Der älteste war 23. Wir jungen Bengels haben komplett eine Schicht alleine bestritten und uns im Vergleich zu den alten Druckern sehr gut geschlagen. Wir hatten die neueste Technik, so eine Technik hatten sie noch nicht mal im Westen.

taz: Wie lange waren Sie beim Neuen Deutschland?

Rademacher: 1985, 86 habe ich aufgehört. Ich wollte danach eigentlich nie mehr Schicht arbeiten. Meine Frau hatte unser erstes Kind bekommen, da habe ich mir einen anderen Job gesucht. Ich war dann in verschiedenen Druckereien, auch in der Druckerei des Ministeriums des Außenhandels. Aus politischen Gründen wollten sie mich da aber irgendwann nicht mehr haben.

taz: Um was genau ging es?

Rademacher: Mir wurde angekreidet, dass ich nicht den Kampftruppen der DDR beitreten wollte und der Zivilverteidigung kritisch gegenüber stand. Ich war ziemlich anti, was das DDR-Regime betraf. Meine Meinung war, das sind keine richtigen Kommunisten. Die meisten sind bloß in die Partei eingetreten, um Karriere zu machen und ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen. Natürlich gab es auch welche, die überzeugt waren.

taz: Wo stehen Sie heutzutage politisch?

Rademacher: Als die Mauer geöffnet hat, war es noch die SPD. Aber da gab es auch noch den Geist von Willy Brandt. Da sind noch nicht solche Schröders rumgelaufen – oder wie sie heute alle heißen. Die haben doch alle nichts mehr mit der Basis zu tun. Es gibt keine Arbeiterpartei mehr in meinen Augen. Wer setzt sich denn noch für die einfache Bevölkerung ein?

taz: Wäre die AfD für Sie eine wählbare Partei?

Rademacher: Auf keinen Fall! Aber auch nicht mehr die Linken. Ich habe im Moment keine Partei, bei der ich sagen würde: Die bringt uns voran.

taz: Sie selbst haben sich immer als Arbeiter bezeichnet?

Rademacher: Ja, bis heute! Arbeiter zu sein, richtiger Arbeiter, hat mich immer mit Stolz erfüllt. Dass man bodenständig geblieben ist.

taz: Nach der Wende waren Sie dann bei der Henke-Druckerei. Zu der Druckmaschine dort hatten Sie ein besonderes Verhältnis.

Rademacher: Ja, das war die Geoman, 17 Meter hoch, 36 Meter lang, vier Etagen, fünf Achtertürme, acht Rollenträger, drei Falzwerke. Die Maschine kam aus Augsburg, ich habe sie in Berlin mit in Betrieb genommen. Damals war ich Experte für alles. Wenn eine Störung anlag, wusste ich genau, wo ich suchen musste, ich kannte jede Schraube. Man könnte mich heute mit verbundenen Augen in die Druckerei setzen und ich würde an dem Geruch sofort erkennen wo ich bin. Das ist eine ganz spezielle Mischung aus Papiertstaub, Farbe und Öl.

„Und dann habe ich gefragt: Nehmen Sie auch so einen alten Sack wie mich, ich bin 57?“

taz: Werden Sie bei dem Gedanken sentimental?

Rademacher: Nein, ich vermisse das überhaupt nicht. Die Druckmaschine stand in einer Halle ohne Fenster. Man hat überhaupt nicht mitgekriegt, wann es Tag oder Nacht ist. Jetzt, als Lokführer bei der S-Bahn, erlebe ich die Tageszeiten sehr intensiv. Die blaue Stunde. Wenn es dunkel wird. Den Sonnenaufgang. Man sieht das Wetter. Man sieht die Wolken. Wenn ein Unwetter aufzieht. Man sieht das Licht, das sich ständig ändert. Und das finde ich herrlich.

taz: Sind Sie nicht eher untertage im Tunnel unterwegs?

Rademacher: Die meisten Strecken, die ich fahre, führen durch den Nordsüdtunnel. Aber nur sechs von insgesamt 34 Stationen sind tatsächlich im Tunnel, wenn ich von Oranienburg nach Wannsee fahre. In London ist das viel schlimmer und auch die Berliner U-Bahn-Fahrer sehen zum Teil gar kein Tageslicht.

taz: Sie sind der Chef auf dem Zug, wenn irgendwas passiert, entscheiden Sie?

Rademacher: Ja, aber ich habe natürlich meine Stellen, die ich anrufen muss. Je nachdem, um was es sich handelt, wird eine Alarmkette in Gang gesetzt: der Fahrdienstleiter, der Notfallmanager und so weiter. Ich hatte schon einige Wildunfälle, aber zum Glück noch keinen Personenunfall.

taz: Felder, Wiesen und Wälder, Außenbezirke, City – das alles gibt es auf Ihrer Strecke. Wie viel davon bekommen Sie in Ihrem Führerhaus mit?

Rademacher: Die Nächte zu Samstag und Sonntag werden ja komplett durchgefahren. Die Nachtschicht beginnt zum Beispiel um 21.34 Uhr und endet um 6.27 Uhr. Wenn man in den Morgen fährt und der Nebel hängt noch über den Wiesen und die Rehe stehen am Rand – das ist traumhaft.

taz: Was gibt es da noch so?

Rademacher: Morgens werden die Bahnhöfe gereinigt, aus den Backshops riecht es nach frischen Schrippen. Wenn die ersten zur Arbeit fahren und auf dem Bahnsteig an ihrem Kaffee nippen, kommen die letzten aus der Disco und warten mit einem Sternburg-Bier auf den Zug.

taz: Und später?

Rademacher: Dann kommen die Schulkinder. Da muss man besonders aufpassen, die sind immer sehr aufgeregt, hopsen noch mal schnell raus und in den nächsten Wagen rein. Dann kommen die Berufspendler zurück, die sind alle fix und fertig, in den Außenbezirken haben viele Fahrräder dabei, da wird es im Zug dann eng. Und dann kommen alle mit ihren Rucksäcken und fahren zu ihrer Gym oder zum Training. Jede Zeit ist anders. Das ist sozusagen mein neues Leben und das ist schon interessant. In der Druckerei hatte ich das nie.

11 Monate hat die Ausbildung gedauert

taz: Aber ist das da vorne nicht auch ein ziemlich einsamer Job?

Rademacher: Einerseits ja, aber andererseits wird man so oft von Fahrgästen angesprochen, um Infos gebeten und auch angepöbelt.

taz: Haben Sie ein Beispiel?

Rademacher: Es kommt vor, dass ich von der Leitstelle den Auftrag bekomme, am nächsten Bahnhof umzudrehen, weil auf der Strecke ein Polizeieinsatz ist. Da muss ich eine Ansage machen, zum Beispiel: „Werte Fahrgäste, der Zug endet hier, wir fahren zurück nach Hennigsdorf.“ Die Fahrgäste steigen dann aus, manche sind ziemlich erregt und lassen es an mir aus, wenn ich über den Bahnsteig an das andere Ende des Zuges laufe, um zurückzufahren. Ich wurde da sogar schon mal angespuckt. Teilweise sind die Leute sehr böse. Dabei kann ich gar nichts dafür.

taz: Was machen Sie mit solchen Erlebnissen?

Rademacher: Die erste Zeit hat mich das nach Feierabend noch sehr beschäftigt, am Anfang habe ich zu Hause auch noch viel erzählt. Inzwischen hat man sich daran gewöhnt. Ich sage dann immer: Das ist typisch Berlin!

taz: Sie werden in diesem Jahr 65, haben Sie eine Vorstellung, wie lange Sie noch in dieser Form arbeiten wollen?

Rademacher: Zurzeit arbeite ich 80 Prozent, nächstes Jahr werde ich auf 50 Prozent reduzieren. Und dann wird man sehen. Im Alter will man nicht mehr nach den Sternen greifen. Aber solange man kann, sollte man all das machen, was man immer machen wollte.

taz: Was fällt Ihnen da auf Anhieb ein?

Rademacher: Ich fahre zum Beispiel leidenschaftlich gerne Fahrrad. Ich sehe es ja hier in meiner Nachbarschaft. Die meisten Männer sind mit Mitte 70 gestorben. Die hatten in ihrem Leben alle hart gearbeitet.

taz: Am Ende wäre natürlich noch interessant zu wissen, was Ihnen von der taz in Erinnerung geblieben ist. Immerhin haben Sie unsere Zeitung fast 20 Jahre lang gedruckt.

Rademacher: Richtig gut fand ich immer die Titelblätter, die teilweise sehr provokant waren. Und auch die Sichtweise war zum Teil interessant, sodass man noch mal einen anderen Standpunkt mitkriegt. Ich kann mich an ein Doppel-Interview erinnern zwischen einem Polizisten und einem Steinwerfer, das war vor dem 1. Mai, da waren früher ja immer Krawalle. Nach diesem Vorbild würde mich auch mal ein Streitgespräch zwischen einem Graffiti-Sprayer und einem Verantwortlichen der S-Bahn wünschen.

taz: Und was versprechen Sie sich davon?

Rademacher: Ich verstehe die Motivation nicht. Die Fahrgäste können nicht mehr aus den Fenstern gucken, die Reinigungstrupps brauchen Stunden, um die Graffiti zu entfernen. Manche Leute empfinden das als Kunst, für mich ist das einfach nur eine Beschmutzung und Sachbeschädigung.

taz: Nach dem 17. Oktober erscheint die tägliche taz digital, nur die wochentaz bleibt gedruckt. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?

Rademacher: Das wundert mich nicht. Wer liest heute schon noch gedruckte Zeitungen? In meiner Nachbarschaft hat kaum noch jemand ein Zeitungsabo, auch in der S-Bahn sieht man keine mehr. Irgendwo fehlt da was, aber ich finde es richtig.

taz: So eindeutig hört man das von Ihrer Generation selten.

Rademacher: Ich mache mir da nichts vor. Was wir außer Zeitungen alles gedruckt haben! Diese Unmengen von Beilagen und Werbeprospekten. Und alles landet sofort im Mülleimer. Zig Tonnen von Papier, wie viele Wälder sind dafür abgeholzt worden. Nicht zu vergessen die viele Farbe und Chemie. Als Drucker hatte ich manchmal ein schlechtes Gewissen, wie wir mit den Ressourcen umgegangen sind. Für die Umwelt war das überhaupt nicht gut.

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