Wer bekommt mehr Geld im neuen Jahr?: Linke Tasche, rechte Tasche
Was ändert sich 2019? Das kommt auf die Perspektive an. RentnerInnen und Schwarzhändler profitieren, Arbeitslose eher nicht.
![Ein Fensterputzer putzt ein Fenster Ein Fensterputzer putzt ein Fenster](https://taz.de/picture/3159326/14/2019-neu-aenderung-mindestlohn-21817299.jpeg)
Nicht jeder ist Superverdiener, Bargeldfetischist, Großdealer oder Schwarzhändler. Diese freuen sich möglicherweise über die neuen 100- und 200-Euroscheine, die ab Ende Mai von der Europäischen Zentralbank ausgegeben werden. Die Scheine sind mit neuen Sicherheitsmerkmalen versehen, also fälschungssicherer. Die Scheine sind etwas kleiner als ihre Vorgänger, passen also auch in großen Mengen unauffällig in kleinere Taschen. Die alten Scheine bleiben aber gültig.
Mindestlöhnern dürften die neuen Hunnis eher wurscht sein, denn auch mit einem Mindestlohn von 9,19 Euro in der Stunde, der ab Januar verpflichtend ist, bleibt man Bescheidenverdiener. Minijobber dürften vom neuen Mindestlohn möglicherweise gar nicht besonders profitieren, denn es gilt auch 2019 eine obere Verdienstgrenze von 450 Euro monatlich für geringfügige Beschäftigung. Damit die Minijob-Grenze mit dem höheren Stundenmindestlohn nicht überschritten wird, werden manche Arbeitgeber möglicherweise einfach die Arbeitszeit reduzieren.
Wobei die Beschäftigten auf die Idee kommen könnten, mehr zu arbeiten und in die Zone der Midijobber zu rutschen. Midijobber sind Berufstätige mit einem Einkommen zwischen 450 und 850 Euro im Monat, die aber nicht die vollen Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Ab Juli 2019 wird dieser Übergangsbereich erweitert. Man zahlt dann in der Verdienstzone zwischen 450 und 1.300 Euro brutto geringere Sozialversicherungsbeiträge als bisher, die Rentenansprüche werden dabei staatlich aufgestockt.
Die allermeisten Midijobber werden Teilzeitkräfte sein. Und Teilzeitarbeit könnte im nächsten Jahr möglicherweise an Attraktivität gewinnen. Denn ab dem ersten Januar haben Beschäftigte einen Anspruch darauf, ihre Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum zu reduzieren und später wieder zu einer vorher vereinbarten längeren Arbeitszeit zurückzukehren. Diese sogenannte „Brückenteilzeit“ können aber nur Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 45 Arbeitnehmern fordern. Sie ist besonders interessant für Eltern.
Eltern bekommen im neuen Jahr mehr Kindergeld, aber erst im Juli 2019. Dann gibt es zehn Euro monatlich mehr für jedes Kind. Fürs erste und zweite Kind erhält man dann jeweils 204 statt bisher 194 Euro, fürs dritte Kind 210 Euro. Die steuerlichen Freibeträge für gutverdienende Eltern steigen entsprechend. Zehn Euro mehr pro Kind, das ist immerhin eine Steigerung von fünf Prozent.
Hartz-IV-EmpfängerInnen mit Kindern haben allerdings wie immer nichts von der Erhöhung des Kindergeldes, weil ihnen diese Leistung voll auf den Hartz-IV-Bezug angerechnet wird. Wobei die Hartz-IV-Regelsätze im Jahre 2019 steigen, wie jedes Jahr. Ab dem ersten Januar erhalten Alleinstehende monatlich acht Euro mehr, also einen monatlichen Regelsatz von 424 Euro statt bislang 416 Euro. Angehörige und Kinder in Familien im Hartz-IV-Bezug bekommen ebenfalls entsprechend höhere Regelsätze. Die Steigerung beträgt rechnerisch knapp zwei Prozent. Leider liegt die prognostizierte Inflationsrate für 2019 ebenfalls bei mindestens zwei Prozent, sodass sich an der Armut nichts ändert.
Besser dran sind die Rentner und Rentnerinnen, jedenfalls im Schnitt. Die Renten steigen wie jedes Jahr auch 2019 ab dem ersten Juli, und zwar im Westen um 3,18 und im Osten um 3,91 Prozent. Die gute Konjunktur und die Beschäftigungslage sind der Grund für die positive Entwicklung der Rentenfinanzen.
Rentnerinnen mit Nachwuchs haben es im neuen Jahr sogar noch etwas besser. Mütter, deren Kinder vor dem ersten Januar 1992 geboren wurden, bekommen statt bisher zwei künftig 2,5 Entgeltpunkte pro Kind für die Rente gutgeschrieben. Das macht immerhin im Westen monatlich 16 Euro mehr an Rente (Osten: 15,40 Euro) aus. Im Vergleich zu jüngeren Müttern allerdings erhalten die älteren Frauen immer noch einen halben Rentenpunkt weniger pro Kind.
Besser geht es auch ErwerbsminderungsrentnerInnen, die im kommenden Jahr neu in diese Sozialleistung eintreten. Ihnen werden ab Januar verlängerte sogenannte Zurechnungszeiten gutgeschrieben, um die Rente zu berechnen. Das bedeutet für den durchschnittlichen Erwerbsminderungsrentner ein plus von rund 70 Euro im Monat, sagt die Deutsche Rentenversicherung.
Diese Erhöhung gilt aber nur für NeurentnerInnen in der Erwerbsminderung. Die anderen bleiben bei ihren alten Bezügen. Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente betrug im Jahre 2017 rund 780 Euro im Westen – wenn die Wohnung nicht billig ist, kommt man damit auf ein geringeres Einkommen als Hartz-IV.
Auch für BeitragszahlerInnen im Allgemeinen ändert sich was. Dabei gilt ein wenig das Prinzip: linke Tasche, rechte Tasche. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sinken um 0,5 Prozentpunkte ab Januar, die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen um zufällig genau 0,5 Prozent, auch ab Januar.
Allerdings müssen sich an den Krankenversicherungsbeiträgen ab 2019 die Arbeitgeber wieder genau hälftig beteiligen. Wer 3.000 Euro brutto verdient, zahlt dadurch beispielsweise monatlich etwa 15 Euro weniger an Krankenversicherung. Besser wird es für Kleinselbständige. Sie mussten als freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung mindestens 340 Euro an Beiträgen zahlen – diese sinken auf etwa 171 Euro im Monat, wenn das Monatseinkommen 1.000 Euro im Monat kaum überschreitet.
Es gibt heftigere Einschnitte, die Einzelne treffen. DieselautofahrerInnen zum Beispiel müssen ein paar Kröten schlucken für die Umwelt: In immer mehr Kommunen kommen Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge. Schon ab erstem Januar sind zum Beispiel in der gesamten Umweltzone von Stuttgart private Diesel bis Euronorm 4 nicht mehr erlaubt. Nach einer dreimonatigen Übergangsfrist gilt das auch für EinwohnerInnen, später eventuell auch für Diesel der Schadstoffklasse Euronorm 5. Im Laufe des Jahres folgen Fahrverbote in weiteren Städten wie Köln, Essen, Berlin und anderen. Einige Kommunen befinden sich noch in Auseinandersetzungen mit den Gerichten, ob und in welcher Form Fahrverbote für sie gelten werden.
Da lohnt sich vielleicht der Umstieg aufs Dienstfahrrad. Denn ab 2019 muss der sogenannte geldwerte Vorteil, der sich aus der Überlassung eines Dienstfahrrades ergibt, nicht mehr versteuert werden – auch bei E-Bikes. Wer nicht strampeln und trotzdem ökologischer zur Arbeit unterwegs sein will: Besonders gefördert werden auch elektrisch betriebene Dienstautos. Überdies sind Jobtickets, die der Arbeitgeber zusätzlich zum Lohn finanziert, künftig ebenfalls steuerfrei.
VerbraucherInnen sollten auch ein paar Neuerungen beachten. Stichwort: Pfand. Denn Pfand bedeutet nicht automatisch Mehrweg. Das soll durch ein neues Gesetz stärker bewusst gemacht werden. Ab dem ersten Januar müssen Verkaufsstellen mit Hinweisschildern kennzeichnen, ob angebotene Getränke in Ein- oder Mehrwegflaschen abgefüllt sind. Hintergrund ist, dass Einwegflaschen, selbst wenn sie recycelt werden, lange nicht so nachhaltig sind wie Mehrwegverpackungen. Diese können nämlich häufig wiederverwendet werden, müssen also nicht jedes Mal unter Aufbietung von Energie und Rohstoffen neu hergestellt werden. Jedoch werden sie immer seltener eingesetzt: Wie die Verbraucherzentrale berichtet, ist der Anteil an Mineralwasser-Mehrwegflaschen in den letzten 20 Jahren dramatisch gesunken, von 93 Prozent (1991) auf 40 Prozent (2013).
Und was ist mit Wohnungssuchenden, einer der in den Großstädten am meisten bemitleideten Gruppen? In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gilt ab Januar eine verschärfte Mietpreisbremse. Der Vermieter muss bei Vertragsabschluss ungefragt Auskunft über die Vormiete geben, wenn der Mietzins mehr als zehn Prozent über dem Mietspiegel liegt. Wenn er nichts sagt, kann die überhöhte Miete nach Vertragsabschluss vom Neumieter gerügt und gesenkt werden – und der Vermieter kann sich dann zunächst nicht auf sogenannten Ausnahmetatbestände oder eine eventuell hohe Vormiete berufen.
Die Schlange der Wohnungssuchenden wird dadurch allerdings auch nicht kürzer.
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