Arbeitslose im Mieterverein: Etwas mehr Mieterschutz für Arme
Ab Januar übernimmt das Amt bei Arbeitslosen die Mitgliedsbeiträge für den Mieterverein. Das soll sich sogar rechnen.
Der Landeschef des Eigentümerverbands Haus und Grund, Carsten Brückner, hat kürzlich in einem Interview gesagt: „Es gibt kein Naturgesetz, das mir das Recht gibt, für immer in meiner vertrauten Umgebung zu bleiben.“ Genau das aber wollen viele BerlinerInnen: in ihrem Kiez leben, in der Nähe von Freunden oder Familie, vom bekannten Supermarkt, der Schule, der Kneipe. Das ist nicht nur menschlich nachvollziehbar, es ist auch nachgewiesen, dass Leute in einem funktionierenden Umfeld psychisch gesünder sind. Und es zerstört den Reiz Berlins, wenn immer mehr Arme aus der Innenstadt verdrängt werden.
Dagegen sollen sie sich künftig etwas besser wehren können: Ab Januar übernimmt das Amt für Hartz-IV-EmpfängerInnen und Asylsuchende die Mitgliedsbeiträge für den Mieterverein, teilten die Senatsverwaltungen für Soziales und für Stadtentwicklung mit. Wenn EigentümerInnen in Zukunft also die Miete stark erhöhen, wenn eine Modernisierung ansteht oder der Mietvertrag gar ganz gekündigt wird, können sich die Betroffenen beraten lassen, ohne dafür 4,50 Euro pro Monat zahlen zu müssen. Im Zweifel können sie auch rechtlich gegen den Vermieter vorgehen.
In den Berechnungen der Sozialleistungen des Bundes sind Mitgliedsbeiträge für Mieterorganisationen nicht vorgesehen. „Deshalb verzichten Menschen mit einem niedrigen Haushaltsbudget oft darauf“, so Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linkspartei). Die Folgen könnten verheerend sein. „Im schlimmsten Fall ist die Wohnung weg.“ Mit der Übernahme der Mitgliedsbeiträge helfe der Senat den MieterInnen bei der Durchsetzung ihrer Rechte, so Breitenbach. Und auch ihre Parteikollegin, Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher, freut sich: „Das neue Modell hilft nicht nur dem Einzelnen, sondern langfristig auch ganz Berlin, den Mietenanstieg zu verlangsamen.“
Nach Einschätzung des Senats ist die neue Regelung sogar wirtschaftlich: In anderen Bundesländern habe man die Erfahrung gemacht, dass die Höhe der abgewehrten Vermieterforderungen die Höhe der Mitgliedsbeiträge bei Weitem übersteige. Vereinbarungen mit weiteren Mieterorganisationen sollen folgen.
„Das ist ein wichtiger Schritt, um auch ALG-II-Empfängern einen besseren Rechtsschutz zuzubilligen“, sagte am Freitag Reiner Wild vom Berliner Mieterverein. Andere Städte hätten das längst gemacht. Es gebe auch jetzt schon viele Arbeitslose im Mieterverein, die bislang den reduzierten Mitgliedsbeitrag von 4,50 Euro bezahlten. Es sei gut, wenn sie das Geld nun nicht mehr vom Regelsatz abknapsen müssten.
Wie viele Betroffene sich ab 2019 tatsächlich an den Mieterverein wenden, hängt nach Wilds Einschätzung vor allem von den MitarbeiterInnen in den Jobcentern ab. Sie müssen die Kostenübernahme der Mitgliedsbeiträge bewilligen. An ihnen dürfte es auch liegen, die neue Regelung weithin bekannt zu machen. Wild sagte: „Ich rechne nicht mit einem wahnsinnigen Ansturm ab dem 2. Januar.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins