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Wenn schlechte Laune regiertLass dich ruhig gehen, mein Kind

Wenn es mal nicht so rund läuft, denken wir daran, was die Tochter alles vor und hinter sich hat: fünf Kita-Jahre, die Einschulung, die Corona-Monate.

Es ist kompliziert gerade Foto: imago images

U nsere große Tochter hatte gerade Geburtstag. Sie ist sechs geworden. Sie hat viele Geschenke bekommen und ist mit ihren Freundinnen und Freunden aus der Kita ins Freibad gegangen und da gab es Muffins und Pommes und eigentlich war alles so, wie sie es sich gewünscht hatte – und abends hat sie geweint und geschimpft, weil nichts so war, wie sie es gewollt hatte.

Und überhaupt: Die Geschenke sind auch Mist. Die Federtasche: Mist. Das Fahrrad: Mist. Die Hose: Mist. Alles Mist. „Ich hab überhaupt nichts von dem bekommen, was ich mir gewünscht hab“, schluchzt sie.

Das stimmt. Teilweise. Es ist aber auch schwierig, einem sich ständig wechselnden Wunschzettel gerecht zu werden. Die aktuellste Version stammte vom Geburtstags-Vorabend.

Es ist kompliziert gerade.

Brüllen im Freibad

An manchen Abenden lässt sie allen Frust ab. Sie hat dann angeblich keine Freunde. Oder keine schönen Klamotten („Ich will nicht so aussehen wie Papa!“ – aber was spricht gegen Trainingsjacken?). Dass sie jede Menge Freunde hat oder dass sie sich ihre Klamotten zuletzt selbst aussuchen durfte – es spielt in diesen Momenten keine Rolle.

Und wenn sie sich und wir sie dann beruhigt haben, weint sie, weil sie sich dafür schämt, dass sie so traurig und wütend war.

Der ewige Kreis.

Dabei versuchen wir ihr exakt das Gegenteil zu vermitteln: Es ist okay, traurig oder wütend zu sein; wir haben dich lieb, egal was ist. Und so weiter.

Ein gutes Zeichen

Das fällt uns abends zu Hause natürlich leichter, als wenn wir unterwegs sind. Wenn sie im Freibad brüllt und sich beschwert und wir versuchen, geduldig zu sein, und die anderen Eltern einen schon angucken, als würden wir das Kind quälen, und ich mir manches Mal tatsächlich denke: „Reiß dich jetzt gefälligst zusammen, Fräulein!“ Ich mir aber auf die Zunge beiße, weil ich genau weiß, dass das alles noch schlimmer machen würde und ich mich bloß nicht triggern lassen darf und völlig egal ist, was irgendwer denkt und: Aaaaaaaaah!

Es ist nicht so, dass sie gerade antriebsschwach wäre; dass sie sich zurückziehen würde. Es ist eher so, dass in bestimmten Phasen Wut und Trauer ungefiltert rauslässt. Nur bei uns. Ist sie mit anderen unterwegs, sei alles prima, sagen die anderen.

Ich hab mal gelesen, dass es ein gutes Zeichen sei, wenn sich Kinder zu Hause gehen lassen könnten. Und vielleicht ist sie auch einfach durch: Fünf Kita-Jahre gehen zu Ende, die Einschulung ist um die Ecke, die Corona-Monate waren mit Sicherheit auch für sie, wenn nicht anstrengend, dann doch zumindest verwirrend.

Also: Lass dich gehen, mein Kind. Wir halten das schon aus.

Ich wünsche Ihnen allen einen wunderschönen Sommer und dass Sie ein bisschen Erholung von den zurückliegenden Monaten finden!

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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4 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ich kenne auch einige solcher Kinder die regelrecht dazu aufgefordert werden ihren Launen freien Lauf zu lassen.



    Die Folge davon sind endlose unberechtigte Wutanfälle der Kinder und verzweifelte Eltern. Man meint den Kindern etwas Gutes zu tun aber am Ende sind dann alle "am Ende"



    Damit ist niemandem geholfen.

  • IMHO ist es nicht ok einfach mal grundlos loszuschreien und seine schlechte Laune an den anderen auszulassen. Und das sollten die Eltern einer Sechsjährigen gerne vermitteln.

    Ich zumindest kenne einige bei denen sich so ein Verhalten eingeschliffen hat und die das mit 40 immer noch machen. Und das ist dann definitiv ein Problem.

    • @Generator:

      Zum einen scheint das Kind im Text gerade nicht grundlos zu schreien, im Gegenteil, es scheint das Zuhause zu tun, wenn seine Anpassungsfähigkeit über den Tag bei anderen aufgebraucht wurde. Das ist völlig ok und geht mir genauso, wenn ich nach einem harten Tag nach Hause komme lasse ich das bei meiner Frau auch mal raus - und es ist ok.

      Zum Anderen gibt es viel mehr Menschen, die als Erwachsene Probleme haben, weil sie ihre Gefühle in ihrer Kindheit unterdrücken sollten. Frauen, die ihre Aggressionen seit frühstem Alter unterdrücken mussten, denn "Mädchen sind nicht so". Männer, die Streß oder Krankheiten erst wahrnehmen, wenn sie Krankheitswert bekommen, denn "Männer sind hart und nicht traurig, wenn der Chef sie mal anbrüllt".

      Ganz im Ernst: ich glaube der Autor des Textes sieht das schon richtig, und macht es auch richtig. Menschen, die einen gesunden Zugang zu ihren Gefühlen haben, werden dann auch nicht grundlos mit 40 andere anschreien. Ohne es belegen zu können glaube ich das sind eher die, denen Verletzungen in der Kindheit zugefügt wurden, und die nicht so sein durften, wie sie eigentlich sind.

  • Kinder sind robuster als man denkt, haben Freude an Dingen die man nicht direkt nachvollziehen kann. Wenn sie diese Dinge haben ist alles gut. Dann ist auch Brüllen drin denn auch das gehört dazu. Auch Trotz. Einige Eltern gehen damit schlechter um als die Kinder. Eine Generationenfrage, bei der antiautoritären Erziehung war das alles ok, heute scheint mir manchmal eine gewisse Ratlosigkeit vorzuliegen.