Wenn Software Entscheidungen trifft: Verwirrte Algorithmen
Menschen sind oft unglaublich berechenbar – aber ganz plötzlich dann wieder nicht. Das macht es manchmal ganz schön kompliziert.
M anchmal reichen zwei Wörter, um maximal zu verwirren. „Use Signal“, twitterte Tesla-Gründer Elon Musk am 7. Januar. Woraufhin ein Aktienkurs in die Höhe schoss. Allerdings nicht der Kurs der Messenger-App Signal, die Musk meinte. Hinter der App steht eine Stiftung, da gibt es weit und breit keinen Aktienkurs. Sondern von Signal Advance, einer Medizintechnikfirma, was irgendwie auch in die Zeit passt.
Schon vor zehn Jahren fiel auf: Kommt ein Film mit der Schauspielerin Anne Hathaway in die Kinos, dann steigt der Aktienkurs des Unternehmes Berkshire Hathaway. Warum? Weil ein Teil des Aktienhandels mittlerweile über Algorithmen abgewickelt wird. Und künstliche Intelligenzen sind zwar mitunter schon recht gut, aber längst noch nicht perfekt im Verstehen von Texten.
Analysieren die KIs also Texte, in denen der Begriff Hathaway gemeinsam mit als positiv gelernten Wörtern vorkommt, wie „großartige Leistung“, lösen sie den Kauf von Aktien aus. Könnte ein Tipp sein für ambitionierte Gründer:innen, die gerade auf der Suche nach einem Firmennamen sind.
Das Ding ist: Menschen sind oft unglaublich berechenbar – aber ganz plötzlich dann wieder nicht. Zum Beispiel beim Einkaufen. Anhand der Wettervorhersage und des Spielplans der Fußball-Männer-Bundesliga kann ein selbstlernender Algorithmus recht zuverlässig die Nachfrage nach Bier und Grillgut prognostizieren. Unter Berücksichtigung länderspezifischer Besonderheiten natürlich, wie einer zu erwartenden Bevorratung mit Bier und Erdbeer-Pop-Tarts angesichts eines sich nähernden Hurrikans an der US-Küste. Ja, das Leben als KI in der Einkaufsplanung einer Supermarktkette könnte so einfach sein. Aber dann ist weder ein Hurrikan im Anflug noch El Niño, nicht einmal ein Gewitter. Und plötzlich kaufen die Leute wie verrückt Nudeln, Klopapier und Desinfektionsmittel. Wie soll man da mitkommen?
Elon Musk setzt in Tesla-Fahrzeugen selbst viel auf KI. Die soll bei selbstfahrenden Autos etwa Verkehrssituationen vorhersagen. Wenn da nur nicht diese unberechenbaren Menschen wären! Vor allem Menschen, die andere Fahrzeuge steuern und Verkehrsregeln mitunter eher als unverbindliche Empfehlung verstehen. Bei den Herstellern überlegt man schon, selbstfahrende Autos etwas aggressiver zu programmieren, damit sie im Berufsverkehr nicht ewig vor dem Kreisverkehr warten.
Wie lange es wohl dauert, bis ausreichend defensive selbstfahrene Autos unterwegs sind, um die menschlichen Fahrer:innen zur Rücksichtnahme zu bewegen? Lange wahrscheinlich. Zumindest länger, als die Fahrzeug-KI Wettervorhersagen und Spielpläne auswertet und die Insassen direkt zum Supermarkt mit dem größten Grillgut-Bestand bringt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus