Wenn Singlemänner einsam sind: Unglückliche Paare gibt es genug
Niemand spricht gern drüber allein zu sein, manchmal einsam. Und das mit Mitte dreißig. Ein Selbstbekenntnis.
Ich trage Hoffnung mit mir herum, eigentlich ständig. Sie ist dabei, wenn ich Brötchen hole. Oder wenn ich in die rappelvolle U-Bahn steige. Sie begleitet mich, wenn ich zum Schwimmen gehe. Es ist, als sei sie immer in meiner Jackentasche, zwischen einer alten Kinokarte, den Kaugummis und ein paar Krümeln.
Manchmal vergesse ich sie für einen Augenblick. Meistens aber versichere ich mich, dass sie noch da ist, bevor ich die Wohnung verlasse. Es ist, zugegeben, eine sehr konkrete Hoffnung. Ich hoffe auf: Liebe. Mehr oder weniger bin ich seit drei Jahren solo.
„Mehr oder weniger“ heißt, es gab eine Affäre, wenige One-Night-Stands, eine kurze Beziehung, ein Beieinandersein für drei, vier Monate. Es gab tolle, romantische Momente, es gab auch Verknalltsein. Aber ich traf nicht die Frau, mit der ich leben möchte. Mit der es stimmt. Die eine.
Wenn man wie ich Mitte dreißig ist, häufen sich die Fragen im Umfeld. Mitbewohner Malte – selbst seit einem knappen Jahr in einer glücklichen Beziehung – fragt beim Frühstück: „Was machen die Frauen?“
33, ist freier Autor. Er lebt und arbeitet in Köln.
Langsam wird es doch mal Zeit
Ich umspiele es mit einem Witz, sage ein paar Mal „Ach“ und „Oh“ und „Puh“. Wir lachen. Wenn meine Eltern vorsichtig etwas in diese Richtung andeuten, reagiere ich gereizt. Und an den brunchenden Paaren sonntagmittags im Café laufe ich lieber schnell vorbei.
Wie die ersten grauen Haare an der Schläfe erinnern sie mich daran, dass es ja mal „langsam Zeit“ wird, wie angetrunkene Verwandte schon mal auf Familienfeiern sagen. Diese dämlichen Sprüche sollten mir am Arsch vorbeigehen.
Und doch bin ich ein bisschen wütend und traurig, wenn ich sie so etwas sagen höre. Wütend, weil ich glaube, dass es gut ist, sich die Zeit zu nehmen, die man braucht – und man sowieso nichts erzwingen kann. Zeit vor allem, die ich brauche.
Eine Beziehung nur um der Beziehung willen möchte ich ganz sicher nicht führen; unglückliche Paare gibt es schon genug. Traurig machen mich solche besorgten Fragen deshalb, weil sie in einer Wunde stochern, die nun mal da ist – oder sie zumindest streifen.
Wenn der Tag keinen Sinn hat
Die Singlefrauen im „gebärfähigen“ – also in meinem – Alter tun mir mehr leid als ich mir selbst, bisweilen. Sie werden noch schräger angeguckt, wenn sie allein leben. Allein fühle ich mich oft, ohne dass ich es weiter schlimm fände. Ist ja keine Krankheit, die man auf die Schnelle lindern könnte.
Manchmal aber fühle ich mich einsam. An diesem Samstag zum Beispiel. Nach der SMS eines Freundes – „C.s Mutter geht es nicht gut, wir müssen hinfahren, kann heute leider nicht ins Theater. LG“ – ist der einzige Termin hinfällig, den es an diesem Tag gab.
Ich surfe ein paar Stunden sinnlos im Netz. Spiele Gitarre. Es will keinen Spaß machen. Später höre ich einen Song, der mich endgültig fertigmacht. Ich rauche eine. Gucke alle halbe Stunde aufs Smartphone. Niemand wollte etwas von mir.
Ich gehe in Kneipen, in Clubs, bin in einem Verein, lerne über meinen Job häufiger Frauen kennen. Online zu suchen war nie so mein Ding. Es ist kein Problem, in der Stadt, in der ich lebe, Frauen zu treffen. Meist fällt es mir nicht mehr allzu schwer, sie anzusprechen.
Nach dem Date blieb nur noch „YouPorn“
Manchmal macht man Dates aus. So wie neulich, mit Larissa, die ich beim Joggen im Park kennengelernt hatte. Wir trafen uns am Tag darauf in einem China-Restaurant. Schon das Essen wurde lang und zog sich. Die Vibes fehlten, wir lebten in zwei völlig unterschiedlichen Welten.
Sie aufgebrezelt und fein gekleidet, ich im Normalolook. Sie gläubig, ich Agnostiker. Sie kam aus den Natur-, ich aus den Geisteswissenschaften. Wir unterhielten uns über den Klimawandel. Ich hatte nicht so viel beizutragen. Nachdenklich ging ich nach Hause. Dort sah ich mir was auf „YouPorn“ an und holte mir einen runter.
Die Affäre mit Tamara hielt dagegen so lange, dass sie eine Zahnbürste bei mir deponierte und ich bei ihr: ein paar Monate. Wir trafen uns ungefähr jedes zweite Wochenende, meist bei ihr. Wir fuhren dann zum See oder gingen ins Kino.
Oder wir faulenzten. Schliefen morgens miteinander und blieben bis zum Nachmittag liegen. Wir verstanden uns gut im Bett und wussten das zu schätzen. Hörten Klezmersongs, die Jackson Five oder sangen Arbeiterlieder mit. Sah ihr gern vom Bett aus nach, wie sie nackt in die Küche huschte, wie die schwarze Mähne auf dem Rücken baumelte und sie noch einen Kaffee holte.
So leidvoll ist das Singledasein auch nicht
Für eine Beziehung reichte es nicht, das wussten wir, glaube ich, von Beginn an. Vielleicht war es, weil sie sehr extro- und ich eher introvertiert war. Es wäre ein ständiger Kampf um Raum gewesen. Jetzt schreiben wir uns nur noch ab und zu.
Früher hatte ich eine Tradition mit meiner zwei Jahre jüngeren Schwester: Wir telefonierten, wenn es arge Probleme mit der Liebe gab. Es war in meinen mittleren Zwanzigern, als wir beide eine Weile Single waren (sie hat seit ein paar Jahren einen Freund und ist gerade schwanger. Unsere Eltern freut’s).
Inzwischen rede ich nur noch mit einem guten Freund über ernsthafte Liebesleiden. Das Singledasein aber als ständiges Leiden darzustellen, hieße, es zu verklären. Eigentlich ist ja alles in Ordnung, trotzdem spüre ich, wie da etwas in mir arbeitet.
Manchmal denke ich über andere Beziehungsmodelle, über andere Lebens- und Liebesformen nach, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass ich es gern dauerhaft zu zweit versuchen würde. Wenn sie denn mal auftauchen würde.
Wenn einem die zweite Zahnbürste im Becher doch fehlt
Natürlich gibt es auch im Singleleben Highlights. Es hat auch große Vorzüge; ich bin sehr frei. Und es hat positive, aufregende Seiten, auf der Suche zu sein. Was den Sex betrifft, was die Flirts betrifft. Ich denke tagelang über einen Blick auf einer Party nach, ich wundere mich, mit wem ich da plötzlich im Bett gelandet bin. Wer wie ich keine Kinder hat, kann schon mal Wochenenden durchfeiern.
Ein paar Dinge fehlen. Tage im Bett. Gute Gespräche nach dem Essen. Gespräche überhaupt. Muße, Kontemplation, Ausgeglichenheit. Diese Sachen erlebe ich als Single kaum. Ich bin ablenkbarer, verlerne es, mich jemandem voll und ganz zu widmen, der mir wichtig ist.
Ich kümmere mich darum, dass beruflich alles läuft, es finanziell stimmt. Beim Zähneputzen morgens aber, jetzt, wo wieder nur eine Zahnbürste im Becher steht, kommt es mir nur wie ein Programm vor, das ich abspule. Die Tage werden heller. Frühling wird kommen. Das Leben geht weiter.
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