Weniger Dienstreisen nach der Pandemie: Videokonferenzen schonen Klima
Die Coronakrise hat Videokonferenzen zum Durchbruch verholfen. Künftig könnte ein Drittel der Geschäftsreisen wegfallen, so eine Studie.

Vidoekonferenzen sind bequemer und klimafreundlicher als Dienstreisen, aber nicht so aufregend Foto: Mathieu Thomasset/imago
BERLIN taz | Nach der Coronakrise könnte ein Drittel der Geschäftsreisen durch Videokonferenzen ersetzt werden. Das erwarten die Autor:innen einer Studie, die das Borderstep Institut im Auftrag des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD) erstellt hat. Entfallen künftig tatsächlich Geschäftsreisen in dieser Größenordnung, würden im Autoverkehr fast 9 Milliarden Kilometer jährlich weniger gefahren. Insgesamt würde der Ausstoß von 3 Millionen Tonnen CO2 vermieden.
In Deutschland wurden 2019 nach Regierungsangaben 805 Millionen Tonnen Treibhausgase ausgestoßen, davon 12 Millionen Tonnen durch Dienstreisen. 2019 fanden 195 Millionen beruflich begründete Reisen statt. Für die meisten wurden ein Auto oder Flugzeug genutzt. In der Coronakrise ist die Zahl der beruflich bedingten Touren nach Angaben des Reiseverbands VDR gegenüber 2019 um drei Viertel eingebrochen. Viele wurden durch Videokonferenzen ersetzt, wie die Untersuchung des Borderstep Institut zeigt. „Videokonferenzen sind seit 20 Jahren möglich, aber erst durch die Pandemie haben sie sich im Geschäftsleben fest etabliert“, sagte Studienautor Jens Clausen bei der Vorstellung der Untersuchung – in einer Videokonferenz.
Für die Studie hat das Institut 500 Geschäftsreisende befragt, die 2019 mindestens eine Dienstreise unternommen hatten. Bis zum Ausbruch der Coronakrise hatten 68 Prozent von ihnen noch keine oder kaum Erfahrung mit Videokonferenzen. Im vergangenen November waren es nur noch 27 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt nahmen drei Viertel der Befragten mindestens einmal in der Woche an einer Videokonferenz teil, 30 Prozent täglich oder fast täglich. Als positiv bewerteten die Befragten durchweg die Zeitersparnis, als negativ den fehlenden Kontakt zu Kolleg:innen.
Die Befragten gehen davon aus, dass nach der Pandemie deutlich weniger dienstliche Trips stattfinden als vorher. Clausen rechnet damit, dass im Vergleich zu 2019 etwa ein Drittel der Geschäftseisen dauerhaft durch Videokonferenzen ersetzt wird. Für Unternehmen ist das attraktiv, weil sie Reisekosten sparen.
Wie klimafreundlich Homeoffice ist, ist unklar
Die Klimaeffekte sind groß: Zwei Geschäftsleute, die zu zwei Gesprächspartnern von Stuttgart nach Berlin reisen, verursachen bei der Anreise mit dem Flugzeug 470 Kilogramm CO2-Emissionen, mit dem Pkw 380 Kilogramm und mit der Bahn 65 Kilogramm. Führen die vier das Gespräch dagegen in einer Videokonferenz am PC, liegt der Treibhausgasausstoß bei 1,10 Kilogramm, am Laptop bei 0,80 Kilogramm. „Schon bei einer Anreise von 5 Kilometern mit dem Auto rechnet sich eine Videokonferenz für das Klima“, sagte VCD-Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert. Um den Corona-Effekt bei Geschäftsreisen zu verstetigen, fordert der VCD unter anderem die Anpassung der Reise- und Datenschutzrichtlinien von Unternehmen. Außerdem müsse der Gesetzgeber die steuerliche Förderung von Dienstwagen abschaffen – denn damit werden viele Geschäftsreisen unternommen.
Videokonferenzen ersetzen nicht nur Dienstfahrten, sondern ermöglichen auch das Arbeiten in den eigenen vier Wänden. „Ob Homeoffice wirklich zu weniger CO2- Ausstoß führt, lässt sich noch nicht klären“, sagte Studienautor Clausen. Durch Pendeln vermiedene CO2-Emissionen könnten an anderer Stelle entstehen, etwa durch stärkeres Heizen zu Hause.
Leser*innenkommentare
Nina53
Ging es im Artikel nicht primär um Geschäftsreisen? Die fand ich schon immer skuril, da wird gejettet, was das Zeug hält, morgens in den Flieger, abends wieder heim zu wem auch immer. Flugreisen zu Konferenzen, um die Welt zu retten, besonders bizarr. Wer rechnet mal aus, wieviel wir einsparen könnten, wenn diese ganzen Dinger, Flugzeuge und Autos nicht mehr gebaut werden, weil wir sie nicht mehr brauchen. Strassen nicht gebaut und Flächenversiegelung gestoppt werden?
danny schneider
nach jetzt quasi ~9 Monaten Homeoffice kann ich für mich sagen: ich verhandel nicht, daher: Tonspur genügt vollauf. Geht also noch sparsamer
guzman
wer zu Hause heizt, muss es im Büro nicht warm haben, zumal in den Büros ja meist im Sommer auch noch heftig gekühlt wird, das wird zuhause seltener gemacht. Auf lange Sicht braucht‘s weniger Bürobauten. Der Raum zuhause, so vorhanden, wird ökonomischer, weil intensiver genutzt. Der Platz der an Verwaltungsgebäuden gespart wird, steht für zusätzliche Wohnbebauung zur Verfügung.
15833 (Profil gelöscht)
Gast
@guzman Wie immer hat die Medaille zwei Seiten,
Home Office bedeutet höhere Kosten fur den Mitarbeiter, weniger arbeitsschutz weil die wenigstens Firmen Büro Stühle etc. Zur Verfügung stellen.
Bedeutet weniger Platz zu Hause weil der Küchentisch etc besetzt wird.
Ganz zu schweigen von Teamgeist der verloren geht, soziale Kontakte und und und