Weltweiter Tag gegen Drogenmissbrauch: Sperrt das Hanf weg
Es fördert den rebellischen Impuls und verhindert hohe Steuern: Das Drogenverbot. Eine Legalisierung weicher Drogen würde Konsumenten zu spießigen Leserbriefschreibern machen.
An seinem ersten Tag sah sich der Mensch einer Welt gegenüber, die viel zu komplex für seinen kleinen Geist war. An seinem zweiten Tag hatte er die Tollkirsche entdeckt, oder vergorenes Obst oder Cannabis, oder, oder, oder.
Der Wunsch, das eigene Bewusstsein zu verändern, die Realität besser zu fassen oder ihr im Gegenteil zu entfliehen, ist so alt wie die Menschheit selber.
Der informierte Gebrauch von Rauschmitteln ist eine Kulturleistung, die quasi jede bekannte Gesellschaft erbracht hat. Die Wahl der Substanzen variiert stark, nicht zuletzt wegen geografischer Gegebenheiten, Zufällen letztendlich, die die jeweiligen Verbote bisweilen recht absurd erscheinen lassen. Schließlich genügt oft schon der Blick über eine Landesgrenze, um zu sehen, dass der Gebrauch der einen oder anderen Substanz noch keine Gesellschaft in den zivilisatorischen Abgrund gestürzt hat.
Der 26. Juni ist von den Vereinten Nationen zum Tag gegen Drogenmissbrauch und illegalen Suchtstoffhandel erklärt worden. Aus diesem Anlass veröffentlichte unter anderem das nordrhein-westfälische Landesamt für Statistik seinen Bericht über Drogentote. 2010 starben 88% aller Todesopfer (3038) an den Folgen des – Alkoholmissbrauchs. (dpa/taz)
Aber Verbote sind immer da – und das ist gut so. Im besten Falle sind die Verbote mehr soziale Normen denn geschriebenes Gesetz und dienen im Wesentlichen dazu, den Einzelnen daran zu erinnern, dass das Leben nunmal einige Anforderungen stellt, die eine gewisse Nüchternheit verlangen. Probiert werden darf alles; wird der Exzess aber Normalzustand, greift die Gemeinschaft notfalls ein, hilft bei der Landung und führt auf den rechten Pfad, den des verantwortungsvollen Konsum, zurück.
Das Verbot ist eine Droge
Nun ist das Verbot aber selber eine Droge, eine nicht-stoffliche zwar, aber immerhin. Das Verbot ist der Humus aus dem die Macht ihren Rausch nährt. Insofern ist das Verbot, das gesetzliche vor allem, irrational und sich selbst genügend. Es will nicht helfen, auch wenn es, wie man es von einem Suchtmittel erwarten darf, die Anwender dazu verleitet, das Gegenteil zu behaupten. Das Verbot ist ein Werkzeug der Kontrolle, der Maßregelung, der Selbstbestätigung, kurz: der Unterdrückung.
Das bedeutet aber auch, dass der Gebrauch der verbotenen Substanz ein Akt des Widerstandes gegen eben jene Unterdrückung ist. Oft gänzlich unbewusst, zumindest meistens ungewollt, ist jede gedrehte Tüte so etwas wie ein Molotow-Cocktail, geworfen auf die Repräsentanten des Schweinesystems, jedoch ohne die Sach- und Personenschäden.
Für nicht wenige Menschen, die sonst niemals einen ernsthaften rebellischen Impuls spüren (oder überhaupt irgendeinen Impuls, wenn es zu Cannabiskonsum kommt), ist der Erwerb und Konsum von illegalisierten Drogen der einzige Kontakt zu einer Ideenwelt, die gesellschaftliche Zustände und Regeln in ihrer Beschaffenheit als willkürlich empfindet.
Was würde also zum Beispiel eine Legalisierung der so genannten weichen Drogen bewirken? Lauter Teilzeitkriminelle, mündige Bürger mit gesundem Misstrauen gegen eine irrwitzige Gesetzgebung würden zu braven Konsumenten werden, die sich in Leserbriefen über die Preisentwicklung und Besteuerung ihres Rauschmittels beschwerten – Steuern übrigens, von denen ohnehin nur wieder die verlängerten Laufzeiten von Atomkraftwerken oder Hermesbürgschaften für gepanzerte Fahrzeuge in Bürgerkriegsregionen finanziert würden.
Nein, statt dessen soll der Berliner CDU applaudiert werden, die die bisher von strafrechtlicher Verfolgung freigestellte Eigenbedarfsmenge von 15 Gramm mindestens halbieren will. Klare Ansagen, klare Fronten. Und mal ehrlich: Wer zum Henker führt 15 Gramm Marihuana zum Verzehr mit sich herum? 2-3 Gramm sind ja wohl mehr als genug, um übers Wochenende zu kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg