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Weltweiter KohleverbrauchTrotz Klimakrise so viel Kohle wie nie zuvor

2024 wird beim Kohleverbrauch ein Rekordjahr. Ob die Wende gelingt, hängt von China ab: Das verbrennt 30 Prozent mehr Kohle als der Rest der Welt.

Das Lausitzer Kohlerevier wird wohl erst 2028 geschlossen Foto: Gaertner/photothek/imago

Berlin taz | Im Jahr 2024 wurde so viel Kohle verbrannt wie noch nie, aber ab 2027 könnte die weltweite Nachfrage nach Kohle stagnieren, meldet die Internationale Energieagentur IEA. Im laufenden Jahr haben Kohlekraftwerke und Industrie 8,77 Milliarden Tonnen Kohle gekauft, ein Prozent mehr als im vergangenen Jahr.

Allein in China wurden 4,9 Milliarden Tonnen Kohle gekauft, ebenfalls ein Anstieg von einem Prozent. China verbraucht 30 Prozent mehr Kohle als der Rest der Welt zusammen.

Den Anstieg erklärt die IEA unter anderem damit, dass in China immer mehr E-Autos verkauft werden und industrielle Hitze zunehmend mit Strom statt zum Beispiel mit Gas erzeugt wird. Dadurch wächst dort der Strombedarf sehr schnell, der aktuell oft von Kohlekraftwerken gedeckt wird.

Weil in China aber gleichzeitig mit hoher Geschwindigkeit Solar- und Windparks gebaut werden, geht die IEA davon aus, dass dort künftig immer weniger Kohle verbrannt wird. Sobald das passiert, werde auch der globale Kohlekonsum abnehmen.

In Europa verlangsamt sich der Kohleausstieg

Zweitgrößter Kohlekonsument ist Indien, das 2024 fünf Prozent mehr Kohle verbrannt hat als im Vorjahr. Zusammen mit Indonesien und Vietnam wird Indien der IEA zufolge in den kommenden Jahren viel Kohle nachfragen. Die drei Länder wachsen sehr schnell und brauchen deswegen immer mehr Strom.

Die wachsende Nachfrage in Indien, Indonesien und Vietnam gleicht damit den sinkenden Bedarf in Europa und den USA aus. Ohnehin flacht der Rückgang in Europa ab. In den vergangenen zwölf Monaten wurden zwölf Prozent weniger Kohle verbraucht als 2023, im Jahr zuvor hatte es eine Verminderung um 23 Prozent gegeben.

Trotz des abnehmenden Tempos sei der Rückgang der Kohle in Europa nicht mehr aufzuhalten, heißt es bei der IEA. Maßgeblich verantwortlich dafür sei der Kohleausstieg in Deutschland, wo 2024 Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 5,8 Gigawatt vom Netz gegangen sind. In Westdeutschland sollen die letzten Kohlekraftwerke 2030 abgeschaltet werden, in Ostdeutschland 2038.

Neue Kohlekraftwerke und Kohlegruben lassen sich zudem immer schlechter finanzieren und versichern, meldet die IEA. Viele Investoren und Versicherungen wollen keine neuen Projekte bezahlen und absichern, weil sie nicht mit der sehr klimaschädlichen Kohle in Verbindung gebracht werden wollen. Für bestehende Kraftwerke und Minen gelte diese Zurückhaltung jedoch nicht.

Kohle sorgt für hohe Klimaschäden

Braun- und Steinkohle sind besonders klimaschädlich, weil pro erzeugter Kilowattstunde Strom noch mehr CO2 ausgestoßen wird als zum Beispiel bei Erdgas und -öl. Das verursacht durch das Antreiben des Klimawandels auch Kosten, etwa für die Wirtschaft oder das Gesundheitssystem. For­sche­r*in­nen aus Hamburg und Kalifornien haben nun in einer Studie festgestellt, dass diese Kosten oft zu gering geschätzt werden. Die US-Umweltagentur zum Beispiel beziffert die gesellschaftlichen Kosten pro Tonne CO2 auf 190 Euro.

„Häufig wurde der Einfluss sowohl auf Wirtschaftswachstum als auch auf die Natur nicht ausreichend berücksichtigt“, sagt Moritz Drupp, einer der Studienautor*innen. Ihnen zufolge verursacht der Ausstoß einer Tonne CO2 mindestens 270 Euro Schaden für die Wirtschaft, die menschliche Gesundheit und die Natur. Mit einer ganz ähnlichen Zahl, 300 Euro pro Tonne, rechnet auch das Umweltbundesamt. Demnach verursacht eine Kilowattstunde Strom aus Braunkohle 31 Cent Klimaschaden, eine Kilowattstunde Solarstrom dagegen nur 2 Cent und eine Kilowattstunde Windstrom nur 0,3 Cent.

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14 Kommentare

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  • Endlich mal in einem Artikel hier (und hoffentlich auch anderswo) die klare Aussage, dass der Hauptakteur bei den CO2-Emissionen und damit beim "steuern" des Klimawandels China ist!

  • In einer Demokratie wäre die KP längst schon für die braunsuppigen Kohleabgaswolken abgewählt worden. Auch wenn sie gerade teils das Ruder herumreißt und das Thema anpackt. Mit dem Finger zeigen darf nicht alles sein.

    Unnützes China-Zeugs wird auch hier unter dem Baume liegen. Und sind wir, waren wir eigentlich so vorbildlich?

  • "...dass in China immer mehr E-Autos verkauft werden und industrielle Hitze zunehmend mit Strom statt zum Beispiel mit Gas erzeugt wird."



    Ist das nicht auch genau "Öko"politik hierzulande? E-Autos und Umstellung von Ziegeleien von Gas auf Strom [1]?



    Irgendwo muss der Strom dafür ja herkommen, auch wenn der Wind mal weniger weht und die Sonne nicht so dolle scheint, wie sich das der müde Wandersmann erträumt...



    [1] taz.de/Klimaschutz...ernehmen/!6039884/

  • Energie sparen ist der schnellste und sicherste Weg, die Klimakatastrophe zu verlangsamen. Die Wirtschaft muss im Kapitalismus wachsen. Wachstum verträgt sich nicht mit Energie sparen, Umweltschutz und endlichen Ressourcen. Wählende und Gewählte sind finanziell abhängig von der Wirtschaft. Daher werden die unerlässlichen Maßnahmen nicht getroffen.

    Digitalisierung, CCS, Wasserstoff und KI sind keine Lösungen, sondern Probleme, die uns als Lösung verkauft werden. Sie verursachen mehr Emissionen, als sie sparen. Sie sind unrentabel. Sie benötigen mehr Rohstoffe, als verfügbar sind. Sie machen lebensnotwendige Infrastruktur anfällig für Hacking. Sie sind Werkzeuge, die uns immer abhängiger von den Mächtigen machen.

    Die Industriegesellschaft stößt an planetare Grenzen. 1,5 Grad Erwärmung sind kein Dauerzustand. Es werden 3, 4 und mehr Grad kommen, schneller als erwartet.

    Mobilität wird Zu-Fuß-gehen.



    Winter wird Sommer, Sommer Wüste.



    Drei Mahlzeiten am Tag werden Luxus.



    Vielen geht es heute schon so.

  • Die vielen E-Autos in China müssen halt geladen werden, und das zuverlässig. "There´s no such thing as a free lunch", wie die Engländer sagen.

  • Den Kohleverbrauch von China könnte Europa sofort drastisch senken in dem wir einfach keine Waren mehr dort produzieren lassen und alle europäischen Firmen schließen ihre Fabriken in China.



    Wenn wir das nicht tun, ist das China-Bashing einfach nur verlogen.

    Die Europäische Union hat 2022 fast 400 Milliarden Euro mehr aus China importiert als dorthin exportiert.

    • @Semon:

      Nein, das würde so gut wie nichts ändern keine Waren mehr in China zu kaufen, denn dort wird über 90% für den eigenen Markt, der zudem laufend wächst, produziert.

    • @Semon:

      Ich denke, China ist auf dem richtigen Weg.



      Indien sollte uns mehr Sorgen machen. Das Land ist groß und hat noch viel nachzuholen. Das kann noch übel werden.

  • Und jetzt die Folgerung:

    Was nützt uns und anderen der Versuch, in Deutschland klimaneutral zu werden - wenn selbst die dreckige Kohle in der Welt noch an Fahrt aufnimmt?

    Und dabei ist ein Kohleausstieg auch ganz unabhängig vom Klimaschutz sinnvoll:



    Denn Kohleverbrennung verursacht ja auch lokal Umwelt- und Gesundheitsschäden und belastet Landwirtschaft und Gebäude.

    Nur die 1,6 % der CO2-Emissionen, die aus Deutschland kommen, auf Null drücken zu wollen (was ohnehin wohl nicht geschehen wird), obwohl der Rest der Welt das durch mehr Verbrennung mindestens wieder wettmacht, lohnt die aktuelle Wirtschaftskrise sicher nicht.

    • @Frauke Z:

      Ich bin froh über jedes CO2-Molekül weniger in der Luft, wo es schadet, über jedes sonstige Fossil-Abgas weniger in der Luft. Sie nicht?



      Wenn wir selbst es nicht machen, können wir andere nicht überzeugen. Ist ja selbst bei den Kindern so.



      Günstige Erneuerbare und mehr Unabhängigkeit von Scheichs und Zar sind doch klasse, da müssen wir noch schneller hin.



      Besser als teuer verdeckte Folgekosten und nicht Angepacktes wie die 16 Jahre zuvor.

    • @Frauke Z:

      Es gibt einen klaren Geldwert für uns: Wenn wir uns unabhängig von importierter Kohle, Öl und Gas machen können, fließt weniger Geld ins Ausland ab. Und das ist alles Konsum: Ein mal verbrannt, ist es weg.



      Hinzu kommt der Sicherheitsaspekt. Abhängigkeit von Importen macht uns erpressbar. Das wenigste davon ist sichtbar. Wir bemerken zwar, wenn ein Russe am Gashahn dreht. Aber was ein US-Ölkonzern in der Lobby veranstaltet, bekommen wir nicht mit.

      • @Jörg Schubert:

        Wir brauchen dann aber statt der fossilen Rohstoffe die ebensowenig im eigenen Land vorhandenen Rohstoffe (oder auch Fertigprodukte) für die EE. Auch bei diesen sind wir zu nahezu 100% vom Ausland abhängig.

      • @Jörg Schubert:

        Ja, das sind sinnvolle Argumente.



        Doch keins davon verlangt eine Reduktion der Emissionen (oder des Verbrauchs) auf 0.

        Im Moment sind wir übrigens mehrseitig abhängig:



        Nicht zuletzt vom Atomstrom aus Frankreich und Schweden.

        • @Frauke Z:

          Aktueller SZ-Artikel, wie Schweden dazwischen unseren Erneuerbaren-Strom gerne günstig einkauft.



          Auf quasi 0 übrigens wäre schon eine zielführende, weil wie gesagt man von anderen nicht verlangt, was man selbst nie einhielt und einhält. Alles andere wäre Neokolonialismus, der auch nicht funktioniert.