Weltweite Rüstungsausgaben 2021: Goldene Jahre für Waffenproduzenten

Die 100 größten Rüstungskonzerne haben 2021 laut Sipri-Bericht erneut steigende Umsätze verzeichnet. Die Branche kann sich auf fette Jahre freuen.

Eine Frontalaufnahme des Kampfpanzers Leopard 2

Defensiv fahren, aber trotzdem Stimmungskanone: slowakischer Soldat bei der Ausbildung am Leopard II Foto: Philipp Schulze/dpa

STOCKHOLM taz | Der Markt für Waffen und militärische Dienstleistungen boomt weiter. Dieses Fazit zieht nun bereits im siebten Jahr in Folge das Stockholmer internationale Friedensforschungsinstitut Sipri in seinem neuen Bericht über die Umsatzentwicklung der weltweit 100 größten Rüstungskonzerne. Wobei sich diese Bilanz noch gar nicht auf das nun zu Ende gehende Jahr 2022 bezieht, das vor allem wegen des Krieges in der Ukraine den Unternehmen einen zusätzlichen Auftragsboom beschert hat. Der Bericht umfasst das „Vorkriegsjahr“ 2021.

Auf dessen Top-100-Liste ist dabei Europa mit 27 Branchenriesen vertreten. Für sie lief es besonders gut, mit einem Umsatz von 123 Milliarden US-Dollar, was einem Plus von 4,2 Prozent entspricht. Global wuchs das Rüstungsgeschäft 2021 um 1,9 Prozent, seit 2015 beträgt dieses Plus 19 Prozent. Im regionalen Vergleich hatten 2021 nur die chinesischen Rüstungsschmieden mit 6,3 Prozent eine höhere Wachstumsrate. Alle Sipri-­Zahlen sind inflationsbereinigt und sie berücksichtigen jeweils nur Umsätze militärischer Güter und Dienstleistungen.

Deutsche Rüstungskonzerne

In Deutschland verbuchte den größten Umsatzsprung mit 1,61 Milliarden Dollar Umsatz und einem Plus von 19 Prozent der Elektronikspezialist Hensholdt. Er kletterte damit auf der globalen Top 100 gleich um zehn Plätze auf Rang 69. Bei ThyssenKrupp – Rang 55 – liefen die Geschäfte nicht so gut, machten in diesem Sektor aber ein Plus von 11 Prozent auf 2,4 Milliarden Dollar. Grund, so Sipri, sei vor allem die Lieferung einer Fregatte an die deutsche Marine und vier Korvetten an die israelische.

Diehl kam mit einem Umsatzplus von 870 Millionen Dollar „aufgrund der Nachfrage nach seiner Militärausrüstung seitens der EU- und Nato-Staaten sowie Australiens, Japans, Neuseelands und der Schweiz“ neu auf Platz 99 der Top-100-Liste. Auf der stehen allerdings wie in den Vorjahren nur vier deutsche Konzerne. Der fünfte, Krauss-Maffei Wegmann, firmiert wegen seines Zusammenschlusses mit der französischen Nexter zur KNDS-Holding nun nicht mehr unter „Germany“, sondern ebenso wie Airbus und MBDA als „transeuropäisch“.

US-Rüstungskonzerne

NDS konnte mit einem Plus von 9,6 Prozent auf 3 Milliarden Dollar kräftig zulegen und platziert sich damit auf Platz 44 der Top 100, dessen Rang 31 der größte deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall einnimmt. Als einziger deutscher Branchenriese machte er ein Umsatzminus von 1,7 Prozent, auf 4,5 Milliarden Dollar. Dafür macht Sipri vor allem die Auswirkungen der Pandemie und Probleme mit den Lieferketten verantwortlich. Dies gilt laut dem Sipri-Forscher Lorenzo Scarazzato für weite Teile der Waffenbranche.

Lieferkettenprobleme, in deren Folge Aufträge entweder verloren gingen oder ihre Erfüllung verschoben werden musste, belasteten auch die US-amerikanischen Rüstungskonzerne. Diese dominieren mit einem Umsatz von 300 Milliarden wie gehabt den globalen Waffenhandel und belegen erneut wie seit 2018 die fünf Spitzenplätze der Top-100-Liste. 25 der gelisteten 40 US-Unternehmen meldeten aber ein Umsatzminus. Insgesamt belief sich das auf 0,9 Prozent. Bei den umsatzstärksten Konzernen konnte nur Raytheon Technologies ein Plus verbuchen: 9,1 Prozent.

Ähnlich der Entwicklung hin zu transeuropäischen Unternehmen habe sich im vergangenen Jahr auch in der US-Waffenbranche der Konzentrationsprozess fortgesetzt, analysiert Sipri. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden habe angedeutet, dass man eine „übermäßige Konsolidierung“ der Rüstungsindustrie als Bedrohung für die nationale Sicherheit sehen könne. Die USA würden damit nämlich von einer kleinen Gruppe von Lieferanten abhängig werden, was sich in steigenden Beschaffungskosten und vermindertem Innovationsanreiz niederschlagen könne.

Russische Rüstungsindustrie

Die Daten für die russische Rüstungsindustrie sind unsicher. Die Zahl russischer Unternehmen auf der Liste schrumpfte auf sechs, drei Unternehmen nahm Sipri wegen mangelhafter Zahlengrundlage heraus. Insgesamt hatten sie ein deutliches Plus in der Marine- und Raketenproduktion und ein deutliches Minus in der Luftfahrt. Das sei vermutlich „eine Auswirkung der von der russischen Regierung 2016 gegebenen Anweisung an den militärisch-industriellen Komplex, die zivile Produktion zu erhöhen“, meint Sipri und erwartet, dass „Russlands Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 diesen Trend wahrscheinlich umkehren wird“. Wobei die gegen Russland verhängten Sanktionen sich auch auf seine Rüstungsunternehmen auswirken würden: „Alle sind mit eingeschränktem Zugang zu Halbleitern konfrontiert.“

Für 2022 rechnet Sipri mit einem deutlichen Anstieg der weltweiten Umsätze im Rüstungssektor. Die russische Invasion habe „zu einem Anstieg der Waffennachfrage in Europa und den Vereinigten Staaten geführt“, so der Bericht. Die Ukraine bekomme viel militärische Ausrüstung, „mit Fortgang des Krieges schrumpfen die Lagerbestände“.

Die Steigerung der Rüstungsproduktion brauche Zeit, weshalb „es mehrere Jahre dauern könnte, bis Rüstungsunternehmen in der Lage sind, sich an die neue Nachfrage anzupassen“, schreibt Sipri und nennt Beispiele: „Bis Oktober 2022 hatten die USA 8.500 Panzerabwehrraketen vom Typ Javelin an die Ukraine geliefert, was einer Produktion von vier Jahren entspricht.

Die Javelin-Joint-Venture-Partnerschaft zwischen Lockheed Martin und Raytheon Technologies plant, ihre derzeitige Produktion von 2.100 Raketen pro Jahr auf fast 4.000 zu steigern. Aber die Verdopplung des Produktionstempos könnte zwei Jahre dauern.“ Bei den Artilleriegeschossen für die 155-Millimeter-Haubitzen werde es bei der aktuellen Produktionsgeschwindigkeit fünf bis sechs Jahre dauern, um die US-Lagerbestände wieder auf das frühere Niveau aufzufüllen.

Die Branche kann sich also auf fette Jahre freuen. Rheinmetall beispielweise erwartet laut Sipri ein sprunghaftes Umsatzwachstum seiner Defence-Sparte von 100 bis 150 Prozent in diesem Jahr und in Jahr 2023 weitere 30 bis 40 Prozent.

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