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Weltschachbund FideSchurke, Dame, König

Putins Vertrauter Illjumschinow bleibt Präsident des Weltschachbundes Fide und setzt sich klar gegen Kasparow durch. Korruption ist wahrscheinlich.

Wladimir Putin und Kirsan Illjumschinow bei einem Schachturnier für Studenten in Sotschi im Juni. Bild: Imago Sport

Garri Kasparow, einer der bekanntesten Kremlgegner, hat am Montag eine Niederlage eingefahren. Bei der Wahl zum Präsidenten des Weltschachbundes Fide im norwegischen Tromsø, wo derzeit die Schacholympiade stattfindet, gewann zum wiederholten Male Kirsan Illjumschinow.

Illjumschinow stammt aus der russischen Republik Kalmückien und unterhält beste Beziehungen zu Wladimir Putin. Er ist nun für weitere vier Jahre im Amt bestätigt, das er seit 1995 bekleidet.

Sein Widersacher, Schachlegende und Oppositionsaktivist Garri Kasparow, der für Kroatien antrat, bekam lediglich 60 Stimmen von den insgesamt 174 Delegierten. Der 1924 gegründete Weltschachverband hat in seiner 90-jährigen Geschichte nur sechs Personen an seiner Spitze erlebt. Der Wahlkampf zwischen Kasparow und Illjumschinow war von Intrigen gekennzeichnet.

Der 52-jährige Illjumschinow, der in seiner Jugend Schachmeister in seiner Heimatregion Kalmückien war, hat große Zukunftspläne für den Verband. Der Milliardär mit Wohnsitz in der Schweiz versprach den Delegierten des Weltschachbundes aus insgesamt 181 Ländern, 20 Millionen US-Dollar in den Schachsport zu investieren. Im Juni 2014 hatte er angekündigt, die Schachweltmeisterschaft im russischen Kurort Sotschi austragen zu wollen. Anfang des Jahres waren dort bereits die Olympischen Winterspiele ausgetragen worden.

„Das ist ein politischer Kampf!“

Kasparow, der aus der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku stammt und als größter Schachmeister aller Zeiten gilt, hatte 2014 die kroatische Staatsbürgerschaft angenommen, weil er in Russland politische Verfolgung befürchtete. Seit zehn Jahren setzt sich Kasparow aktiv gegen die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin ein.

Im Falle seiner Wahl wollte er sich für einen Austragungsort außerhalb Russlands einsetzen: „Die Spiele werden nicht in einem Land stattfinden, das sich unter dem Einfluss von Sanktionen befindet, in dem das Preisgeld lausig und die Publicity schlecht ist“, sagte er gegenüber der norwegischen Zeitung Dagbladet. Gegenwärtig beträgt das Preisgeld 1,5 Millionen US-Dollar.

Kasparow hatte Illjumschinow im Vorfeld der Wahl vorgeworfen, sich die Stimmen der Delegierten erschlichen und einige Abgeordnete im Vorfeld durch Befürworter Illjumschinows ersetzt zu haben. Mehrere Delegierte berichteten entsprechend von Anrufen der russischen Botschaft, in denen ihnen mitgeteilt wurde, die russische Regierung zöge einen Sieg Illjumschinows vor. „Wir wissen, dass es hier nicht um Schach geht. Das ist ein politischer Kampf!“, sagte Kasparow.

Russische und andere Großsponsoren

Die gegnerische Seite hingegen warf der Schachlegende dreckige Tricks vor. Laut Illjumschinow soll Kasparow dem Fide-Delegierten Ignatius Leong aus Singapur 500.000 Millionen US-Dollar Spenden für Leongs Schachakademie für Kinder versprochen haben. Dieser sollte Kasparow im Gegenzug 15 Stimmen aus der Region beschaffen. Die Unterstützer Kasparows sagen ihm nach, ein großes Geschick dafür zu haben, westliche Sponsoren anzuziehen.

Nach seiner Wahl hätte Kasparow russische Großsponsoren wie Gazprom sicherlich nicht für sich gewinnen können. Der britische Fide-Delegierte und Schachprofi Nigel Short hätte das in Kauf genommen: „Wir würden Russland verlieren, aber den Rest der Welt gewinnen. Ich denke, das ist ein vernünftiger Deal!“, hatte er vor der Wahl gegenüber Radio Free Europe gesagt.

Große Unterstützung erhielt Kasparow von den Schachspielern des Verbandes. Magnus Carlson, 23-jähriger Weltmeister aus Norwegen, hatte Kasparow öffentlich seine Unterstützung zugesagt. Anders als Fide-Delegierte sind Schachmeister von den Wahlen allerdings ausgeschlossen.

Die Aliens und das Schachspiel

Der neue und alte Verbandspräsident Illjumschinow war von 1993 bis 2005 Regierungschef der Republik Kalmückien in Südrussland. Während seiner Amtszeit errichtete er in der Hauptstadt Elista den Baukomplex City-Chess, in der Schachweltmeisterschaften und Turniere durchgeführt werden.

Illjumschinow unterhielt Beziehungen zu dem irakischen Diktator Saddam Hussein und dem libyschen Ex-Präsidenten Muammar Gaddafi. Wenige Monate vor Gaddafis Tod 2011 hatte Illjumschinow mit ihm in der libyschen Hauptstadt Tripolis noch eine Partie Schach gespielt.

Im Jahr 1997 erlangte Illjumschinow russlandweite Bekanntheit durch seine Berichte, kurzzeitig von Außerirdischen entführt worden zu sein. Bei öffentlichen Auftritten zeigte er sich überzeugt, Aliens hätten das Schachspiel auf die Erde gebracht. Illjumschinow erntete dafür viel Gelächter und Kritik, andere hielten diese Aktion für einen ausgeklügelten PR-Schritt, um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern.

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