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Weltnichtrauchertag in ChinaQualmend ignoriert

Die Volksrepublik China ist weltweit die Nation mit den meisten Rauchern – und will das offensichtlich auch bleiben. Dafür sorgt schon der Staat.

Raucher in Shenyang. Landesweit qualmen 360 Millionen Chinesen. Bild: reuters

PEKING taz | Wer in China schon mal auf ein Bankett eingeladen wurde, weiß: Ein Nein wird nicht akzeptiert. Kaum ist der erste Gang serviert, bietet der Gastgeber allen männlichen Anwesenden am Tisch eine Zigarette an.

Und damit nicht genug: Es gehört dazu, tunlichst darauf zu achten von welcher Marke sie ist. Denn die Marke sagt viel aus über den Stellenwert, den der Gastgeber dem Bankett beimisst, in welcher Beziehung der Gast zu ihm steht und wie sehr er der Heimat verbunden ist. Rauchen ist in China Ausdruck für Status und ein Freundschaftsbeweis.

Es gibt kein Land auf der Welt, in dem Rauchen gesellschaftlich so anerkannt ist wie China. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder. 360 Millionen der insgesamt 1,3 Milliarden Chinesen rauchen. Und es sind überwiegend Männer. Während unter Frauen gerade einmal drei Prozent regelmäßig zum Glimmstengel greifen, liegt die Rate unter Männern bei 57 Prozent.

Kein Wunder, dass die Tabakindustrie von China eine der größten der Welt ist. 40 Prozent der weltweit produzierten Zigaretten kommtenaus dem Reich der Mitte. Die Gewinne liegen bei rund 14 Milliarden Euro im Jahr.

Ein Nichtraucherschutz ist so gut wie nicht vorhanden. Zwar gilt seit Anfang 2011 ein landesweites Rauchverbot in den meisten öffentlichen Räumen. Doch nur selten wird es wirklich durchgesetzt. "Das Gesundheitsbewusstsein ist nur sehr gering ausgeprägt", bemängelt Song Jicheng, Arzt des renommierten Xuehe-Krankenhauses in Peking.

Gesundheitsbehörden sind alarmiert

Das hat auch einen Grund. Chinas gesamte Tabakindustrie befindet sich in der Hand der China National Tobacco Corporation (CNTC). Und die gehört dem Staat. Dieser Staatskonzern verhindert, dass das Verbot wirksam durchgesetzt wird.

Dabei sind die Gesundheitsbehörden durchaus alarmiert. Sie haben bereits vor Jahren errechnet, dass sich die Zahl der Toten durch Rauchen bis 2025 auf etwa 3,5 Millionen im Jahr erhöhen wird, sollte die Nikotinsucht nicht energisch bekämpft werden.

Doch die Warnung der Gesundheitsbehörden verpufft. Obwohl China die Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2006 ratifiziert hatte, hat sich beim Nichtraucherschutz nur wenig getan.

Es gibt aber Hoffnung: Mit der Amtsübernahme Xi Jinping als Chinas neuem Staatschef gibt es nun eine prominente Anti-Raucher-Aktivistin: First Lady Peng Liyuan ist WHO-Botschafterin und trat im vergangenen Jahr gemeinsam mit Microsoft-Gründer Bill Gates für eine Nichtraucherkampagne auf.

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7 Kommentare

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  • L
    Lasti

    Na - darauf rauch ich erstmal eine. ;-)

  • YS
    yellow Smoker

    In Deutschland gibt es 26 Mill. Raucher. Ich frage mich, warum China hier einen Spitzenplatz einnehen soll.

     

    @ manni.baum

     

    Deutschland betreibt auch eine 1-Kind-Politik, ist nur auf den ersten Blick nicht zu erkennen.

  • AU
    Andreas Urstadt und Julien Lewis

    Zur Bedeutung des Artikels in praxis wird auf das Forum China verwiesen unter dem Stichwort Rauchen. Die Raucherrate geht ergo schnell in den Sinkflug.

     

    Wenn ueber eine Milliarde Chinesen nicht rauchen und 360 akribisch gezaehlte Millionen es tun ist die Rate prozentual im Vergleich nicht hoch.

     

    Was alle weglassen ist, warum eigentlich rauchen und warum so rauchen. Wichtiger als Rauchen ist die Rolle des Atmens in China, diese Rolle ist nicht nur physisch, sie ist in China soziokulturell. Felix Lee muesste das wissen. Konfuzianisch ist die Raucherei ueberhaupt nicht. Die Raucherei wurde aber und das ist wieder sehr chinesisch, in einen Ritus verpackt und dadurch naturalisiert und so legitimiert. Dazu ueber die Kopplung des Atmens gehoert Rauchen zum Energieausgleich, gute Energie wird dabei aufgenommen. Teure Zigaretten zeigen den Wert, dem dem Prinzip zugestanden wird. Eigentlich ist es eun gutes Beispiel fuer eine invented tradition und deren Legitimierung. Der Einbau der Riten verhindert im Prinzip das Kettenrauchen. Reguliert es. Rauch oder Wolken kommen als besondere Funktionen hinzu. Beides gehoert Regulationsprinzipien an, die in China sehr wichtig sind. Ein Grund wie Rauchen legitimiert werden kann, bzw ein weiterer Grund. Auch Nebel hat neben physischer Realitaet besondere kulturelle Bedeutung. Der Rauch ist zudem ein Zwischen, das Wort fuer Mensch im Chinesischen bedeutet auch Zwischen. Felix Lee haette sich wirklich mehr bemuehen koennen, mich kostet der Kommentar keine zehn Minuten inkl des Recherchieren des Artikels im China Forum, der nur die Praxis aufzeigt.

     

    Das Rauchen in China ist ergo etwas tricky.

  • MC
    Mari Carmen

    Die chinesische Führung denkt halt praktisch.

    Wenn von 1,3 Mrd. Menschen ein Großteil alt und unproduktiv ist, dann wird dem entgegengesteuert. Wenn ein Mensch sein Leben lang raucht, dann fangen die Probleme (laut heiliger Statistik mal wieder!) genau dann an, wenn seine Leistungsfähigkeit stark abnimmt - zumindest was die Anforderungen der kapitalistischen Industrie betrifft. Es ist dann aus Sicht des Ausbeutungsstaates von Vorteil, dass der Lohnsklave sich weitestgehend zerstört hat, wenn die Zeit beginnt, in der er nicht mehr zur Gewinnmaximierung zu gebrauchen ist.

    In China könnte Rauchen sowas wie eine frühe Vorform der Krematorien sein, die Huxley in "Schöne neue Welt" beschreibt

    Auch in Deutschland ist es so, dass Raucher durch ihren statistisch früheren Tod die Krankenkassen entlasten anstatt sie zu belasten.

    Mich müsste es eigentlich wundern, dass hier die Nichtraucherschutzgesetze in so kurzer Zeit und ohne Probleme durchmarschiert sind, aber dann ist mir aufgefallen (ich brauche eben ein bischen länger), dass wir ja laut Aussagen der Industrie und der von ihr eingesetzten Regierung einen Fachkräftemangel haben, also das genaue Gegenteil der Situation in China.

  • A
    Arne

    China wird in einigen Jahrzehnten einen Bevölkerungsrückgang erleben, der den in den westlichen Ländern heute bei weitem übersteigt. Grund ist die ja nicht ökologisch eigentlich begrüßenswerte 1-Kind-Politik, die auch wesentlich zu dem Wachstum des Wohlstandes beigetragen, den China heute erlebt.

    Obwohl man in China nicht so dumm ist wie man es hier unter der Adenauerzeit war und kein genarionenfinanziertes Rentensystem aufgebaut hat, könnte der Bevölkerungsrückgang auch dort Probleme machen, wenn aufgrund weniger Nachfrage bei geringerer Bevölkerung die Projekte, in die die chinesische Rentenversicherung investiert, dann weniger Gewinne abwerfen.

    Nach den bislang mir bekannten Untersuchungen ist Rauchen kein Faktor, der das Leben verlängert, sondern eher einer, der das Leben verkürzen kann. Leider gibt es zu wenige Untersuchungen, inwieweit man sich in einem Gemeinwesen, dass das Rauchen toleriert, das Renteneintrittsalter sinken könnte bei gleichzeitiger Erhöhung der Renten. Die heutige radikale protestantische Lebensauffassung, die durch grüne und andere Gesundheitspolitiker, die keinerlei andere Lebensperspektive dem Menschen noch anbieten wollen als eben ein gesundes Leben mit Schuften bis zum Umfallen ohne große Freuden, es sei denn es sei Sport zur körperlichen Ertüchtigung, ist eine extrem eingeschränkte, die den Menschen kaum noch Wahl lässt und in eine katasrophale Altersarmut führen wird. Erst Armut im Geiste, später Armut im Materiellen (letztere kann auch schon das ganze Leben durch gelten): Das sind die Ziele der hiesigen Gesundheitspolitik.

     

    Glücklicherweise hatte die TAZ mit jemanden wie Christian Y. Schmidt lange Zeit einen Berichterstatter aus China, der unvoreingenommen aus diesem Staat berichtete. Rentner sollten sich überlegen, wenn sie Raucher sind, evtl. dort ihre angesparten Notgroschen auszugeben anstatt hier.

  • B
    Boiteltoifel

    "Weltnichtrauchertag in China" Dieser Artikel griff mit so sehr ans Herz oder Was interessiert es mich wann und wieviel in China geraucht wird?

  • M
    manni.baum

    passt doch : Ein-Kind-Politik und Qualmerei wirken gemeinsam gegen Überbevölkerung.