Weltklimakonferenz ohne Diplomatie: Jetzt aber mal ehrlich!
Bei internationalen Klimaverhandlungen geht es knallhart zu. Es hört sich nur nicht so an. Unser Autor hat mal übersetzt, was wirklich gemeint ist.
A m besten passte eigentlich „It’s the End of the World as We know it“. Wenn ich auf dem Weg zur COP in Baku manchmal zum Abschalten die Kopfhörer in die Ohren stöpselte und meinen Kopf von meiner Playlist einmal durchwirbeln ließ, war ich oft erstaunt – wie viele der Lieder mir wie dieser alte REM-Song auf dem Weg zur Klimakonferenz etwas über die zähen Verhandlungen und die trüben Aussichten für die Zukunft sagen wollten: „Slipping through my Fingers“, „Wait and See“, „Knocking on Heaven’s Door“, „Running on Empty“, „Parce qu’on sait jamais“ oder – es ging ja um das neue Finanzziel – „Money For Nothing“.
Als ich am letzten Tag das Gelände betrat, machte sich alles bereit für den abschließenden Showdown im Plenum der Konferenz. Und Billy Joel sang mir ins Ohr: „Honesty“. Na, dachte ich, das würde ich ja wirklich gern miterleben: Ein COP-Plenum voller Aufrichtigkeit: Wenn die VerhandlerInnen auf der COP mal gnadenlos ehrlich wären – die höfliche Klimadiplomatie mal für eine Stunde in die Ecke stellen und sagen würden, was sie meinen und denken. Das klänge dann vielleicht so:
Marshallinseln: „Herr Präsident, wir sind entsetzt über Ihre Arbeit. Dieses Dokument haben wir noch nie gesehen, wie sollen wir da zustimmen?“
COP-Präsident: „Marshallinseln, wer seid ihr denn? Noch ein paar Jahre und ihr verschwindet sowieso.“
China (leise): „Hihihi“.
Saudi-Arabien: „Der Vorschlag, dass wir auch für Klimaschutz zahlen sollen, ist eine Unverschämtheit. Wir brauchen jeden Dollar aus den Öleinnahmen für Cristiano Ronaldos Gehalt in unserer Fußballliga.“
Norwegen: „Dann kauft halt mal ein paar Luxus-SUVs weniger!“
Saudi-Arabien: „Von Leuten, die Wale fressen, lassen wir uns gar nichts sagen. Ihr seid ja sowieso schön blöd, eure Milliarden aus Öl und Gas an die Bevölkerung zu verteilen. Wie demokratisch!“ (Lachen im Saal, vor allem bei Russland, Kuba und Nordkorea).
EU: „Und keiner von euch Dödeln denkt wieder daran, seine Emissionen zu senken! Das müssen alles wir machen, das ist sooo ungerecht“ (schnieft).
China (leise): „Hihihi.“
Präsidentschaft: „EU, ihr wisst ja nicht mal, wer ihr seid und was ihr wollt. Von uns mehr Gas kaufen und dann den fossilen Ausstieg fordern? Geht’s noch?“
EU: „Aber Russland …“
Uganda: „Wir unterstützen Russland, Saudi-Arabien und den Vatikan jedenfalls darin, dass hier nirgendwo Gendersprache auftaucht. Und Frauen können eigentlich gut den Tee kochen. Jedenfalls nicht wie diese Deutsche hier nach Menschenrechten rumkrakeelen.“
Simon Stiell, UN-Klimasekretariat: „Leute, jetzt bleibt mal ganz cool hier. Wir wollten eigentlich die Welt retten auf dieser Konferenz in Baku.“ (Heiterkeit bei allen Fraktionen).
USA (kann vor lachen, kaum sprechen): „Simon, du bist unbezahlbar! Die Welt retten! Was hast du denn geraucht? Wir lassen das alles den Markt regeln.“
Bolivien: „Der Kapitalismus bringt uns alle um!“
USA: „Du warte mal, was der Kapitalismus und unser neuer Präsident aus deinem Shithole-Country machen.“ (Geschrei, Tumult, die UN-Security muss einschreiten, die Sitzung wird unterbrochen).
Ja, so wäre das: COP unfiltered und voller „Honesty“. Wir Beobachter hätten unseren Spaß. Ob wir jemals irgendein Abkommen bekämen, ist die nächste Frage. Die Wissenschaft sagt uns: Im Alltag lügen Menschen durchschnittlich ein- bis zweimal am Tag. Wer an Klimaverhandlungen teilnimmt, sollte sich mehr anstrengen. Oder Fleetwood Mac zuhören: „Tell me lies, tell me sweet little lies“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour