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Weltkindertag in CoronazeitenChildren first!

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Den Erwachsenen könnte man durchaus noch mehr Regeln zumuten. Die Kleinsten aber dürfen nicht am stärksten unter der Pandemie leiden.

Gemeinsam im Freien spielen sollte für Kinder jederzeit möglich sein Foto: Westend61/imago

A ufgeschoben ist nicht aufgehoben: Die sogenannte Ein-Freund-Regel, wonach selbst kleine Kinder künftig nur noch eine einzige feste Person außerhalb der Familie treffen dürften, wurde zwar von den Ministerpräsidenten zum Glück erst mal verworfen. Eine solch radikale Kontaktbeschränkung könnte aber durchaus noch kommen – wenn die Corona-Infektionszahlen bis nächste Woche zu hoch bleiben und wenn Angela Merkel an ihrem Vorschlag festhält.

So gut und beruhigend es auch ist, dass die Kanzlerin mit wissenschaftlichem Verständnis auf die Zahlen blickt und daraus nüchtern Schlüsse zieht, was nun helfen könnte, um die Pandemie einzudämmen: Es geht bei aller Vernunft nicht nur um Mathematik und die Wahrscheinlichkeitsrechnung, welche Maßnahme die Coronazahlen wohl am schnellsten drücken könnte. Es muss auch um die Menschen gehen, die davon betroffen sind. Und darum, welche mehr oder weniger belastbar sind.

Klar: Wenn nichts mehr geht, geht für alle nichts mehr. Aber es sollten nicht ausgerechnet die Kleinsten am schwersten unter einer Krise leiden, die sie nicht wirklich verstehen und vielleicht nie ganz bewältigen, wenn wir nicht aufpassen. Gerade weil die Coronamaßnahmen wohl noch lange nötig sind, muss darauf geachtet werden, dass sie bei den Heranwachsenden nicht zu viele Schäden hinterlassen. Kurz gesagt, bei allen vertretbaren Lockerungen sollte gelten: Children first!

Das gilt auch für die Bildung. Guten Schü­le­r*in­nen mag das Homeschooling leichtfallen. Wer aber ohnehin kaum mitkommt, droht schon bei einer halbierten Schulzeit ganz abgehängt zu werden. Darauf muss und kann man so lange wie irgend möglich Rücksicht nehmen. Zumal das Ansteckungsrisiko bei kleineren Kindern offenbar geringer ist als bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen.

Diesen können hingegen noch größere Einschränkungen auferlegt werden, falls notwendig. Da gibt es durchaus Spielraum, solange Frisöre und die vor allem von Risikogruppen aufgesuchten Kirchen sogar indoor offen sind. Von kleinen Kindern aber zu verlangen, dass sie sich für die nächsten Monate für einen einzigen Freund entscheiden müssen, ist eindeutig zu hart. Was, wenn die Wunschperson leider Nein sagt und lieber mit anderen spielt? Wenn sich ein Kind nicht zwischen den zwei besten Freundinnen entscheiden kann? Es gibt doch durchaus Kompromisse: Falls es in den Wohnungen zu eng und riskant wird, könnten Kinder ja im Freien zusammen spielen, wo es allen Virolog*innen zufolge weit weniger gefährlich ist.

Mag sein, dass die Ein-Freund-Regel jetzt vom Tisch ist. Hoffentlich. Aber dass sie überhaupt vom Kanzleramt vorgelegt wurde, zeigt, dass dort vor lauter Mathe zu wenig an die Kinder gedacht wird.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens