Weizenlieferungen in den Libanon: Da ist viel Brot im Umlauf
In Beirut liegt wieder Brot in den Regalen, auch an Mehl mangelt es nicht. Dubios bleiben die Routen diverser Schiffe.
Mittlerweile hat sich die Lage entspannt. Boubess sagt, er habe noch 6.500 Tonnen Weizen in dem Silo seines Unternehmens in Beirut. Das reiche für rund einen Monat. Er habe die letzte Ladung vor circa einem Monat bekommen. Sie käme aus dem Hafen von Reni. Das liegt an der Donau, zwischen Rumänien und der Ukraine.
Trotz des Krieges lag die Containerschifffahrt zwischen den Ländern nicht brach. Seit Kriegsbeginn sind mindestens zehn Containerschiffe zwischen Reni und Tripoli gefahren. Die „A.M.K. Marin“ beispielsweise legte am 22. April in Reni ab und kam bereits am 5. Mai im libanesischen Tripoli an, bevor sie unter anderem wieder Istanbul und Reni ansteuerte. Das geht aus Daten hervor, die das Unternehmen FleetMon gesammelt und an die taz geschickt hat. Bei den Schiffen handelt es sich um Cargoschiffe, die potenziell auch Getreide transportiert haben könnten. Die Fracht kann FleetMon nicht einsehen.
Boubess sagt, die Wartezeit für Weizen aus Reni sei zwar lang, doch Alternativen wie rumänischer Weizen seien sehr teuer. Der Weizen, den er importiert habe, sei von der Zentralbank mit Genehmigung des Wirtschaftsministeriums subventioniert worden. Lange war unklar, ob der Staat den Weizen weiter subventioniert. Der Libanon befindet sich in einer starken Finanz- und Wirtschaftskrise, der Staat ist pleite.
Brot ist doppelt so teuer
Im März lag der Preis für eine Packung libanesischen Fladenbrots noch bei 14.000 Lira, nun sind es 30.000 Lira – ein Anstieg um das Doppelte. Das lag nicht nur an dem Krieg in der Ukraine. Weil nicht klar war, wie lange die Zentralbank die Subventionen aufrechterhalten kann, hatte der Handel die Ware zurückgehalten. „Es gibt keinen Brotmangel“, sagte der Interimswirtschaftsminister Amin Salam bereits im Juni. Handel und Kunden hamsterten Brot und verkauften es auf dem Parallelmarkt für einen höheren Preis weiter.
Der Verbund der Bäckereien beklagte dagegen, das Wirtschaftsministerium sorge nicht für die versprochenen Subventionen. Dann versprach die Weltbank dem Libanon einen Kredit von 150 Millionen US-Dollar für Weizenimporte. Mit der Sicherheit, dass die Subventionen aufrechterhalten werden, hat sich die Anspannung auf dem Markt gelöst. „Wir warten auf die Subventionen über den Weltbankkredit, und das Wirtschaftsministerium versucht, vorher Subventionen durchzubringen“, sagt Mühlenbesitzer Boubess.
Zusätzlich erzielten die Ukraine und Russland Ende Juli ein Abkommen unter der Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei über Getreidelieferungen aus der Ukraine. Seit Anfang August haben im Rahmen des Abkommens 25 Schiffe mit fast 650.000 Tonnen Getreide und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen die ukrainischen Häfen Odessa, Piwdennji und Tschornomorsk verlassen. Ein großer Teil der Fracht ging in die Türkei, in EU-Länder und andere verhältnismäßig reiche Staaten.
Am Freitag sagte Infrastrukturminister Olexander Kubrakow, in den ukrainischen Häfen würden zehn weitere Frachtschiffe mit Getreide für den Export beladen.
Das Frachtschiff "Razoni"
Das erste Schiff, das den Hafen in Odessa unter dem Abkommen verlassen hat, bekam viel Aufmerksamkeit in den Medien. Die „Razoni“ war am ersten August Richtung Libanon aufgebrochen. Sie hatte rund 26.000 Tonnen Mais geladen – als Futter für Hühner. Doch kaum angekommen im Libanon, hieß es auf einmal, der libanesische Käufer verweigere die Annahme, weil die Fracht fünf Monate zu spät kam. Aus Reedereikreisen und Satellitendaten geht hervor, dass der Frachter nun in Syrien angekommen ist. Er hat in der Hafenstadt Tartus angelegt.
Es ist nicht das erste Schiff, das unter fraglichen Umständen nach Syrien gelangt. Denn Russland exportiert Getreide nach Syrien – von dem die Ukraine sagt, es sei von ihr gestohlen. Anfang August inspizierten libanesische Behörden das Schiff „Laodicea“, das mit rund 10.000 Tonnen Weizen und Gerste im libanesischen Hafen Tripoli lag. Die Ukraine gab an, das Getreide sei von Russland gestohlen, Russland bestritt den Vorwurf. Die libanesische Staatsanwaltschaft ließ das Schiff nach der Untersuchung weiter nach Syrien fahren.
Am Donnerstag berichtete die Nachrichtenagentur AP, ein weiteres Schiff mit gestohlenem Getreide habe Tartus erreicht. Die Agentur wertete Schiffsverfolgungsdaten von MarineTraffic.com aus. Demnach fuhr die „SV Konstantin“ um den 6. Juli herum von der russisch besetzten Halbinsel Krim ins Schwarze Meer. Das Schiff habe in Sewastopol ukrainischen Weizen geladen, so die ukrainische Botschaft im Libanon.
Die "Konstantin"
Die „Konstantin“ fuhr bis zur Küste Zyperns, bevor die Besatzung am Sonntag das automatische Identifizierungssystem abschaltete. Eigentlich sollten Schiffe ihre AIS-Tracker eingeschaltet lassen, aber Schiffe, die ihre Bewegungen verbergen wollen, schalten die Tracker oft aus. Bei Schiffen, die syrische Häfen anlaufen, ist das gang und gäbe.
Syriens Machthaber Baschar al-Assad ist ein enger Verbündeter von Wladimir Putin. Assad und seine Verbündeten werden weiterhin vom Westen sanktioniert. Nahrungsmittellieferungen sind davon zwar ausgenommen – doch der Betreiber des Hafens in Tartus nicht. Tartus liegt am Mittelmeer, etwa 320 Kilometer nordwestlich von Damaskus.
2017 einigte sich Moskau mit Assads Regierung darauf, den Pachtvertrag für Tartus um 49 Jahre zu verlängern. Das Abkommen erlaubt Russland, dort bis zu elf Kriegsschiffe zu stationieren. Der Hafen wird von der russischen Firma Stroitransgaz betrieben, die dem milliardenschweren Oligarchen Gennady Timchenko über seine Investmentfirma Volga Group gehört. Timchenko, der Putin nahe steht, wird von der EU sanktioniert. Auf Bitte der AFP um Stellungnahme wollte die US-amerikanische Stroitransgaz nicht antworten.
Syrien kann die Lieferungen gut gebrauchen. Nicht nur durch den Krieg, auch durch die anhaltende Dürre, den Benzinmangel und den gestiegenen Preisen für Dünger ist der eigene Getreideanbau zurückgegangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos