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Weiter Streit um BilligfleischbremseBio gegen Bio

Die Öko-Branche kämpft für frisches, regionales und saisonales Mensaessen – das Bremer Umweltressort dafür, dass es mit Bio-Siegel nicht teurer wird.

Auch in der Kita gibt es Bio-Essen nicht „kostenneutral“, sagt ein Modellprojekt Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Bremen taz | Zwischen der Bremer Bio-Branche und dem grünen Umweltressort ist ein Grundsatzstreit entflammt. Dabei wollen beide auf den ersten Blick dasselbe – nämlich, dass die örtliche Gemeinschaftsverpflegung „schrittweise auf bis zu 100 Prozent Bioprodukte“ umgestellt werden soll. Und so steht es ja auch im „Aktionsplan 2025“, den die damals noch rot-grüne Landesregierung 2018 beschlossen hatte. Bei der Frage, worauf es beim Bio-Essen genau ankommt, gehen die Meinungen aber weit auseinander.

Auf der einen Seite gibt es jene, die strikt gegen „den Einsatz vorverarbeiteter Produkte aus der Lebensmittel-Industrie sind“, gegen Bio-Ware, die „weltweit und unabhängig von der Jahreszeit“ gehandelt wird, und gegen agrarindustrielle Großkonzerne, die nun eben auch Essen mit Bio-Siegeln verkaufen. Diese Position vertreten 25 regionale Bio-Betriebe, die sich nun in einem offenen Brief an Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) gewandt haben. Angeführt werden sie unter anderem von der früheren niedersächsischen Landesvorsitzenden des Bundes Deutscher Milchviehhalter, Johanna Böse-Hartje aus Thedinghausen.

Auf der anderen Seite ist da das Umweltressort, zuständig für die Umsetzung des „Aktionsplans 2025“. Dort ist man zwar auch dafür, dass in Gemeinschaftsküchen mehr Bio-Produkte auf den Tisch kommen. „Möglichst“ sollten sie aus der Region kommen, saisonal und frisch sein, antwortet Maike Schaefer ihren Kritiker*innen.

Soll heißen: Ganz so vorrangig ist dieses Ziel nicht. Dafür aber ein anderes, auf das Schaefer wiederholt hinweist: „aufwendungsneutral“ müsse die Umstellung vonstattengehen, denn auch das hat der Senat seinerzeit beschlossen. Das Modellprojekt “Mehr Bio in Bremer Kitas“ in drei städtischen Bremer Kindertagesstätten kam 2017 zu dem Ergebnis, dass eine Umstellung auf Bio-Kost mit Kostensteigerungen von zehn bis 15 Prozent umzusetzen ist.

Umstrittene Fortbildung für Köch*innen

Anlass des aktuellen Streits ist ein Projekt namens „Training Kitchen“, für das 1,7 Millionen Euro ausgegeben werden. Es soll Köch*innen in Gemeinschaftsküchen beibringen, wie sie kostengünstig mit regionalen, saisonalen und gering verarbeiteten Bio-Lebensmitteln kochen, ohne dass am Ende viel weggeworfen wird.

Das Konzept dafür – es kostet Bremen 100.000 Euro – darf nach einer in der Bio-Szene umstrittenen Vergabeentscheidung des Umweltressorts nun eine Consulting-Tochterfirma von „Chefs Culinar“ schrei­ben: Das ist ein internationales Unternehmen aus Kiel, das auch mit so umstrittenen Großkonzernen wie Tönnies, Nestlé und Unilever kooperiert. Jan Saffe, Sprecher der Grünen-Fraktion für Ernährung und Landwirtschaft und Vorkämpfer der bundesweit beachteten Billigfleischbremse in Bremen, war „entsetzt“ und die UnterzeichnerInnen des offenen Briefes waren es auch.

Die örtlichen Bio-Firmen wollen mit Tütensuppen-Konzernen nichts zu tun haben

Aus Sicht der KritikerInnen macht sich Bremen damit zum Steigbügelhalter von fragwürdigen Global Playern: „Lieber habe ich gar keine Bio-Stadt, als eine, die bremisches Geld an Tütensuppen-Konzerne gibt und dann noch heuchlerisch so tut, als hätte man keine andere Wahl gehabt“, sagt etwa Marie Pigors vom Naturkost Kontor Bremen.

Das Umweltressort findet lobende Worte für Chefs Culinar, die sich im Vergabeverfahren gegen zwölf andere Unternehmen und Organisationen durchgesetzt hatten, die von der Behörde angefragt worden waren: Die Kieler hätten ein „ausgezeichnetes Verständnis“ der Projektziele, schreibt Schae­fer, und weisen „alle geforderten Kompetenzen“ auf. Die Kritik an der Vergabe tut Schaefer als „Irritationen“ ab, auf die grundsätzliche Kritik der BriefschreiberInnen an „Tütensuppen-Konzernen“ geht sie nicht weiter ein.

Kommende Woche soll es ein Gespräch mit Chefs Culinar geben – unklar ist aber, wer daran teilnehmen wird. Mindestens Teile der Bio-Branche, hört man, wollen es boykottieren – Pigors etwa schloss eine Zusammenarbeit mit den Kielern kategorisch aus. Auch Peter Bargfrede vom Agrarpolitischen Bündnis (ABB) sagt, es habe „wenig Sinn“, hinzugehen, wenn die Bio-Branche nicht auch komme. Die ABB hat mit der Behördenspitze zuletzt ein Kompromisspapier unterzeichnet und will „den Draht zur Behörde erhalten“, wie Bragfrede sagt.

Das ABB, zu dem unter anderem die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft und der BUND gehören, und die Bio-Branche betonen, dass sie gern einheitlich auftreten wollen. Aber selbst Barg­frede will nicht mit Chefs Culinar sprechen, sondern höchstens mit Rainer Roehl. Der arbeitet seit Neuestem als Berater für die Chefs und gilt als ausgewiesener Experte für die Umstellung auf Öko-Food. In seiner neuen Rolle wird er in der Bio-Branche aber mit Argwohn betrachtet. In der Behörde ist man indes sehr froh und zufrieden, ihn als Referenten gewonnen zu haben.

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