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Weihnachtsmärkte"Warmen Alkohol mag ich nicht"

Am Montag beginnt die Glühweinsaison. Jürgen Hammer, Leiter der Berliner Sommelier-Schule, erzählt von Tetrapacks und gibt Tipps fürs ideale Gebräu.

Für diese Stimmung muss man sich warmglühen. Bild: DPA
Interview von Anne Haeming

taz: Herr Hammer, ich habe uns gerade Glühwein gebraut – wollen Sie mal probieren?

Jürgen Hammer: Das ist nett, aber tut mir leid, nein.

Sie könnten ihn ja wieder ausspucken, das machen Sommeliers doch so.

Nein, ich trinke tagsüber keinen Alkohol, das kann ich mir in meinem Beruf nicht leisten. Auch mit Ausspucken bleibt Alkohol in der Mundschleimhaut hängen. Das macht mich wahnsinnig müde. Aber ich rieche mal dran.

Und?

Riecht gut. Auf jeden Fall ist ordentlich Zimt dran. Sternanis rieche ich zum Beispiel nicht …

Im Interview: Jürgen Hammer

45, leitet die Berliner Filiale der Deutschen Wein- und Sommelierschule. Zuvor arbeitete er lange als Chefsommelier, unter anderem beim Drei-Sterne-Koch Dieter Müller in Bergisch Gladbach. In Berlin betreibt er mit seiner Frau nebenher Hammers Weinbar

in Kreuzberg.

Ja, den hatte ich dummerweise vor zwei Monaten entsorgt.

Nelke ist auch dabei, aber nur ganz wenig. Damit muss man sowieso vorsichtig sein. Und ich vermute, dass Orangensaft und -schale drin sind.

Und Ingwer. Reicht ja auch.

Absolut. Und ich sehe: Der Wein ist relativ hellfarbig.

Ja, Spätburgunder. Ist der nicht gut?

Ich würde immer einen farbintensiveren Wein benutzen.

Wieso?

Die meisten Leute mögen einfach keine hellen Rotweine.

Woran liegt das?

Das ist so ein Macho-Ding. Für die meisten muss Rotwein viel Alkohol haben, stark nach Barrique schmecken, und die Farbe sollte eben Tiefschwarz sein. Diese fetten Dinger sind aber natürlich auch sehr eindrucksvoll.

Aber beim Glühwein sieht man die Farbe doch eh nicht: Wenn jetzt die Weihnachtsmärkte öffnen, trinkt man ihn aus Tassen und wenn’s draußen dunkel ist.

Für Gäste würde ich trotzdem einen nehmen, der dunkler ist. Mir persönlich ist die Farbe egal, von mir aus auch Spätburgunder. Wobei man da vorsichtig sein muss, weil er viel Säure hat.

Was wäre denn besser?

Ich würde eher was Weiches, Rundes, Fruchtiges nehmen. Syrah eignet sich und Merlot, vielleicht auch ein vernünftiger Dornfelder. Also Rebsorten mit wenig Säure und wenig weichen Gerbstoffen, sonst müsste ich mit Süße gegensteuern.

Zucker zugeben ist kein Tabu?

Nö, absolut nicht. Aber viele sind übersüßt. Man muss unterscheiden zwischen einem vernünftigen Glühwein mit richtigem Wein und echten Gewürzen – manche Winzer produzieren den mittlerweile auch selbst – und dem Industriezeug, das aus billigem Rotwein und Aromastoffen besteht. Es gilt: je billiger, desto süßer. So überdeckt man den fehlenden Geschmack des Weins und spart sich die Gewürze.

Sie verziehen so das Gesicht.

Ich habe letztes Jahr einen Glühweintest gemacht und 30 fertige Sorten verkostet. Nie wieder.

War das Ihre erste Begegnung mit Fertigglühwein?

Ja. Ich würde auch niemals welchen auf einem Weihnachtsmarkt trinken.

Haben Sie noch nie?

Nee. Ich war auch als Jugendlicher nie auf dem Weihnachtsmarkt, ich weiß nicht mal, ob wir in Würzburg einen hatten. Ich habe diese Atmosphäre noch nie sonderlich gemocht. Man muss doch nur überlegen, warum jemand so einen Stand hat: Die wollen in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Kohle verdienen, nehmen billigen Glühwein und verkaufen ihn teuer, um die Marge zu optimieren. Die machen ja kein Geheimnis daraus, die Tetrapacks stapeln sich in den Hütten. Ich verurteile das gar nicht, aber wenn man sich davon vier, fünf Becher reinzieht, darf man sich nicht wundern, wenn man am nächsten Tag Kopfschmerzen hat.

Und selbstgemachten?

Ich kann das schon mal trinken, bin aber kein großer Fan.

Weil das ein Vergehen am Wein ist?

Nö. Ich mag keinen warmen Alkohol, ich trinke auch keinen Grog oder diese Kaffee-Schnaps-Geschichten. Aber Wein zu aromatisieren ist eine alte Tradition, bis weit ins 16. und 17. Jahrhundert hinein war das total üblich.

Womit hat man damals gewürzt?

Mit Kräutern, Harz, Baumrinde.

Baumrinde? Wäre das nicht auch heute mal eine Idee?

Klar, man könnte Chinarinde nehmen.

Was ist das denn?

Eine Heilpflanze. Die steckt auch in vielen Kräuterlikören. Aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten: etwa Vanille, Kardamom oder einen guten Pfeffer – nur zu scharf darf es auch nicht sein. Wer total spacig drauf ist, kann eine halbe Chili reinschmeißen. Und Ingwer sollte man auch nicht unterschätzen.

Den haben Sie ja in meinem Mix gar nicht bemerkt, hätte ich wohl länger kochen müssen.

Um Gottes willen, kochen sollte man das sowieso nicht! Sonst geht zu viel Alkohol verloren – und man trinkt den ja, um ein bisschen lustig zu werden. Das ließe sich mit Cognac oder Brandy noch verschärfen. Am besten wäre aber, den Glühwein über Nacht zu mazerieren.

Zu – was?

Eine Kaltmazeration ist, wenn man den Wein mit allen Aromaten in einen Topf gibt und über Nacht ziehen lässt, ohne das Ganze zu erhitzen. Das hat den Vorteil, dass die Bitterstoffe, die in der Orange oder im Zimt stecken, nicht in den Wein gelangen. Dann reicht es am nächsten Tag, den Wein ohne die Gewürze zu erwärmen.

Geht das auch mit Weißwein?

Klar, das schmeckt wunderbar. In Skandinavien hat das Tradition. Die Rezeptur ist genau die selbe. Viele finden zwar, dass Zitrusaromen besser zu Weißwein passen, Orangen eher zu Rotwein, weil es etwas spritziger wirkt, das ist Geschmackssache. Aber nur weil ich mir „Riesling“ auf den Unterarm tätowiert habe, heißt das nicht, dass es nur das sein muss.

Die wichtigste Regel ist also: egal was, Hauptsache kein Billigwein?

Wenn’s nicht lecker sein soll, sondern nur reinknallen, ist es letztlich scheißegal. Aber wenn ich mir etwa einen leckeren Nudelsalat mache, dann nehme ich dafür doch auch nicht die billigste Salami von Aldi.

Ab welchem Flaschenpreis tut es Ihnen weh, einen schönen Wein zu Glühwein zu verpanschen?

Einen sehr guten zu verwenden, halte ich für totalen Quatsch. Aber zwischen 4 und 8 Euro sollte man schon ausgeben. Und wenn man zu Hause zwei, drei Flaschen rumstehen hat, die man nicht so lecker findet, oder Weinreste, kann man die auch zusammenkippen. Das ist dem Glühwein wurscht.

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3 Kommentare

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  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Schöne Hinweise für die Herstellung, ich hätte aber gerne mal erfahren, warum man von Glühwein schneller knülle wird als von der gleichen Menge normalen Rotweins? Zumindest bilde ich mir das ein - und habe das auch schon von anderen gehört. Wirken alkoholische Getränke schneller, wenn sie erhitzt werden? Eigentlich müssten sie dann doch weniger Alkohol haben.

  • A
    Alexander

    Vier bis acht Euro für eine Flasche Wein, um diesen dann zu Glühwein zu verarbeiten.

    Hier zeigt sich schön der deutliche Unterschied zwischen der angenommenen Leserschaft der taz und dem ewigen Märchen irgendwo links zu stehen.

    Sechs Euro ist ein erheblicher Preis für einen knappen Liter.

    Sechs Euro sind für manche der Tagessatz zu Ernährung von nicht nur einer Person.

    Aber trotzdem, danke für den Beitrag. Ich wünsche mir noch folgende Themen:

    -Trüffel mit oder ohne Gold verputzen

    -Kobesteak ja! Aber nicht täglich. Esst auch mal Austern!

    -Kann man die taz ruhigen Gewissens im Porsche liegen lassen?

    • G
      Garst
      @Alexander:

      Das sind dann, wenn man noch Gewürze für einen Euro dazurechnet weniger als 1,50 Euro für einen 0,2 Liter Becher. Dafür, dass man weiss, was drin ist und Top-Zutaten verwendet ist das doch spottbillig. Ich wette, dass viele TAZ-Leser ohne mit der Wimper zu zucken mehr für irgendeine Coffee-To-Go Plöre ausgeben, oder im Club für eine Flasche Bier mit einem Materialwert von 60 Cent.