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Weihnachtsmärkte in der PandemieDas Glühweinvirus geht um

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Der bayerische Ministerpräsident Söder hat einen kleinsten gemeinsamen Nenner entdeckt, den es zu retten gilt. Es ist der Weihnachtsmarkt.

Plötzlich Politikum: Glühwein Foto: André Lenthe/imago

J ede Jeck ist anders, lautet ein weiser Spruch aus dem Rheinland, der auch Besäuselten gegenüber eine gewisse Liberalität einfordert, was deren Trinkgewohnheiten betrifft. Freiheit ist auch die Freiheit des Anders­trinkenden, sagte auch schon Rosa Luxemburg. Bei aller Wertschätzung für die Sozialistin: Es gibt Grenzen des guten Geschmacks. Sie enden bei einem vorwiegend heiß servierten Gesöff unklarer Herkunft, das vorwiegend zur Jahresendzeit gerne zwischen improvisierten Holzverschlägen kredenzt wird: dem Glühwein.

In diesem Jahr standen die Chancen gut, dass dieses überzuckerte Kopfschmerzmachmittel in den Fußgängerzonen deutlich seltener zum Einsatz kommt. Sie wissen schon, Corona. Doch deutsche Politiker, allen voran der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, haben auf der Suche nach einem populären Vorschlag inmitten ihrer gezwungenermaßen wenig populären Politik einen kleinsten gemeinsamen Nenner entdeckt, den es auch in ungemütlichen Zeiten zu retten gilt. Und das ist der Weihnachtsmarkt.

Der soll unbedingt möglich sein, notfalls mit Einbahnstraßenregelungen. Es ist nicht allzu schwierig, das Kalkül zu entdecken: Es geht darum, in irren Zeiten wenigstens noch ein wenig Normalität vor dem wichtigsten Feiertag der Deutschen zu simulieren. Dass lallende alkoholgeschwängerte Menschenansammlungen, noch dazu bei kühler Witterung, die Verbreitung des Coronavirus beschleunigen können, ist plötzlich eine nachrangige Erkenntnis. Selbige Wissenslücken treten seltsamerweise immer auf, wenn um unverzichtbare Dinge wie Publikum beim Fußballspiel, Öffnung von Baumärkten und den Eintritt in Bordelle geht – oder eben um Weihnachtsmärkte.

Die Erkenntnis, dass der Anderstrinkende zu Coronazeiten nicht nur für sich, sondern auch für andere eine reale Gefahr bedeuten kann, ist nicht neu. Hier ist sie aufgehoben. Aber wenn ich schon infiziert werden sollte, dann meinetwegen von Kneipengängern, Messwein-Trinkern oder Opernbesuchern mit Pikkolo. Aber nicht von Glühwein-Seligen, bitte nicht!

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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6 Kommentare

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  • Ich verstehe nicht ganz, warum Bordellbesuche hier mit Fudballbesuchen und Weihnachtsmarkt in eine Schublade geworfen werden? Das eine ist eine kollektive, Sinn frei Sittenenthemmung bei dem anderen hängen viele Schicksale von Prostituierten dran, die in die Illegalität gedrängt werden. Oder klingt es dann einfach schmuddeliger?

  • Wenn ich sehe , wie viele Leute sich auf normalen Wochenmärkten tummeln, dass hier bei mir in der Gegend eine Kirmes öffnen darf auf die bis zu 3000 Leute gleichzeitig dürfen, dass Freizeitparks geöffnet haben etc. etc. dann sehe ich ehrlich gesagt keinen logischen Grund warum Weihnachtsmärkte ausfallen sollten. Ich denke auch hier kann man sicherlich gute Konzepte entwickeln

    • @PartyChampignons:

      Man könnte die Glühweinstände doch einfach weglassen...

      • @Bunte Kuh:

        Wenn ich mich mit zehn Leuten in ner Bar setzen darf und da bis zu Besinnungslosigkeit besaufen darf (ob das gut oder schlecht ist sei mal dahingestellt), warum kann man dann an Glühweinständen keine Tische aufstellen an denen soundso viele Leute maximal Platz nehmen dürfen....von der Logik her macht es keinen Unterschied und wenn das eine geht warum dann nicht das andere auch?

  • Da fragen wir uns mal: *Warum* eigentlich?



    Weihnachtsmärkte fanden nach Ende des Krieges bisher über 70 mal statt. Wo ist das das Problem, mal ein Jahr auszusetzen?

  • Ja, saufen, Halleluja singen, & Umsatz machen ist die 1. Christenpflicht. Gerade zu Weihnachten!



    Die Christlich Soziale Union ist das fachlich top!



    Wenn ich mir die realen Daten in "Munic" so ansehe, wird der Weihnachtsmarkt dort und auch im Umfeld mit = 1 Teilnehmer stattfinden!



    Kopfschüttelnd Sikasuu