Wegen neuer Gehaltsstufen: Protest im Jugendamt
Die Fachkräfte der Allgemeinen Sozialen Dienste in Hamburg sind seit Januar in einer niedrigeren Gehaltsstufe. Nun gehen sie auf die Barrikaden.
Der Job der rund 450 Sozialarbeiter in den Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD), wie die Ämter heißen, ist aufreibend und anspruchsvoll. Kommt ein Kind zu Schaden, können die Sozialarbeiter sogar vor Gericht landen, weil sie die „Garantenpflicht“ des staatlichen Wächteramts ausüben.
Ein Baustein für eine gute Kinderschutz-Politik in Hamburg ist seit 2012 deshalb ihre höhere Eingruppierung von der Gehaltsstufe E9 in die Stufe E10. Diese entspricht einer Tätigkeit mit „ein Drittel Schwierigkeit und Bedeutung“, wie es im Tarifdeutsch heißt. Sie entspricht etwa der einer Kita-Leitung.
Doch nun nutzt der Senat eine neue bundesweite Entgeltordnung, um die Erhöhung zu kassieren. Seit 1. Januar 2020 gilt bundesweit ein neues Tarifsystem mit anderen Buchstaben und Zahlen. Die alte Gruppe E10 entspricht nun der Gruppe S15. Die neue Entgeltordnung ordnet so auch Kita-Leiter ein. Die Gewerkschaft Ver.di fordert, dass die ASD-Beschäftigten auch in diese Gruppe übergeleitet werden müssten. Doch das Personalamt hat die Beschäftigten in die S 14 übergeleitet. Sprich: Es geht zurück.
Senat kassiert Erhöhung
Über die Protestaktion wurde die taz von einer Gruppe namens Jugendamt.protestiert informiert. Dass die 2012 erfolgte Bewertung der Arbeit des Hamburger ASD nicht mehr gelten soll „können und wollen wir so nicht hinnehmen!“, heißt es in dem Aufruf. Mit S14 verliere die Arbeit deutlich an Attraktivität. Man wolle die Zeit vor der Wahl nutzen, um dem Senat zu zeigen, dass der ASD so noch mehr unter Fachkräftemangel leiden und „in große Not geraten wird“.
Die Mitarbeiter gingen allerdings davon aus, „dass die Aktion innerhalb kürzester Zeit unterbunden und beendet wird.“ Aus dem Bezirk Harburg liegt der taz eine Mail vor, die den Mitarbeitern untersagt „politische Meinungen auszuhängen“ oder „Kontakt zu Medien aufzunehmen“.
Die zuständige Fachbereichsleiterin bei Ver.di, Sabine Bauer, sagt, die Gewerkschaft sei dabei, mit dem Personalamt Gespräche über den Übergang ins neue Tarifsystem zu klären. Es soll im Februar zwei Info-Abende mit Mitgliedern geben, um zu beraten, wie die Gewerkschaft weiter vorgeht.
Indes versichert der Senat, dass es einen „Bestandsschutz“ gebe. Kein ASD-Beschäftiger „wird künftig weniger erhalten“, so Sprecher Marcel Schweitzer. Vielmehr führten die Anpassungen „durchgehend zu Verbesserungen im Einkommen.“ Zum Beispiel verdiene ein Anfänger nach E10 in Stufe 1 3.367,04 Euro brutto, nach S14 3.368,38 Euro. Dennoch befürchten die ASD-Mitarbeiter Kürzungen, weil die Aufstiege in höhere Entgeltstufen länger dauern.
„Wir unterstützen den Protest“, sagt Sabine Boeddinghaus von der Linken. Denn mit der neuen Eingruppierung werden besagte „Bewährungsaufstiege verschoben“, was einer Kürzung gleichkomme. „Die Arbeitsbedingungen der ASD-Beschäftigten sind schon hart genug“, sagt die Abgeordnete. Dafür spreche die extrem hohe Fluktuation. So wechselten 2018 121 von 447, also fast 27 Prozent, der Jugendamtsmitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Da sollte der rot-grüne Senat jetzt nicht auch noch mit einer schlechteren Eingruppierung für Unruhe sorgen und den Protest dagegen behindern. Boeddinghaus: „Beides lehnen wir entschieden ab.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos