Wegen Weitergabe des Haftbefehls: Dresdner Justizbeamter suspendiert
Der Mann, der den Haftbefehl durchgestochen haben soll, outet sich in der „Bild“. Seine Tat bereut er offenbar ganz und gar nicht.
Am Donnerstagabend präsentiert dann allerdings nicht die sächsische Polizei, sondern die Bild den mutmaßlichen Täter: Daniel Z., Justizbeamter aus Dresden, habe sich bei der Zeitung gemeldet und gestanden, den Haftbefehl weitergegeben zu haben, vermeldet diese auf ihrer Website.
Z. präsentiert sich dort als mutiger Whistleblower: „Ich habe gewollt, dass die Wahrheit und nur die Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit kommt.“ Ganz so, als wären die Informationen ohne sein Handeln für immer geheim geblieben. Sollte er wirklich für die Weitergabe verantwortlich sein, droht ihm nicht nur die Kündigung, sondern auch ein Strafverfahren.
Z. gibt an, er habe sich an die Bild gewandt, weil er nicht wolle, dass andere Menschen wegen der Sache „weiter verfolgt werden“. Es klingt, als würde da jemand zu einer Art Märtyrer der rechten Szene werden wollen. Das sächsische Innenministerium teilte kurz nach der Veröffentlichung mit, der Mann sei suspendiert worden. Weitere Einzelheiten waren zunächst nicht bekannt.
Die Staatsanwaltschaft Dresden hatte in der Sache am Mittwoch Ermittlungen aufgenommen. Dabei geht es um zwei verschiedene Komplexe: Zum einen um Ermittlungen wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses, also die Frage, wie der Haftbefehl überhaupt die Sicherheitsbehörden verlassen konnte. Dazu könne er sich im Einzelnen nicht äußern, da die Ermittlungen noch laufen, sagte ein Sprecher am Donnerstag.
Zum anderen sei die Staatsanwaltschaft Dresden in mehreren Fällen wegen der Veröffentlichung des Haftbefehls aktiv geworden, sagte der Sprecher, sowohl auf Anzeige hin als auch von Amts wegen. Wer amtliche Dokumente eines Strafverfahrens veröffentlicht, „bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert wurden oder das Verfahren abgeschlossen ist“, kann nach Paragraf 353d des Strafgesetzbuchs mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden.
Nach taz-Informationen wird in diesem Zusammenhang auch gegen den Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann ermittelt. Bachmann hatte den Haftbefehl am Dienstagabend über seinen Kanal auf dem Messenger-Dienst Telegram verbreitet. Zuerst hatte die Tagesschau berichtet.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Bundespolizisten
Noch vor Bachmann hatte am Dienstagabend die Facebook-Seite von Pro Chemnitz das Bild veröffentlicht. Auch auf der Seite des AfD-Kreisverband Kyffhäuser-Sömmerda-Weimarer Land wurde der Haftbefehl am Dienstagabend bereits vor der Veröffentlichung durch Bachmann gepostet. Während Pro Chemnitz wenige Stunden später angab, die „Internetpolizei“ habe den Beitrag gelöscht, war er bei der AfD am Donnerstagnachmittag immer noch zu finden. Die dortige Version ist weitaus weniger geschwärzt, als in der, die Bachmann verbreitet hatte, unter anderem sind die vollen Namen der Beschuldigten zu lesen.
Auf die Frage in den Kommentaren, woher der thüringische Kreisverband den Haftbefehl habe, antwortet dieser: „Die AfD – gewöhnlich gut informiert.“ Der Kreisverband sowie der thüringische Landesverband waren am Donnerstag nicht für Nachfragen zu erreichen.
Auch in Bremen ermittelt die Staatsanwaltschaft. Der Landespolitiker Jan Timke, der für die rechte Wählervereinigung Bürger in Wut in der Bremer Bürgerschaft sitzt, hatte den Haftbefehl ebenfalls im Internet veröffentlicht. Bereits am Mittwoch durchsuchten die Ermittler seine Wohnung. Besonders interessant: Timke ist Bundespolizist, auch wenn sein Dienstverhältnis aktuell wegen seiner Tätigkeit in der Bürgerschaft ruht.
Geringer Ermittlungseifer
In anderen Bundesländern ist der Ermittlungseifer in der Sache offenbar weniger ausgeprägt. Davon, dass auch der Berliner AfD-Abgeordnete Ronald Gläser den Haftbefehl auf Twitter veröffentlicht hatte, habe die Berliner Staatsanwaltschaft keine Kenntnis, sagte ihr Sprecher Martin Steltner am Donnerstag auf taz-Anfrage. Dementsprechend seien bislang auch keine Ermittlungen eingeleitet worden.
Gläser selbst, der seinen mit den Worten „Anklagen, verurteilen, bestrafen, abschieben“ überschriebenen Post später wieder gelöscht hatte, wollte sich gegenüber der taz „aus naheliegenden Gründen“ nicht zu der Sache äußern.
Auch der bayerische AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka hatte das Dokument geteilt. Die Staatsanwaltschaft Landshut, die aufgrund des Wohnorts von Protschka zuständig wäre, hatte darüber bis Donnerstagnachmittag nach eigenen Angaben noch keine Kenntnis. Es werde nun geprüft, ob ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet werde, um Protschkas Immunität aufzuheben, sagte ein Sprecher am Donnerstagnachmittag der taz.
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