Wegen EU-Solardumping-Debatte: China warnt vor Handelskrieg
Wie Du mir, so ich Dir: Peking kontert drohende Strafzölle mit Vorwürfen gegen die EU. Nun prüft die Volksrepublik Chemieimporte aus Europa.
PEKING taz | Der Handelsstreit zwischen China und der EU eskaliert. Wenige Tage vor der beabsichtigten Einführung von Strafzöllen der EU auf Solartechnik aus China schlägt die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt mit voller Wucht zurück. Der chinesische Handelsminister kündigte am Wochenende an, ein weiteres Anti-Dumping-Verfahren gegen Importe aus der EU zu prüfen.
Konkret handelt es sich um das Lösungsmittel Tetrachlorethen. Zwei chinesische Chemieunternehmen hätten bereits im April einen entsprechenden Antrag gestellt, heißt es vom Handelsministerium.
Es ist bereits das zweite Verfahren Pekings, seit Brüssel Anfang Mai angekündigt hatte, Strafzölle mit Sätzen von bis zu 67 Prozent auf chinesische Solarexporte zu erheben. Bereits wenige Tage später hatte die Volksrepublik ein Anti-Dumping-Verfahren gegen Importe von Stahlrohren aus Europa eingeleitet.
Die Beschwerde vor der EU-Kommission geht auf die Initiative der angeschlagenen Bonner Firma Solarword zurück. Der einstige deutsche Branchenprimus hält preisgünstige chinesische Solarpanele für den Hauptgrund des Niedergangs der europäischen Photovoltaikindustrie. 80 Prozent aller Solarprodukte in Europa kommen inzwischen aus China.
Solarworld argumentiert, Peking habe mit marktverzerrenden Subventionen Kostenvorteile für seine eigenen Unternehmen und so weltweit Überkapazitäten geschaffen. Folge: Der Preis der Module ist binnen drei Jahren um fast 75 Prozent abgestürzt.
Angeblich kein Zusammenhang mit Anti-Dumping-Verfahren
Offiziell bestreitet die chinesische Seite einen unmittelbaren Zusammenhang ihrer nun angekündigten Anti-Dumping-Verfahren mit der vorgesehenen Strafaktion der EU-Kommission. Und doch ist der Zeitpunkt kein Zufall. Der Sprecher des chinesischen Handelsministeriums warnte vor einem Handelskrieg: „Wir hoffen, dass die EU noch zu einer umsichtigen Entscheidung findet“, sagte er.
Am Mittwoch entscheidet die EU-Kommission, ob der Strafzoll für zunächst sechs Monate erhoben werden soll. Allerdings haben sich inzwischen 18 EU-Staaten dagegen ausgesprochen – allen voran Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel hatte in der vergangenen Woche beim Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang in Berlin zugesichert, in Brüssel zu intervenieren. EU-Handelskommissar Karel De Gucht beklagte wiederum, China würde Druck auf einzelne Staaten ausüben und so die EU spalten.
Auch die deutsche Wirtschaft wettert gegen die EU. Sowohl der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) als auch der Außenhandelsverband BGA warnten vor einer Eskalation. Tatsächlich steht für die deutsche Wirtschaft viel auf dem Spiel. Von 1995 bis 2012 sind die hiesigen Ausfuhren nach China jährlich um durchschnittlich 15,8 Prozent gestiegen. China ist inzwischen der größte Handelspartner Deutschlands außerhalb der EU. Auch aus umweltpolitischer Sicht sind die Strafzölle umstritten: Solaranlagen könnten sich stark verteuern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins