Wegen Atomausstieg: Vattenfall will noch mehr Geld
Der schwedische Energiekonzern hält seine Klage vor einem Schiedsgericht auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufrecht.
![Atomkraftwerk Krümmel Atomkraftwerk Krümmel](https://taz.de/picture/1650343/14/102407ddbd2e08dfc9f743e211db068a_edited_56905208_75d7b8347d.jpeg)
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Dienstag entschieden, dass das Eigentumsrecht von Vattenfall als 50-Prozent-Eigentümer des Atomkraftwerks Krümmel verletzt wurde. Denn Krümmel konnte als einziges deutsches AKW nicht die im Atomkonsens von 2002 zugestandenen 32 Jahre Laufzeit ausschöpfen.
Stattdessen verlor Krümmel im August 2011 schon nach rund 27,5 Jahren die Betriebserlaubnis. Vattenfall hat nun Anspruch auf Ausgleich für viereinhalb Betriebsjahre. In welcher Form und in welcher Höhe Vattenfall diesen Ausgleich erhält, muss der Bundestag bis Juni 2018 im Atomgesetz regeln.
Die Klage in Washington beruft sich auf die Energiecharta von 1994, einen völkerrechtlichen Vertrag, der ausländische Investoren im Energiebereich schützt. Er verspricht den Investoren eine „faire und gerechte Behandlung“ und den Schutz vor „unangemessenen und diskriminierenden Maßnahmen“.
Die Bundesregierung betonte am Mittwoch, dass es sich dort um ein eigenständiges Verfahren handele. „Dennoch wünschen wir uns, dass Vattenfall seine Klage zurückzieht“, hieß es seitens des Wirtschaftsministeriums. Eine Sprecherin von Vattenfall erklärte jedoch: „Wir betreiben das Verfahren in Washington weiter.“
Vattenfall hat die Klage beim ICSID also nicht nur für den Fall eingelegt, dass das Bundesverfassungsgericht die dortige Klage gar nicht zulässt. Dies war aus Sicht des Unternehmens durchaus zu befürchten, da Vattenfall dem schwedischen Staat gehört und sich deshalb eigentlich gar nicht auf deutsche Grundrechte berufen kann. Doch Karlsruhe war großzügig und hat die Vattenfall-Klage dennoch zugelassen.
Höhere Entschädigung möglich
Vattenfall hofft also darauf, in Washington eine höhere Entschädigung zu erhalten als auf Grundlage des Karlsruher Urteils. Und hier gibt es vier Ansatzpunkte. Erstens gewährte Karlsruhe nur einen „angemessenen“ Ausgleich, der hinter dem vollen Wertersatz zurückbleiben kann. Die Energiecharta verlangt bei Enteignungen dagegen eine Entschädigung nach dem „Marktwert“.
Zweitens hat das Bundesverfassungsgericht für die Rücknahme der 2010 gewährten Laufzeitverlängerung um durchschnittlich 12 Jahre keinerlei Entschädigung gewährt. Das könnte das Schiedsgericht anders sehen.
Drittens hat Karlsruhe nur den Ersatz für Investitionen zugelassen, die zwischen Dezember 2010 und März 2011 im Vertrauen auf die Laufzeitverlängerung erfolgten. Vattenfall hat bei Krümmel aber schon von 2007 bis 2011 rund 700 Millionen Euro investiert.
Viertens moniert Vattenfall in Washington die Brennelementesteuer, die seit 2011 erhoben wird. Diese spielte im Karlsruher Verfahren gar keine Rolle.
Das ICSID-Schiedsgericht hat im Oktober zwei Wochen lang über die Vattenfall-Klage verhandelt. Ein Urteil wird üblicherweise nach sechs bis acht Monaten verkündet.
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