Wechsel in der EU-Kommission: Personalrochade als Politikum
Dem niederländischen EU-Klimakommissar Timmermans folgt der Slowake Maroš Šefčovič. Auf Ursula von der Leyen kommen Probleme zu.
Die scheinbar simple Personalrochade ist ein Politikum. Timmermans geht im Streit mit der Europäischen Volkspartei – der politischen Familie von der Leyens. Die EVP hatte seine Klimapolitik als angeblich industriefeindlich attackiert. Deshalb war auch sein Verhältnis zu von der Leyen angespannt. Die CDU-Politikerin ließ den Sozialdemokraten im Regen stehen.
Nun verlässt Timmermans Brüssel. Bei der niederländischen Parlamentswahl im Herbst will er als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten und der Grünen antreten. Sein Amtsnachfolger Šefčovič dürfte sich schwertun, die Lücke zu füllen. Er gilt als farbloser Ausputzer vom Dienst. Zuletzt war er für „politische Koordinierung“ zuständig und auf der EU-Bühne fast unsichtbar.
Der 57-Jährige muss die Gesetzesvorhaben des „European Green Deal“ zu Ende führen. In der Pipeline ist noch ein Gesetz über nachhaltige Lebensmittel und die Reform der Chemikaliengesetzgebung Reach. Zudem soll er die Klimabilanz der EU im Europawahlkampf verteidigen. Keine leichte Aufgabe, wie sich an Deutschland zeigt: Im größten EU-Land werden wohl die Klimaziele für 2030 verfehlt.
Nichts als Personalprobleme
Auch auf von der Leyen kommt Ärger zu. Sie hat den „European Green Deal“ 2019 nach ihrer umstrittenen Wahl persönlich ausgerufen und kann sich nun nicht mehr hinter Timmermans verstecken. Der wortgewaltige Niederländer verstand es, seiner Chefin den Rücken freizuhalten und die europäischen Sozialdemokraten und die Gewerkschaften einzubinden.
Von der Leyen muss zudem zwei weitere Personalfragen klären. Zum einen fehlt nach Timmermans’ Abgang ein niederländischer EU-Kommissar. Wann und wen die scheidende Regierung in Den Haag nominiert, ist offen. Der oder die Kandidatin muss nicht nur zu von der Leyen passen, sondern auch dem EU-Parlament gefallen.
Zum anderen droht der nächste Abgang: Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Die Dänin möchte den scheidenden Chef der Europäischen Investitionsbank ablösen, den Deutschen Werner Hoyer (FDP). Kommt es so, ist von der Leyen fast allein zu Haus.
In der Kommission gilt nur noch der Franzose Thierry Breton als Schwergewicht. Der Binnenmarkt-Kommissar hat sich im Kampf gegen die US-Internetriesen und bei der Aufrüstung der einstigen Friedensunion EU profiliert. Er könnte sich 2024 um die Leitung der nächsten Kommission bewerben – wie von der Leyen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles