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Wechsel in der BVG-ChefetageAbgang im „besten Einvernehmen“

Der Betriebsvorstand der BVG, Rolf Erfurt, verlässt das Verkehrsunternehmen überraschend. Offenbar lag man in Fragen des Führungsstils über Kreuz.

Einer geht (Rolf Erfurt, r.), einer bleibt (Henrik Falk, l.) Foto: IMAGO / Sabine Gudath

Berlin taz | Bei der BVG quietscht es nicht nur auf Schiene und Straße, auch in der Chefetage rumort es offenbar: Am Freitagmorgen verbreitete das landeseigene Unternehmen eine Erklärung des Aufsichtsrats, in der dieser den Rückzug von Betriebsvorstand Rolf Erfurt bekannt gab. „Im besten gegenseitigen Einvernehmen“ verlasse Erfurt die BVG-Zentrale an der Holzmarktstraße, um sich „neuen beruflichen Herausforderungen zuzuwenden“. Erfurt war seit fünf Jahren Teil des BVG-Vorstands, dem aktuell zudem Vorstandschef Henrik Falk und Personalvorständin Jenny Zeller angehören.

Der Personalausschuss des Aufsichtsrats habe einer Auflösungsvereinbarung zugestimmt, hieß es, Henrik Falk werde Erfurts Geschäftsbereich nun mitübernehmen, bis die Nachfolge geklärt sei. Die Aufsichtsratsvorsitzende der BVG, Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD), wird in Bezug auf Erfurts Ausscheiden zitiert, sie „bedauere seine Entscheidung sehr“, er habe als Vorstand „den Betrieb der BVG erfolgreich weiterentwickelt und wichtige innovative Impulse gesetzt“.

Das klänge alles nach der eher harmlosen Karriereentscheidung eines Managers, wären da nicht die akuten Probleme der BVG mit der Aufrechterhaltung eines stabilen Betriebs, den Lieferproblemen der neuen U-Bahnzüge und den Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Personal. Und stünde in der Pressemitteilung nicht auch der Satz: „Grund dafür sind unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens.“

Worin genau diese Differenzen bestehen, bleibt offen. Die Berliner Zeitung will erfahren haben, dass es kein Zerwürfnis gegeben habe, jedoch Uneinigkeit über den Führungsstil oder sogar mangelnde Führung im Unternehmen. Erfurt habe schon seit einiger Zeit für sich entschieden, das Unternehmen zu verlassen.

Tatsächlich hatte Rolf Erfurt die BVG eine Zeitlang faktisch in Hauptverantwortung geleitet, nachdem das Verhältnis zwischen dem Aufsichtsrat und Falks Vorgängerin Eva Kreienkamp schon Ende 2022 zerrüttet war und das Gremium sie im April 2023 abberief. Henrik Falk, der einst von der BVG zur Hamburger Hochbahn gewechselt war, übernahm erst zum Jahresbeginn 2024 den Chefposten.

Rückgrat mit Bandscheibenvorfall

Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen Antje Kapek betrachtet den Vorgang mit Sorge und erkennt darin eine weitere Destabilisierung der Verkehrsbetriebe. „Eine leistungsfähige BVG ist das Rückgrat einer funktionierenden Stadt“, so Kapek zur taz, „doch trotz massivem Bandscheibenvorfall geht der Senat seelenruhig in die Herbstferien, statt sich um die Aufarbeitung des Chaos zu kümmern.“

Die BerlinerInnen über den wahren Zustand der BVG und mögliche Wege aus der Krise zu informieren, wäre „das Mindeste“, findet die Politikerin. „Stattdessen gibt es mit dem Rückzug von Herrn Erfurt nur weitere Hiobsbotschaften, die zusätzliche Verunsicherung bringen.“ Die Grünenfraktion hatte vor Kurzem einen Plan zur Überwindung der BVG-Krise vorgelegt, der unter anderem frisches Geld für Investitionen und mehr Transparenz fordert.

Der Sprecher des Berliner Fahrgastverbands IGEB, Jens Wieseke, findet es „mindestens riskant, in der jetzigen Situation den Techniker abzulösen“. In einer Doppelfunktion werde Vorstandschef Falk überlastet sein. Wieseke lobte Rolf Erfurt dafür, den Kontakt des Unternehmens zu den FahrgastvertreterInnen deutlich verbessert zu haben: „Wir haben heute endlich jemanden in der BVG, der auch direkt für uns Ansprechpartner ist. Das hat er ermöglicht.“

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