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Webseite zur Atommüll-EndlagersucheKeiner will mitreden

Die Standortsuche für ein Atomlager sollte von der Bevölkerung online kommentiert werden. Aber es gab kaum Interesse daran.

Gepökelter Atommüll – der Salzstock Gorleben bleibt eine Option Foto: dpa

BERLIN taz | Über Jahrzehnte war das Thema ein Aufreger: Wo soll ein Endlager für den deutschen Atommüll entstehen, wie soll die Suche danach aussehen. Jetzt gibt es dafür erste Vorschläge – aber das Interesse am Thema ist praktisch gleich Null. „Sehr dürftig“ ist nach Auskunft der Betreiber das Interesse an der offiziellen Website endlagerbericht.de, auf der noch bis zum Sonntag alle Interessierten den Bericht der „Endlagerkommission“ des Bundestags bewerten und kommentieren können.

Am 28.September will der Umweltausschuss des Parlaments den Bericht der Kommission debattieren und auch darüber reden, was das Volk davon denkt. Das aber wird wohl eine kurze Diskussion. „Seit Juli haben sich etwas mehr als 100 Personen registriert und rund 200 Kommentare und 10.000 Votes abgegeben“, meldet Hannes Leo von der Betreiberplattform cbased.

Es gebe zwar keine „Zielvorgaben“ bei der Beteiligung, aber eine statistische Erfahrung: Mindestens 400 bis 500 Teilnehmer müssten sich bei der „Überprüfung eines Dokuments“ äußern, um alle konfliktreichen Punkte aufzudecken. Aus diesen Eingaben ließe sich dann herausfiltern, welche Punkte wichtig und konfliktträchtig seien und wo weitergearbeitet werden müsse.

Auch Gorleben bleibt eine Option

Im Juni hatte nach zweijähriger Arbeit die „Endlagerkommission“ des Bundestages ihren umkämpften Abschlussbericht vorgestellt. Darin einigten sich 32 Experten und Politiker auf Kriterien und Verfahren, die bei der Suche nach einem Atomendlager gelten sollen und noch von Bundestag und Bundesrat zu beschließen sind: So werden explizit keine Standorte von der Suche ausgenommen, es gibt keine Festlegung auf eine bestimmte Gesteinsart.

Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen hatten stark kritisiert, dass der umstrittene Standort Gorleben nicht ausdrücklich von der Suche ausgenommen worden war. Der BUND als einziger Umweltverband hatte daher den Bericht nicht mitgetragen, sondern ein Sondervotum herausgegeben.

Genügend Gründe für Kommentare und Kritik also. Aber bei endlagerbericht.de herrscht die Ruhe nach dem Sturm. Die meisten Anmerkungen gibt es zur Zusammenfassung des Berichts, zu den Kapiteln „Ausgangsbedingungen des Berichts“, der „Erfahrung mit der Lagerung radioaktiver Stoffe“ und dem „Dialog mit den Regionen“ – also den Fragen, die die Anwohner von potenziellen Standorten direkt betreffen. Trotzdem sind dort jeweils nur etwa ein Dutzend Teilnehmer mit Kommentaren vertreten.

Das zuständige Umweltministerium ist vom Desinteresse der Bürgerinnen und Bürger ebenfalls enttäuscht. „Für viele Menschen ist das Thema eben wenig konkret“, heißt es. „Sobald aber über einzelne Regionen als Standorte geredet wird, wird sich das ganz schnell ändern.“

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2 Kommentare

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  • Auch hier scheint das Interesse gering.

     

    An dieser Stelle aber ein Wunsch an die taz-Redaktion: Bitte berichtet mehr über solche Formen der Bürgerbeteiligung! Und zwar frühzeitig und wiederholt, und nicht drei Tage vor Toreschluss.

     

    Ich weiß, die taz ist kein Kampagnenblatt, aber Ihre Leser zur Mitwirkung an demokratischen Prozesen aufzurufen oder darüber informieren, steht jeder demokratisch gesinnten Zeitschrift gut zu Gesicht. Dazu muss man auch keine Meinung vorgeben, eine neutrale Berichterstattung genügt völlig.

  • Es ist verständlich, wenn das Bürgerinteresse bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle erlahmt. Die Gefahr ist nicht konkret genug und die damals pubertären Straßenkämpfer sind heute verbeamtet, deren Kinder studieren BWL oder Jura.

     

    Die wissenschaftliche Erforschung der Eignung eines Salzstockes zur Deponie radioaktiver Abfälle ist kein Thema, welches durch die mediale Wurstmaschine gedreht werden kann.

     

    An den grundlegenden Problemen hat sich aber seit 30 Jahren nichts geändert. Die Wärmeverteilung innerhalb eines Salzstocks ist eben nicht gleichmäßig sondern anisotrop, geschuldet der Textur der Salzminerale und ihrer kristallografischen Struktur. Bei den vorhandenen niedrigen Schmelzpunkten der ozeanischen Salze kann es zu Instabilitäten und damit verbundener Migration der Behälter kommen. Ferner würde eine Salzschmelze die Korrosion der Behälter extrem steigern. Zu DDR-Zeiten hat man ja bereits eine Reihe von Erfahrungen zur Korrosion bei der "heißen Aussohlung" von Salzmineralen gesammelt. Salzstöcke sind nicht geeignet als Deponie. Tonlagerstätten sind völlig indiskutabel, weil die Dichtheit von einem gewissen Wassergehalt abhängig ist.

     

    Lediglich das Einschmelzen in synthetische Gesteine und anschließende trockene Verwahrung könnte einen gewissen Schutz bieten. Doch sind dafür in Deutschland mit seinem hohen Anteil an Sedimentgesteinen kaum geeignete Plätze zu finden. Man solle sich auch dabei nicht täuschen. Durch die tektonische Veränderung seit über 400 Millionen Jahren, sind diese Gesteinskörper auch nicht frei von migrierenden Wässern durch Klüfte und Spalten.

     

    Erst, wenn die Gegend um die Asse II unbewohnbar wird, dürfte das mediale Interesse wieder erwachen.