Wasserpolitik in Berlin: Nichts Genaues weiß man nicht
Droht der Hauptstadtregion bald der Wassermangel? Die Ängste sind groß, aber das konkrete Wissen überschaubar. Was bedeutet das für die Politik?
I n Berlin musste man sich seit dem Mauerfall um Vieles sorgen, aber um eines nie: dass man auf dem Trockenen sitzen würde. Große Teile der Hauptstadt liegen in einem Urstromtal, das bis heute reich an Flüssen und Seen ist, an einigen Stellen der Innenstadt gab es sogar Probleme mit zu hohem Grundwasser. Der rapide Abbau der Industrie vor allem im Osten der Stadt nach 1990 reduzierte zudem den Wasserverbrauch deutlich.
Doch in den vergangenen Jahren änderte sich das Bild: Die Bevölkerung wächst konstant, die Wirtschaft boomt, und damit wird auch mehr Wasser verwendet und verschwendet. Hinzu kommt die Frage, wie sich das absehbare Ende des Braunkohletagebaus in der Lausitz auf den Zufluss über die Spree auswirkt. Große Sorgen bereitet die seit einigen Jahren herrschende Trockenheit, die allein in diesem Jahr für fast 400 Waldbrände in der Mark mitverantwortlich ist.
Kein Wunder, dass die Politik alarmiert ist und vergleichsweise fix auf Forderungen reagiert. Ein Beispiel: Erst am Montag hatte der grüne Umweltpolitiker Benedikt Lux im taz-Interview gefordert, dass Berlin in Notsituationen bestimmte Wassernutzungen einschränken oder verbieten können müsse, wie Rasensprengen, Autowäsche oder das Befüllen von Pools. Es gehe um „Wasserverbräuche, die objektiv verzichtbar sind“, so Lux zur taz.
Kaum geäußert, beeilte sich schon die grüne Umweltverwaltung am Mittwoch zu versichern, dass eine dafür nötige Änderung des Wassergesetzes kommen soll. Wie genau und wann? Das blieb unklar, ebenso wie weitgehend die Veränderungen sein sollen. Geht es nur darum, auf den Stand anderer Bundesländer zu kommen – Brandenburg etwa -, oder sollen die Kompetenzen darüber hinausgehen?
Auch ohne das im Detail zu wissen: Die Reaktion der Umweltverwaltung passt ins aktuelle Handlungsmuster der Politiker*innen jeder Colour, die angesichts massiver multipler Krisen – Klima, Krieg, Energie, Pandemie, Inflation, etc. – Bereitschaft zu Veränderungen signalisieren müssen. Schließlich will sich am Ende niemand dem Vorwurf aussetzen, man habe die Dramatik der Lage verkannt.
Und so kommt es, dass die Grünen im Bund sogar eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke zu akzeptieren bereit sind, während die FDP in Berlin die Forderung von Benedikt Lux unterstützt. Die Zeitenwende ist längst in den Köpfen der Herrschenden angekommen.
Bringen die Maßnahmen wirklich was?
Was leider nichts über die Effizienz der vorgeschlagenen Maßnahmen aussagt. Ähnlich wie bei der Atomkraft, die ja Strom erzeugt und keine Wärme, und bei der Abschaltung der Beleuchtung bekannter Gebäude bleiben beim Vorstoß von Lux und der Umweltverwaltung viele Fragen offen. Wie viele Menschen waschen und polieren überhaupt noch ihr Auto vor dem Eigenheim? Wie groß ist die Menge des Wassers in privaten Pools, auch im Verhältnis zum Gesamtverbrauch? Wie würden etwaige Verbote aussehen und wer soll sie kontrollieren?
Bisweilen scheint der symbolische Charakter solcher Forderungen stark zu überwiegen. Das bedeutet nicht, dass sie sinnfrei wären. Angesichts der Klimakrise ist jedes Nachdenken über einen nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen wichtig und richtig. Ob sie am Ende aber auch einen Beitrag zur Lösung der Krisen leisten, bleibt offen.
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