piwik no script img

Wassernot in ChinaDürre bedroht Energieversorgung

Die Volksrepublik setzt auf Wasserkraft und kämpft nun mit ausgetrockneten Flüssen. Vermehrt erreicht der Klimawandel den chinesischen Alltag.

Bedroht Gesundheit und Wirtschaft in China: Rekordniedrigwasser (wie hier am Jangtse) Foto: Thomas Peter/reuters

Peking taz | Nicht nur Deutschland und Europa, sondern die gesamte Nordhalbkugel der Erde leidet derzeit unter extremer Hitze und Dürre. China ist davon besonders hart betroffen. Seit über zwei Monaten überschreiten in vielen Landesteilen die Thermometer die 40-Grad-Grenze. Das gefährdet wiederum die Stromversorgung.

Es ist nicht nur eine Hitzewelle, die das Land plagt, sondern mehrere, simultane Extremwetterlagen

Denn China hat zur Reduktion seines Kohleverbrauchs zuletzt massiv auf Wasserkraft gesetzt. Im Zuge der extremen Hitze sinken nun jedoch die Wasserpegel der Flüsse und Stauseen. Viele Wasserkraftwerke stehen deshalb still und es zeigt sich, dass die Folgen der globalen Erwärmung in der Volksrepublik längst kein Luxusproblem mehr sind, sondern den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes gefährden.

Besonders der sonst mächtige Jangtse-Fluss gibt derzeit ein klägliches Bild ab: Durch den ausbleibenden Regen ist er auf ein Bruchteil seiner Größe geschrumpft, beide Uferenden haben Sandbänke von der Breite mehrerer Fußballfelder freigelegt.

In der südwestlichen Provinz Sichuan, deren 81 Millionen Einwohner besonders stark von Wasserkraft entlang des Jangtse und seiner Nebenflüsse abhängen, sind die Auswirkungen riesig. Etliche Fabriken mussten aufgrund der Stromrationierungen bereits ihre Produktion drosseln, darunter Werke von Volkswagen und dem Apple-Zulieferer Foxconn.

Ebenfalls betroffen ist ein Standort von „Contemporary Amperex Technology Limited“ (CATL), dessen Betrieb derzeit vollständig suspendiert ist. Da das Unternehmen nahezu ein Drittel aller weltweit produzierten Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge herstellt, wird die Schließung mit etwas Verzögerung auch Auswirkungen auf die globalen Lieferketten haben. Bereits jetzt sind die Preise für Polysilizium und Lithium gestiegen.

Für Chinas heimische Wirtschaft hat die Hitzewelle einen Domino-Effekt ausgelöst, der sich über Monate hinziehen wird. Die angeschlagene Stahlproduktion wird den Bausektor lähmen, und auch die zurückgehende Herstellung von Düngemitteln verschärft die Lage für die Landwirtschaft bis mindestens zur nächsten Erntesaison.

Wie groß der gesamtwirtschaftliche Schaden sein wird, lässt sich bereits vage abschätzen. Ein Richtwert ist der Vergleich zum letzten Jahr, als ebenfalls eine durch Hitze induzierte Stromknappheit laut Ökonomen mindestens einen halben Prozentpunkt vom Jahreswachstum geschröpft hat.

Laut jetzigem Wissensstand geht die Hongkonger Hang Seng Bank davon aus, dass die Folgen diesmal rund dreifach so drastisch ausfallen werden – vorausgesetzt, dass die hohen Temperaturen nicht länger als erwartet anhalten werden. Schon jetzt haben die Behörden haben dieses Jahr rund doppelt so viele Hitzewarnungen ausgegeben wie sonst üblich. Es handelt sich um die schlimmste Hitzewelle seit 60 Jahren.

In Chinas sozialen Medien wird zunehmend intensiv über die Folgen des globalen Klimawandels diskutiert. „Im Norden nehmen die Niederschläge zu und im Süden die Dürre. Beginnt der große Klimawandel?“, fragt etwa ein Nutzer auf der Online-Plattform Weibo. Doch seine Sorge wird erst allmählich vom Mainstream der Gesellschaft geteilt. Bis vor wenigen Jahren nämlich porträtierten die offiziellen Staatsmedien den Klimawandel als höchst abstraktes, in der Ferne liegendes Problem, das nicht den Alltag der Chinesen direkt betrifft – offenbar aus Angst vor Protestbewegungen á la „Fridays for Future“, die vom Zensurapparat vollständig verschwiegen werden.

Dennoch hat sich innerhalb des Staatsapparats in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel vollzogen. Spätestens seit den historischen Rekordfluten von 2021, als auf die zentralchinesische Provinz Henan innerhalb weniger Stunden die Regenmassen eines durchschnittlichen Halbjahres einprasselten, spricht die Regierung ganz offen davon, dass China überproportional von den Folgen des Klimawandels betroffen ist. Seit Jahren arbeiten heimische Stadtplaner an Konzepten, wie sie die Metropolen des Landes an die immer extremere Wetterlagen anpassen können.

Doch die langfristigen Bemühungen wirken dieser Tage wie ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit. Die Hitzewellen werden im Zuge der globalen Erwärmung immer häufiger auftreten und länger andauern, sagte erst kürzlich Chen Lijuan, Chefprognostiker der nationalen Wetterbehörde, der Staatszeitung China Youth Daily“.

Doch es ist nicht nur eine Hitzewelle, die das Land plagt, sondern mehrere, simultane Extremwetterlagen: Während etwa die Lokalregierung der nördlichen Provinz Hebei mit Hilfe von Flugzeugen Silberiodid in den Himmel sprühen lässt, um künstlich Regen auf die ausgetrockneten Felder zu provozieren, sind im Landkreis Datong am Mittwochabend mindestens 17 Menschen von blitzartigen Sturzfluten ums Leben gekommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Auch fossile Kraftwerke laufen nicht ohne Kühlwasser.

  • China braucht keinen Klimawandel, allein die fortschreitende Abholzung an den Nebenflüssen und die Versteppung sorgen schon für verringerten, Niederschlag, schnellen Abfluss im Winter, und Dürre und Niedrigwasser im Sommer

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Gerald Müller:

      Regen in China ist auch davon abhängig, wie die borealen Nadelwälder von Skandinavien bis Sibirien sich weiter entwicklen. Ob die Luftströmungen , die China von Norden her Regen bringen, solchen auch mitbringen, hängt auch vom Umgang mit diesen Wäldern ab. Was die Abholzwirtschaft da anrichtet, ist regenberaubend.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Die Wasserkraftwerke gehören wohl in Zeiten zunehmender Dürre auch zur Kategorie "auslaufend"

    Auch die Norweger haben große Probleme mit den Wasserständen in ihren zahlrichen Wasserkraftwerken. Das kann man sich in dem einst sehr regenreichen Land kaum vorstellen.

    Sonne (PV und Solarthermie) und Windkraft scheinen am ehesten zukunftstauglich.

    Den Chinesen und Norweger traue ich zu, das man hier umsteuert.



    Deutschland wird untergehen weil es nicht anpassungsfähig ist.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Die Norweger haben sich gerade erst entschlossen weiter und mehr fossile Brennstoffe zu fördern. Ich befürchte, dass nur autoritäre Staaten einen Weg aus der Scheiße finden werden, weil sie den kleinlichen Konsumwünschen ihrer Bevölkerung nicht hinterherrennen müssen.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wenn man permanent Mist baut, muss man mit den Konsequenzen leben.