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Foto: Nadia Bseiso

Wassermangel in JordanienSparen wie der Prophet

In Jordanien werden Imame durch Projekte zu Vorbildern beim Wasserverbrauch – von der rituellen Waschung in der Moschee bis zum Gärtnern.

G emeindevorsteher Hussein al-Sarhan steht in Socken auf gefliestem Boden. Er drückt auf die Armatur vor ihm und verreibt das Wasser in seinem Gesicht, zwischen den Fingern, im Nacken und am Ellenbogen.

Der dünne Wasserstrahl stoppt. Nun bleibt Zeit, die Socken auszuziehen und die graue Anzughose hochzukrempeln. Erneut drückt der muslimische Geistliche auf den Hahn, verreibt das Wasser an Knöcheln, Fußsohle und zwischen den Zehen.

Wassersparende Armaturen, die von alleine stoppen, sind in Deutschland bekannt aus öffentlichen Einrichtungen oder Flughäfen. Doch in Jordanien sind sie eine Seltenheit.

Dabei könnte die rituelle Waschung, wie sie der Gemeindevorsteher vorgeführt hat, nach islamischen Regeln ungültig sein, wenn dabei Wasser verschwendet wird. „Verschwendung ist im Islam nicht akzeptiert“, erklärt Imam Hajel Alschra’ah. „Der Islam ermutigt die Menschen immer, Ressourcen im Allgemeinen sinnvoll zu nutzen. Auch der Prophet Mohammed, Friede sei mit ihm, hat Wasser gespart, sogar für die rituelle Waschung.“

Das Projekt

Gefördert durch das European Journalism Centre (EJC) mit Unterstützung der Bill & Melinda Gates Foundation folgt die taz ein Jahr lang dem Wasser. Fünf taz-Korrespondentinnen recherchieren in Lateinamerika, Westasien, Südasien und in Afrika entlang des Nils. Denn vor allem im Globalen Süden gibt es zu wenig oder kein sauberes Wasser. Besonders Frauen müssen jeden Liter über weite Strecken nach Hause tragen. Der Zugang zu Wasser wird mit der Klimakrise verschärft. Immer öfter wird Wasser privatisiert oder steht im Konflikt mit Großprojekten, die Fortschritt bringen sollen. Mehr unter taz.de/wasser

Alschra’ah ist Vorbeter an der Salah-Eddin-Moschee in Mafraq. Das Gebetshaus liegt an einer Zufahrtsstraße zu der Gemeinde Mafraq im Norden Jordaniens, umgeben von sandigem Boden und vereinzelten kargen Grünflächen, auf denen Schafe nach Gräsern suchen.

Die Salah-Eddin-Moschee ist eine „blaue“ Moschee: Hier soll Wasser gespart werden. Zwar sind ihre Fenster und das Minarett schwarz verziert, aber mit deutschen Entwicklungsgeldern wurde sie „blau“ gemacht. In Mafraq hat die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag der Bundesregierung in 28 Moscheen 150 Wasserhähne mit Auto-Stopp installiert. Die Salah-Eddin-Moschee hat auch eine Wasseraufbereitungsanlage für Abwasser und ein vom US-Hilfswerk Mercy Corps gespendetes Auffangbecken für Regenwasser auf dem Dach.

Wasserlektionen in der Freitagspredigt

Knapp die Hälfte des Leitungswassers in Jordanien geht durch kaputte Rohre oder Lecks an Wasserzisternen verloren, wird gestohlen oder kann vom Wasseranbieter nicht in Rechnung gestellt werden, da die Zähler in den Haushalten kaputt oder veraltet sind. Hinzu kommt also übermäßiges Abpumpen des Grundwassers, um den Bedarf zu decken. In den vergangenen vierzig Jahren ist der Grundwasserspiegel im Land durchschnittlich um 50 Meter gesunken – in Mafraq sinkt er jährlich um 5 Meter. Um die Ressourcen zu schonen, liefert der staatliche Wasserversorger nur einmal in der Woche.

Neben der Instandhaltung und Erneuerung von Rohren fließen deutsche Entwicklungsgelder auch in Projekte, die die End­ver­brau­che­r*in­nen einbeziehen. Weil in Jordanien viele Menschen gläubig sind, kam die GIZ auf die Idee, religiöse Was­ser­bot­schaf­te­r*in­nen auszubilden, die den schonenden Umgang mit der knappen Ressource predigen.

Predigerin Ola al-Dschaabari spricht beim Teetrinken mit Frauen über Wasser im Haushalt Foto: Nadia Bseiso

Das Projekt „Wassersparen durch Religion“ lief 2015 an und wurde so gut aufgenommen, dass es bis 2023 verlängert ist. 7,8 Millionen Euro gibt das Entwicklungsministerium dafür aus. Mit dem Geld wurden unter anderem 692 islamische Predigerinnen, sogenannte Waithat, und 1.367 Imame darin ausgebildet, das Thema in ihre Gemeinden zu tragen. Einer von ihnen ist Imam Hajel Alschra’ah.

„Während der Freitagspredigten gibt es nach dem Gebet so etwas wie Lektionen, und alle zwei oder drei Monate spreche ich darin über die Wassersituation in Jordanien“, erläutert er seine Tätigkeit. Ob die Menschen seinen Lektionen auch folgen? „Ich ermutige die Menschen, Wasser zu sparen, aber ich überwache es nicht“, antwortet der Imam. Wer in die Moschee käme, sei schließlich gläubig und daher gehe er davon aus, dass die Menschen seinen Predigten folgten.

Im Schnitt nutzt ein Gläubiger den Hahn in der Moschee dreimal und verbraucht 0,75 Liter bei der rituellen Waschung

Und schließlich lasse auch der Wasserhahn keine Überbeanspruchung mehr zu. „Wenn jemand versucht, ihn zu öffnen, gibt er nur ein Viertel Liter frei.“ Im Schnitt nutzt ein Gläubiger den Hahn dreimal und verbraucht 0,75 Liter Wasser bei der rituellen Waschung.

Der Imam selbst spart Wasser, indem er nur mit einem Eimer duscht, statt das Wasser durch einen Duschkopf fließen zu lassen oder zu warten, bis es warm ist, berichtet er. Damit verbraucht er nur einen halben Eimer, knapp drei Liter. Der Imam möchte Wassersparen nicht nur predigen, sondern ein Vorbild sein und seine Ratschläge selbst befolgen. Einer davon ist, bei der rituellen Waschung die Socken anzulassen: „Ich wasche meine Füße morgens, deshalb brauche ich sie während des Tages nicht noch mal zu waschen. Ich lasse meine Socken an und schrubbe die Füße etwas. Das ist eine Möglichkeit, Wasser zu sparen.“

Das erste Gras sprießt: Wasser der rituellen Waschung wird für den Moschee-Garten genutzt Foto: Nadia Bseiso

Es scheinen belustigende Kleinigkeiten zu sein, aber es gilt das große Ganze zu bedenken. Die Moscheen in der jordanischen Hauptstadt Amman beispielsweise verbrauchen im Jahr 500 Millionen Liter Wasser – für Gebäudereinigung, aber insbesondere für die rituelle Waschung.

Auch Priester predigen über Wasser

„Wir wollten nicht nur das Bewusstsein über Wassermangel stärken, sondern eine Verhaltensänderung erreichen“, sagt Dschumana Alajed, Projektleiterin bei der GIZ. Bei Workshops lernten die Was­ser­bot­schaf­te­r*in­nen auch, wie sie mehr Menschen erreichen. „Sie sollen sich Ziele setzen, wie: Ich möchte in zehn Haushalten in meiner Community helfen, Wasser um 5 oder 10 Prozent einzusparen. Und das sollte dann über die Wasserrechnungen sichtbar werden.“ Eine Nonne beispielsweise arbeite daran, ein Altenheim für Nonnen wassersparend zu machen.

Nach offiziellen Statistiken ist 95 Prozent der jordanischen Bevölkerung muslimisch, es leben auch andere Religionsangehörige in dem Land. Daher hat die GIZ auch 491 christliche Geistliche und 55 Nonnen ausgebildet, um das Thema Wassersparen in die Kirchen zu bringen. Zunächst erstellten im Jahr 2017 sechs Priester ein Buch darüber, wie Wasser in der Bibel thematisiert wird. Dann trainierten sie in 24 Workshops Priester und Nonnen, wie sie mit ihren Mitmenschen und bei den Predigten Menschen zum Wassersparen bewegen.

Es sind Männer, die in den religiösen Häusern vorbeten. Und es sind vor allem Männer, die in die Moschee gehen, während Frauen aufgrund des Haushalts und der Kinder oft lieber im Haus beten. Hingegen sind Frauen in Jordanien mehr vom Wassermangel betroffen. Nicht nur, weil sie menstruieren oder wenn sie schwanger sind.

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„Frauen leiden mehr unter der Knappheit, weil sie normalerweise für die Hausarbeit verantwortlich sind. Wenn es kein Wasser gibt, dann können sie nicht ihre Aufgaben erfüllen, nicht putzen oder waschen“, erklärt die islamische Predigerin Ola al-Dschaabari. Sie ist 43 Jahre, hat drei Kinder, schreibt an ihrer Doktorarbeit in Islamischen Studien und macht als Religionsgelehrte Hausbesuche.

Als religiöse Autorität im konservativen Jordanien hat al-Dschaabari einen guten Zugang zur Nachbarschaft, verbringt viel Zeit bei Kaffee, Tee und Plausch in den Familien. „Die Leute sind generell gläubig und fragen nach religiösen Wegweisungen. Ich erkläre ihnen, wie sie ihre familiären Beziehungen festigen oder Probleme mit religiöser Hilfe angehen können. Sie vertrauen mir und hören geduldig zu.“

Den besonderen Draht zu den Frauen nutzt sie nun, um über Wasser zu sprechen und Tipps zu geben, wie sie mit geringen Mengen haushalten können. Beispielsweise, das kalte Wasser, dass als Erstes aus der Dusche läuft, mit einem Eimer aufzufangen und zum Putzen zu verwenden. Sie hilft ihnen, Durchlaufregler in die Wasserhähne zu setzen: Der netzartige Einsatz durchmischt den Strahl mit Luft und verringert so den Verbrauch. „Ich mag auch die Idee, im Winter Regenwasser aufzufangen und zum Blumengießen zu verwenden.“

Ich glaube an die Lehren des Islam, moderat zu leben und moderat Wasser zu nutzen

Imam Hajel Alschra’ah

Das Prinzip, für die Bewässerung nicht auf Trinkwasser aus dem Wasserhahn zurückzugreifen, kennt die Religionsgelehrte aus der Moschee. Aus dem Waschraum läuft das Wasser in zwei Aufbereitungsbecken, in denen es gesäubert wird. Aus Hygienegründen nutzt die Gemeinde das gereinigte Abwasser nicht erneut zur heiligen Waschung. Schwarze Schläuche schlängeln sich von der Anlage durch den Park zwischen der Moschee und dem Haus des Imams. Durch ihre Löcher bewässert das aufbereitete Wasser neu gepflanzte Bäume, erstes Gras bahnt sich seinen Weg durch den Sandboden.

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Dort steht der 54-jährige Gemeindevorsteher Hussein al-Sarhan nach dem Gebet in der Moschee. Das Projekt sei ein Erfolg, sagt er, während im Hintergrund Kinder toben. „Die Kinder haben eine gute Zeit, sie kommen gerne zur Moschee und spielen hier.“

Damit der öffentliche Platz besser genutzt werden kann, hat die GIZ der Moschee einen Spielplatz spendiert, mit Rutsche, vier Schaukeln, Klettergerüst und einer Wippe. Dem Imam wird das Projekt deshalb fast schon zu gut angenommen: Da sein Haus neben dem Spielplatz an der Moschee liegt, sei es ihm inzwischen manchmal zu laut. Aber sein Fazit ist positiv: „Ich glaube an die Lehren des Islam, moderat zu leben und moderat Wasser zu nutzen.“

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