Wasser und Kunst: Wettkampfloses Kräftemessen
In Klaus Rinkes Performances der 1960er und 1970er Jahre, derzeit zu sehen in der Berliner „Fahrbereitschaft“, tritt der Mensch gegen die Natur an.
![Ein Eimer und eine alte Luftmatratze hängen in einer Ausstellung. An der Seite läuft ein Video an einer Wand. Ein Eimer und eine alte Luftmatratze hängen in einer Ausstellung. An der Seite läuft ein Video an einer Wand.](https://taz.de/picture/5571160/14/Klaus-Rinke-1.jpeg)
Bei manchen Sätzen muss Klaus Rinke über sich selbst schmunzeln. Etwa wenn er, wie angeblich auch schon Julius Caesar, großspurig in dritter Person von sich selbst spricht: „Ich glaube an Klaus Rinke, solange ich lebe“, sagte er etwa bei der Eröffnung der eigenen Ausstellung „Wasserwerk Rinke“ in der Fahrbereitschaft. Was manchen als eitle Selbstdarstellung missfällt, ist bei Rinke Teil des künstlerischen Konzepts.
Ohne den ständigen Bezug auf die eigene Person und ihre Geschichte kommt sein Werk kaum aus: 1939 wird er in Wattenscheid als Sohn eines Eisenbahners und einer Verkäuferin geboren. Rinke erzählt von den Bahnschienen, an denen er aufwuchs, und von den leuchtenden Bahnhofsuhren, die für ihn wie Monde waren. Die proletarische Herkunft, die Allgegenwärtigkeit schwerer, manueller Tätigkeit und die zeitlich getaktete Arbeit prägen auch die Ausstellung in der Fahrbereitschaft.
Rinke gilt als Universalkünstler, arbeitete mit Malerei, Zeichnung, Fotografie, Film, war Professor für Bildhauerei in Düsseldorf und gehörte neben Sigmar Polke oder Joseph Beuys zu den Identifikationsfiguren der westdeutschen Nachkriegskunst.
Die Objekte der Ausstellung im Berliner Stadtteil Lichtenberg dokumentieren vor allem seine Performances und Aktionen der 1960er und 70er Jahre, die sich mit Wasser beschäftigen. So wird auch ein WDR-Bericht von „Zwölf Fass geschöpftes Rheinwasser“ gezeigt, womit Rinke 1969 international bekannt wurde. In den Aufnahmen rackert sich der breitgebaute Rinke am Rheinstrom ab und schöpft mit schwerer Kelle an zwölf Stellen jeweils 60 Liter Wasser aus dem Fluss.
Klaus Rinke: „Wasserwerk Rinke“, Fahrbereitschaft in der Haubrok Foundation, bis 26. 6.
Raum, Masse, Schwerkraft
Eine Ursprünglichkeit des Wassers, die Beziehung von Körper, Zeit, Raum, Masse und Schwerkraft interessierten ihn damals. Heute provoziert sein Werk mit einer ungewöhnlichen Stellung des Künstlers zur Natur.
Während bis in die 1990er Jahre der Topos der Naturbeherrschung dominierte und die Annahme galt, dass die Menschheit durch gesteigerte Produktivität ihrer Natürlichkeit, ihrer Abhängigkeit von Lebensmitteln, Jahreszeiten und ihrer natürlichen Umgebung entfliehen könnte, herrscht heute eine dem entgegengesetzte Wahrnehmung. Das Bewusstsein für die Erderwärmung und die Endlichkeit natürlicher Ressourcen haben zu einer demütigen Haltung motiviert.
Statt in der Beherrschung der Natur glaubt die Menschheit nun in der Unterwerfung gegenüber ihr einen Ausweg aus dem Konflikt mit ihr zu finden. (Selbst-)Begrenzung des Menschen scheint das Gebot der Stunde. Weitestgehend unbemerkt ist die vorherrschende Ansicht so vom einen ins andere Extrem umgeschlagen – ohne dass sich der grundsätzliche Kampf von Mensch und Natur gelöst hätte.
Schnee im Schwarzwald
Bei Rinke gestaltet sich das Verhältnis anders. Die Kräfte des Wassers sind in seinen Arbeiten etwas, dem die menschliche Technik nicht unterlegen ist: Ein Video der Aktion „Eine Stunde kreative Dienstleistung = 4000 Liter Schmelzwasser“ aus dem Jahr 1979 zeigt ihn im Schwarzwald, wie er exakt eine Stunde lang Schnee in Tonnen schaufelt, um es anschließend mit Feuer in Wasser zu verwandeln.
Demgegenüber hängen Fotografien vom Meer, die hier eingefasst sind in zusammengeschweißte Rahmen aus grobem Metall. In seiner Arbeit „Ein Fass geschöpftes Mittelmeer“ lässt sich durch eine Plexiglashülle die Aggressivität von Salzwasser beobachten, das sein ursprüngliches Behältnis, ein Stahlfass, Stück für Stück zersetzt.
An der Wand des Ausstellungsraumes hängt sein überdimensionaler „Begehbarer Wassersack“, der schon durch seine schwerfällige, industrielle Erscheinung die Fähigkeit verkörpert, ganze Massen von Wasser in sich aufzunehmen. Eine Installationsarbeit namens „Kulturpeitsche“ (1984) auf dem Außengelände lässt Wasser aus einem Hydranten durch ein kurzes Schlauchstück in die Lüfte spritzen und zeigt die Naturgewalt dabei gleichzeitig ungezähmt wie auch durch den Menschen geformt.
Ausgestellt sind außerdem zahlreiche metallene Eimer und Tonnen, die Rinke in seiner Arbeit mit dem Wasser unterstützten, sowie die schwere Kelle, mit der er das Rheinwasser schöpfte.
Kräftemessen mit der Natur
Sein Werk gemahnt an ein utopisches Potenzial: In seinen Wasser-Aktionen tritt der Mensch gegen die Natur an, ohne sie zu beherrschen oder sich ihrem Rhythmus zu ergeben. Das Kräftemessen kennt keinen Verlierer. Statt einander „im Einklang“ gleich zu werden, bleiben sie unterschiedlich, dissonant und trotzdem versöhnlich.
Rinkes Kunst beugt sich nicht den realistischen Fragestellungen, die sich um den Umgang mit Klima und Natur im Zeitalter von Hochindustrialisierung und Klimawandel drehen. Genau durch diese Weigerung erfüllt Kunst die ihr eigene Möglichkeit und lenkt den Blick auf utopische Alternativen.
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