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Was Prism gezeigt hatDie Kolonie heißt Europa

Europa ist unfähig den Rechtsstaat gegen die US-Paranoia zu verteidigen. Und gerade Deutschland weigert sich, seine weltpolitische Rolle einzunehmen.

I'm coming for YOU! Bild: dpa
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Es ist 2013. Die Tagträume von damals: verpufft. Europa: doppelt gedemütigt. Die Affäre um Prism hat vieles gezeigt, vor allem aber auch, wer Europa regiert. Die wohlmeinende Supermacht jenseits des Atlantiks. Ihr soll es schon mal vergönnt sein, ein paar Gesetze zu brechen, um angeblichem oder wirklichem Terrorismus in Europa und in der ganzen westlichen Welt zuvorzukommen. Die Briten und Franzosen machten es vergleichbar und spähten die europäischen Vertragspartner aus, wobei die USA aber die Führungsrolle spielten.

Europa hat sich als unfähig erwiesen, die Idee des Rechtsstaats – vielbeschworener Markenkern des Kontinents – gegen angelsächsische und heimische Paranoia zu verteidigen. Das lange thematisierte Problem einer fehlenden gemeinsamen europäischen Außenpolitik hat damit eine neue Dimension erreicht. Das europäische Hinterherhinken im Bereich der Digitalwirtschaft erzeugt bedenkliche politische Abhängigkeit. Europa ist zur digitalen Kolonie geworden.

Wären Facebook und Google europäisch, wäre es nicht auf diese Weise zum NSA-Skandal gekommen. Es gibt europaweit keine vergleichbaren Gesetze wie FISA, den Foreign Intelligence Surveillance Act, der US-Unternehmen verpflichtet, prinzipiell jede internationale Kommunikation weiterzureichen. Zudem haben amerikanische Behörden die Möglichkeit, dort beheimatete Unternehmen wie Google und Facebook direkt und außerhalb des gesetzlichen Rahmens unter Druck zu setzen.

Grund zur Hoffnung auf Abschwächung des Digital-Imperialismus besteht nicht. Die Austeritätspolitik der Eurokrise wird den bereits bestehenden technologischen und wissenschaftlichen Rückstand gegenüber den USA verschärfen. Und gerade Deutschland blamiert sich dabei.

arbeitet als freier Journalist und lehrte zuletzt Internettheorie an der Universität in Mexiko-Stadt. Zu diesem Thema gibt er im Frühjahr 2014 eine Essaysammlung heraus.

Kaum verwunderlich, dass den angelsächsischen Diskurs derzeit ein neues Modethema beschäftigt: Die Unfähigkeit Europas, seine weltpolitische Rolle wahrzunehmen. Dabei sind die Augen vor allem auf Deutschland gerichtet. Der britische Historiker Timothy Garton Ash spricht in einem Aufsatz in der aktuellen New York Review of Books von einer „Neuen Deutschen Frage“, die in der mangelnden Führung des Lands innerhalb Europas bestehe.

Provinzialismus und Hinterzimmerpolitik

Der Economist nannte Deutschland im Juni einen „Hegemon wider Willen“ und kritisierte die deutsche Unfähigkeit, eine nachhaltige politische Strategie für den Kontinent zu entwickeln. Schon der Begriff des „Führers“, psychologisierte Zanny Minton Beddoes, Autorin des Artikels, sei in Deutschland ausschließlich negativ besetzt. Trivial, richtig und vielleicht auch gut so.

Die Frage ist nur, ob ostentativer Provinzialismus und Hinterzimmerpolitik – beides heimische Königsdisziplinen der Nachkriegszeit – wirklich Alternativen zu unfundiertem Größenwahn darstellen. Jemand wie Finanzminister Schäuble, einer der Köpfe der europäischen Austeritätspolitik, weist seine Verantwortung von sich, indem er tiefstapelt, er sei „nicht die Obertroika“.

Ganz ähnlich macht das Merkel im Fall Prism, wenn sie sagt, es sei „nicht ihre Aufgabe, sich in Details einzuarbeiten“. Schlimmer ist die Weigerung, gerade deutsche historische Realitäten anzuerkennen, nur bei Exinnenminister Schily, der die Furcht vor staatlicher Überwachung als „paranoid“ bezeichnet. Die Geschichte wird von heimischen Funktionseliten so erfolgreich verdrängt, dass das Land führungslos dazustehen scheint.

Das sind größtenteils rhetorische Probleme und daher weitgehend Geschmacksfragen. De facto weiß sich Deutschland aber seine Pfründen zu sichern. Gerade weil es nicht ausschließlich mit Europa verwoben ist. Im Unterschied zu anderen Euro-Ländern lebt es auch von Exporten in Nicht-Euro-Staaten wie China und in die USA. Unter anderem profitiert es vom niedrigen Eurokurs. Deutschland ist Werkstatt der Weltmächte – eine fragwürdige Position für eines der am höchsten entwickelten Länder der Erde. Zumal diese Position durch Lohndumping erkauft ist.

Es gibt momentan nur ein Land in Europa mit mehr Geringverdienern: das winzige Litauen – so trostlos, dass es 2012 die höchste Suizidrate der Welt aufzuweisen hatte. Fakt ist: Deutschlands Reichtum fußt auf billigen Arbeitskräften, die für das Digitalzeitalter nicht eben wahnsinnig innovative Produkte herstellen: Autos und Maschinen. Um trotz annähernder Vollbeschäftigung die Löhne weiter unten zu halten, wirbt die heimische Industrie nun um „Fachkräfte“ aus anderen Euroländern: Unter anderem durch deutsche Sparpolitik perspektivenlos gewordene Mittelschichtler aus Spanien, Portugal, Griechenland, Italien.

Keine nachhaltige Strategie

Das ist Wirtschaftsimperialismus, wie er im Buche steht, aber keine nachhaltige Strategie. Zu Recht weist Ash in der New York Review of Books darauf hin, dass die Forschung innerhalb der Eurozone international hinterherhinke. Es gebe „keine Weltklasse-Universität wie Oxford oder Stanford“. Dass es auch kein Silicon Valley in Europa gibt – und damit kaum bedeutende europäische Digitalprodukte –, dies war unter anderem eine der Voraussetzungen für die Prism-Demütigung. Facebook und Google sind wegen ihrer Monopolstellung Instrumente US-amerikanischer Herrschaft.

Die EU-Länder planten schon 2000, bis 2010 drei Prozent ihres Brutto-Inlands-Produkt (BIP) in Forschung und Entwicklung zu investieren. Im gesamten Euroraum stagnieren die entsprechenden Ausgaben seit 2009 bei etwa Gross_domestic_expenditure_on_R%26D,_2000-2010_%28%25_share_of_GDP%29.png&filetimestamp=20121016060906:zwei Prozent. Deutschland, angebliche Führungsmacht, liegt mit seinen 2,3 Prozent Forschungs- und Entwicklungsausgaben nur knapp darüber. Japan und die USA gaben dagegen 2011 2,7 Prozent (USA) und 3,7 Prozent (Japan) ihres BIP für Forschung aus. Die Sparpolitik in der Eurokrise wird diesen Rückstand noch verschärfen.

Wenn sich Deutschland ausschließlich nach den kurzfristigen Interessen seiner produzierenden Industrie richtet, kann es dem politischen und technologischen Niedergang Europas auf Dauer nichts entgegensetzen. Andererseits würde eine andersgeartete Führungsrolle in Europa voraussetzen, dass nachhaltige politische Ökonomie diskutiert wird.

Dies wird kaum möglich sein, ohne von jenen historischen deutschen Erfahrungen zu profitieren, die über den Kapitalismus hinausgehen, deren Verdrängung schwerer wiegt, als dass es nun keinen „Führer“ gibt: sprich die deutschen Phänomene Karl Marx, Münchner Räterepublik, DDR. Im Informations-Kapitalismus jedenfalls kann der Autoverkäufer höchstens eine Kolonie darstellen.

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24 Kommentare

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  • M
    MaterialismusAlter

    Der Antiamerikanismus dieses Kommentars findet sich auch so bei der NPD: Deutschland muss wieder eine weltpolitische Größe werden, die bösen Angelsachsen haben "uns" kolonialisiert, treten das arme deutsche Volk mit Füßen und die korrupten Eliten helfen ihnen auch noch dabei. Amerika wird sein Imperialismus zum Vorwurf gemacht - und dabei natürlich impliziert andere Staaten seien nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten genauso imperialistisch. Eine moralisierende, nationalistisch motivierte Pseudokritik, die nichts verstanden hat.

     

    Das einzige was in Reaktion auf die - korrekte - Beobachtung, dass Nationalstaaten imperialistische Politik machen erfolgt, ist dann auch eine umfassende Affirmation dieser blödsinnigen Logik der internationalen Staatenkonkurrenz, an der den Kommentator wohl nur stört, dass sein geliebtes Deutschland nicht ganz vorne mitspielen darf (denn dann wäre alles besser): Mit Deutschland an der Spitze soll in einer neuen Blockkonfrontation Europa den bösen Angelsachsen Paroli bieten. Welches Problem gelöst werden soll, wenn ein anderer kapitalistischer Riesenstaat die weltpolitische Rolle der USA einnimmt, wie es sich der Autor des Kommentars zu wünschen scheint, bleibt sein Geheimnis. Er ist offenbar der Auffassung am europäischen Wesen solle die Welt genesen.

     

     

     

    Der Kommentar zeigt, dass Antiamerikanismus und ein mangelndes Verständnis der sytemischen Zwänge denen im Kapitalismus alle Akteure - auch und gerade Staaten - unterliegen, die Krankheiten dessen sind, was sich in der BRD völlig zu Unrecht eine "Linke" nennt.

     

    Karl Marx, den der Kommentator fürs liebe Vaterland zwangsrekrutiert, würde sich über diesen Beitrag totlachen.

    • @MaterialismusAlter:

      Wenn sich "Antiamerikanismus" auch bei der NPD findet, heißt das doch noch lange nicht, dass er unbegründet ist.

       

       

       

      Hätten Sie den Artikel ohne ideologische Brille gelesen, hätten Sie ihn vielleicht sogar verstehen und richtig einordnen können.

      • M
        MaterialismusAlter
        @Rainer B.:

        Tatsächlich ist es kein Argument gegen Antiamerikanismus, dass die NPD antiamerikanisch ist, soweit haben sie Recht.

         

        Ein Argument gegen Antiamerikanismus ist hingegen, dass er eine Pseudokritik ist, der letztlich die Verhältnisse reproduziert, die er zu kritisieren vorgibt. Er speist sich aus einer völkischen und (euro-)nationalistischen Weltsicht und einer antiaufklärerischen Ablehnung von Modernität sowie aus einer ressentimentgeladenen Áblehnung der mit ihr einhergehenden Abstraktheit gesellschaftlicher Beziehungen.

         

        Die Sprachbilder die vom Autoren dieses Kommentars gewählt wurden, sind typische Manifestationen dieses Ressentiments, denen letztlich die nationalistische Denkweise zugrunde liegt, dass nur das "falsche" Land die Vorreiterrolle übernimmt und deshalb ein anderes Land (Deutschland/"das alte Europa") gestärkt muss. Eine Kritik wäre, die Sachzwänge und Handlungsrationalitäten in diesem Irsinn zu analysieren und nach ihren Gründen zu fragen (und ich behaupte nicht, diese im Einzelnen alle zu kennen). Der Autor dieses Kommentars kommt nicht einmal in die Nähe dieser Leistung, sondern plappert Stammtischparolen vom "Yankee-Imperialismus" nach.

         

        Zum Thema "ideologische Brille": Die Ideologie selbst keine Ideologie zu haben - der Sie offenkundig anhängen - ist eine der gefährlichsten Ideologien.

        • @MaterialismusAlter:

          Ausgangspunkt des Artikels ist Prism und die uneingeschränkte Datenhoheit der Amerikaner.

           

          Wie kann es denn sein, dass ein hochtechnisiertes Land wie Deutschland am Ausbau, an der Strukturierung und an der Administration des Internets praktisch nicht beteiligt ist?

           

           

           

          Die Ursachen für dieses Phänomen finden sich unmittelbar in der Nachkriegsgeschichte. Die Nutzung amerikanischer Dienste wurde zu DDR-Zeiten von fast allen hier kritiklos begrüßt, entpuppt sich aber heute als trojanisches Pferd. Soweit dürfte wohl auch Einigkeit herrschen.

           

           

           

          Was nun? Weiter so? Kopf in den Sand? Es ist leider nur eine Illusion, die deutsche Politik könnte sich langfristig aus diesem Konflikt heraushalten, indem sie weiterhin auf eine eigenständige Netzpolitik verzichtet.

           

           

           

          Dankbar nehme ich deshalb hier das Stöckchen der "ideologischen Brille" auf, dass Sie - völlig zurecht - zurückgebracht haben. Politiklosigkeit ist in der Tat "eine der gefährlichsten Ideologien."

  • M
    Marc

    "Und gerade Deutschland weigert sich, seine weltpolitische Rolle einzunehmen."

     

     

     

    Deutschland hat keine weltpolitische Rolle!

    • @Marc:

      Militärisch spielt Deutschland keine weltpolitische Rolle - und das ist auch gut so.

       

       

       

      Wirtschaftlich sieht die Sache aber ganz anders aus. Deutschland teilt sich im Wechsel mit China jeweils den Exportweltmeistertitel. Bei den Rüstungsexporten nimmt es Platz drei(!)in der Welt ein.

       

       

       

      Wirtschaftlich ein Riese, politisch ein Zwerg. Dieses Missverhältnis erzeugt im Ausland nicht zu unrecht auch Misstrauen. Man sieht darin einen späten Sieg der Nazis, die die Köpfe der deutschen Politiker bis heute negativ blockieren konnten.

       

       

       

      Dabei würden sich viele Länder durchaus eine eigenständigere Rolle deutscher Politik in der Welt wünschen.

  • KW
    Klare Worte, danke!

    Hilfe, wir werden amerikanisiert!

  • V
    Vincent

    Schön ziemlich abenteuerlich, hier die marxistische DDR anzubringen zu wollen mit ihrer Stasi-Totalüberwachung, Innovation auf Trabi-Niveau, massiver Fehlallokierung von Resourcen und zum Himmel stinkender Umweltverschmutzung.

  • RW
    Rainer Winters

    Deutschland ist wieder souverän - seit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag 1991.

     

     

     

    Unsere Regierung krankt daran, dies nicht zu erkennen und dementsprechend zu handeln.

     

     

     

    Die Krankheit heißt Cholera (Symptome Verwirrtheit und Koma), und sie umgibt die Partei und seine Wähler so sehr mit einem Dunst, dass beide unzurechnungsfähig wurden: CDU halt

     

     

     

    C - holera

     

    D - unst

     

    U - nzurechnungsfähig

  • @ Nordlicht

     

    @ Himmelfahrt

     

     

     

    Kaum traut sich mal jemand nach der "nachhaltigen politischen Strategie für den Kontinent" zu fragen, wird er hier des "Nationalismus" verdächtigt. Das erspart schon mal die Antwort. Ach wie einfach kann die Welt doch sein, wenn man nur noch seinen Reflexen nachgibt.

     

     

     

    Dabei ist diese Politiklosigkeit der Regierung Merkel doch völlig inakzeptabel. Man sehnt sich ja geradezu zurück nach Leuten wie Hans-Dietrich Genscher [nein, ich bin gewiss kein Freund der FDP], die wenigstens eine Vorstellung von Deutscher Politik entwickeln und glaubhaft vertreten konnten.

     

     

     

    Wo muss denn hier überhaupt eine geistige "Führerschaft" befürchtet werden und was wäre daran eigentlich so verwerflich?

     

     

     

    Merkels Attitüde: 'Nee, ick mache lieba keene Politik, dann kann mir och keener', führt im Ergebnis dazu, dass unsere staatlich verordneten "Freunde" mit uns machen, was sie wollen, wie sie wollen und wo sie wollen. Wir stehen nur fassungslos und mit offenem Mund daneben und müssen dann feststellen - irgendwie "alternativlos" das Ganze.

     

    Gute Nacht, Deutschland!

  • J
    jojo

    hätte nicht gedacht, so einen üblen artikel in der taz lesen zu müssen.

     

    von deutschem führungsanspruch träumend .. ja ganz prima.

     

    darauf kann ich gerne verzichten.

  • Wir sind doch nur deshalb von Google und Facebook so abhängig, weil dem Boykott der beiden immer schon ein Geschmäckle von Antiamerikanismus unterstellt wurde. "Was? Du bist nicht bei facebook? Dann fandest du bestimmt auch die Anschläge von 9/11 toll!"

     

     

     

    Das Problem liegt auch nicht darin, wieviel Geld ausgegeben wird, sondern wofür. Und hier ist Deutschland eben sehr konservativ, während Japan, China und die USA doch deutlich innovationsfreundlicher ist. Die vielbeschworene "German Angst vor Neuerungen" hat dabei sicherlich einen wahren Kern - wer außer den Japanern könnte zum Beispiel schon auf die seltsame Idee kommen, eine Computerstimme zum Popstar zu machen, mit eigenem prominenten Kanal bei Nico-dō und weltweitem Marketing (bzw selbst als prominenter Werbeträger für Toyota)...

     

     

     

    Und wo wir schon dabei sind: All diese Länder haben sehr lebendige Metropolen, die der Kern eines innovativen Webs sind: Im Vergleich ist Berlin dann doch tiefste Provinz - so provinziell, dass man sich sogar über Schwaben aufregt. Und verglichen mit Berlin sind Paris und London in den letzten Jahren ihrerseits zur Provinz verkommen. DIE Idee für das Web2.1 wird aber nunmal nicht in Freising geboren...

    • @s10n:

      Ich habe vergangenes Jahr mein Facebook Account gelöscht und niemand hat mich deshalb kritisiert. Schon meine Oma sagte mir als Zehnjähriger "die Deutschen sind ein großes Volk, aber Gott bewahre uns vor ihren Stiefeln". Wegen solcher oder ähnlicher Ressentiments will niemand wirklich eine deutsche Führung, zumal man mit einer solchen in den letzten 100 Jahren keine wirklich guten Erfahrungen gemacht hat. Die amerikanische Innovationskraft beruht auf ihre Einwanderung: Dort treffen sich begabte Menschen aus allen Teilen der Welt und unterschiedlicher Schulen und es entsteht in den entsprechenden Zentren der Ost- und Westküste eine beispiellose kreative Synergie. Da hat Deutschland und Europa einen riesigen Nachholbedarf.Wir sind eine ethnisch gemischte Familie mit Kindern und leben seit Jahrzehnten in Deutschland. Das erste volljährige Kind lebt mittlerweile in Californien...

  • Wir sind doch nur deshalb von Google und Facebook so abhängig, weil dem Boykott der beiden immer schon ein Geschmäckle von Antiamerikanismus unterstellt wurde. "Was? Du bist nicht bei facebook? Dann fandest du bestimmt auch die Anschläge von 9/11 toll!"

     

     

     

    Das Problem liegt auch nicht darin, wieviel Geld ausgegeben wird, sondern wofür. Und hier ist Deutschland eben sehr konservativ, während Japan, China und die USA doch deutlich innovationsfreundlicher ist. Die vielbeschworene "German Angst vor Neuerungen" hat dabei sicherlich einen wahren Kern - wer außer den Japanern könnte zum Beispiel schon auf die seltsame Idee kommen, eine Computerstimme zum Popstar zu machen, mit eigenem prominenten Kanal bei Nico-dō und weltweitem Marketing (bzw selbst als prominenter Werbeträger für Toyota)...

     

     

     

    Und wo wir schon dabei sind: All diese Länder haben sehr lebendige Metropolen, die der Kern eines innovativen Webs sind: Im Vergleich ist Berlin dann doch tiefste Provinz - so provinziell, dass man sich sogar über Schwaben aufregt. Und verglichen mit Berlin sind Paris und London in den letzten Jahren ihrerseits zur Provinz verkommen. DIE Idee für das Web2.1 wird aber nunmal nicht in Freising geboren...

  • O
    otto8

    Nationalistische Ressentiments & technologische Aufrüstungsforderungen in der taz - wer hätte gedacht, dass es jemals so weit kommen könnte. Aber beim Antiamerikanismus geben sich rechts und links eben gerne die Hand.

     

     

     

    Klar, Prism hätte im Land, das die Rasterfahndung erfand, niemals passieren können. Karl Marx ist ein "deutsches Phänomen", das dem "angelsächsischen Diskurs" zutiefst fremd bleiben muss. Wir sind schon qua Geburt auf der richtigen Seite.

     

     

     

    Neoliberalismus, Klimawandel, Überwachungsstaat - alles US-amerikanische Erfindungen, bei denen ein imperialer Führungsstaat aus Übersee uns ärmliche, unsouveräne Nationen zum Mitläufertum gezwungen hat. Dann wissen wir ja schon, wie wir uns später werden rausreden können - genauso wie Opa das auch erfolgreich gemacht hat.

    • @otto8:

      Super, Sie sprechen mir aus dem Herzen!

  • N
    Nordlicht

    Ach du liebe Güte. In der taz einmal von der Sehnsucht nach deutscher Führung lesen zu müssen, hätte ich mir nicht träumen lassen. Wann kommt der Ruf nach dem starken Mann, der (Daten-)Autobahnen für den Sieg baut? Nix, aber auch nix gelernt die letzten fuffzich Jahre. Schon mal drüber nachgedacht, dass demokratisches Zusammenleben ganz prima ohne Führer- oder Herrschaft funktionieren kann?

  • Der Terrorismus, vor dem die USA meinen, sich schützen zu müssen, ist ein Resultat ihrer rücksichtslosen Außenpolitik.

     

    Leave me alone, US.

    • M
      MaterialismusAlter
      @vic:

      Danke für dieses Paradebeispiel von primitivem Antiamerikanismus.

       

       

       

      Die Konkursmasse der deutschen Linken hat sich aus den 70ern eigentlich nur ihre Ressentiments und Feindbilder gerettet. Die Fähigkeit, kapitalistische Verhältnisse zu analysieren blieb irgendwo auf der Strecke.

       

      Naja, egal: Solange man sich noch moralisch überlegen fühlen kann, wenn man sich mit jedem "unterdrückten Volk", wie dieser Artikel hier beweist auch gerne mal dem eigenen, solidarisch erklären kann, braucht's keine komplizierten Analysen. Hauptsache für "das Volk" und gegen die USA.

  • H
    Himmelfahrt

    Ein absonderlich zusammengewürfeltes Pamphlet, aus Gedankensprüngen und scheinbaren Argumenten.

     

    Was bitte ist fundierter Größenwahn?

     

    Wen demütigt Prism? Sicherlich nur Nationalisten.

     

    Thumfahrt eiert hier sehr hin und her mit so Gegenaspekten. Eigentlich geht es aber um die bessere innovative Führungsrolle Deutschlands in der Welt, und zwar als Hegemon der selbst führen will.

     

    Wozu?

     

    Ist das die Position Trittins?

     

    Deutsche Autohändler kolonialisieren eher die verlängerte Werkbank Slowenien und Tschechien.

     

    Das ist also die scheinkritische Version von Thumfahrt, einem Vertreter der "Ideengeschichte des frühneuzeitlichen Kolonialismus".

     

     

     

    Diese nationalistische Stimmungsmache bitte löschen.

     

    Geheimdienste sind alles Killer und Verbrecher. Egal ob BND oder der Indonesien.

     

    Alle diese Stories von nine-eleven und dem geraubten Gold unter den WTC und die NATO-Geheimarmeen in Europa werden v.a. nationalrevolutionär und nationalbolschewistisch verwendet.

     

    Wenn Sie diesen Ansatz zu Ende denken, ein antikolonialer Befreiungskampf gegen die USA, dann können Sie auch gleich mit der rechten Szene andocken.

  • F
    Fritz

    Man kann eine gemeinsame Politik auch als "Primus inter paris" gestalten. Allerdings benötigt es dafür ein gewisses

     

    Mindestniveau bei der politischen Führung. Europas Regierungen sind aber - im besten Fall - durch kleingeistigen Provinzialismus (Merkel, Cameron, Rahoj etc. )

     

    zu beschreiben.

  • Einer der besten Artikel seit langem!

     

    Man hat sich in Deutschland leider daran gewöhnt, auf Politik zu verzichten und stattdessen "die Wirtschaft" machen zu lassen. Das war schon vor 40 Jahren kein Zukunftskonzept mehr.

     

     

     

    Die Diskussion über die weltpolitische Rolle Deutschlands ist längst überfällig, wird aber von ebendieser "Wirtschaft" permanent verhindert, die daran kein Interesse hat und die kein Problem damit hat, immer neue Krisen zu produzieren, aus denen sie sich dann zum vermeintlichen Heilsbringer aufschwingen kann.

     

     

     

    Zurück bleibt von diesem zweifelhaften Heil jeweils ein Klima der Angst, der Unmündigkeit, der zunehmenden Rechtlosigkeit, der verpassten Chancen und der finanziellen Verwahrlosung. Die Hegemonie der "Freunde jenseits des Atlantiks" nimmt "die Wirtschaft" dabei gern in Kauf,- solange die Geschäfte nur gut laufen.

  • Y
    Yuppiedeadhead

    Sehr gut. Endlich ein Bericht der anfängt, den Prism-Skandal richtig einzuordnen. @Yuppiedeadhead