piwik no script img

Was Klaus Ernst von Vendola lernen kannWahlkampfhilfe vom Italiener

In Kreuzberg suchten Klaus Ernst und Nichi Vendola, Präsident der süditalienischen Region Apulien, linke Antworten auf die Krise. Fazit: Die Italiener sind weiter.

Vendola (l.) ist ein entzückend lispelnder Abräumer, ein Politstar, dessen Charme und Natürlichkeit man sich nur schwer entziehen kann. Bild: dapd

Das von Erich Mendelsohn 1929 entworfene Haus des deutschen Metallarbeiterverbandes, heute im Besitz der IG Metall, ist ein Klassiker der Moderne: Klar, licht, elegant - und zumindest im Obergeschoss so unerträglich heiß und stickig wie der Urahn aller Avantgardearchitektur, das Bauhaus in Dessau. Im Mendelsohn-Bau treffen sich Anspruch und Wirklichkeit dessen, was links, was revolutionär hieß, was die Armen nicht aus dem Blick verlieren will, ja ihnen zu Glanzzeiten sogar die Aufgabe der Welterlösung zutraute.

Ein wirklich guter Ort also für die Begegnung zweier linker Personen, Parteien und Kulturen, für die Analyse von Anspruch und Wirklichkeit linker Lösungsvorschläge in Zeiten der globalen Krise. Am Sonntagabend trafen hier aufeinander Klaus Ernst, Parteichef der Linken und Nichi Vendola, Präsident der süditalienischen Region Apulien, Vorsitzender des Parteienbündnisses Sinistra, Ecologia, Libertà (Linke, Ökologie, Freiheit, SEL). Aber Vendola (geb. 1958) ist mehr; ist studierter Philosoph, bekennender Schwuler und Katholik und saß im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Italiens.

Vendola ist ein entzückend lispelnder Abräumer, ein Politstar, dessen Charme und Natürlichkeit man sich nur schwer entziehen kann. Und last not least wurde Vendola kürzlich wiedergewählt, was Klaus Ernst besonders betonte: Von Vendola lernen, heiße, aus der Regierung heraus noch Stimmen dazuzugewinnen - ach ja: In Berlin wird am 18. September gewählt.

Er kommt aus dem Reich des Bösen

Das eigentliche Thema des Abends war aber: "Menschen vor Profite - deutsch-italienische Vorschläge gegen die Krise". Während Klaus Ernst wahlkampforientiert konkret blieb, die Krise auf das deutsche Lohndumping zurückführte ("Nicht die Griechen haben über ihre Verhältnisse gelebt, sondern wir unter unseren Verhältnissen"), holte Vendola weiter aus. Er beschreibt die Gegenwart, wie schon in seinem gerade erschienen Buch "Es gibt ein besseres Italien", als völlig neue Epoche, wo nach der die letzten Jahrzehnte dominierenden großen Erzählung der "Neoliberalen Revolution" nun die Wiederaneignung der Gemeingüter auf dem Plan stehe - ganz wie der Historiker Alberto Bevilacqua es kürzlich in der taz dargestellt hat.

Vendola kommt spürbar aus dem Berlusconi-Reich des Bösen. Er hat mehr und tiefer nachdenken müssen über neue Perspektiven, hat, wie er es sagte, die Rechten besiegt, indem er erst mal die alten Linken schlug - sowohl die ewigen Taktierer und Zentristen als auch diejenigen, die keine politische Bewegung, sondern eine Kirche für ihre erschütterten Gewissheiten suchen. Aus dieser Erfahrung kam von ihm der Satz des Abends, der in einer Atmosphäre allgemeinen Liebhabens aber dann nicht aufgegriffen wurde: Die Linke solle sich nicht damit beschäftigen, die eigenen Biografien zu verteidigen, sondern die Zukunft gestalten. Das traut man Vendola zu; aber der Abend, in dem die Aporien zwischen Prekarität und durchaus nicht nur von Kapitalistenseite ersehnter Flexibilität zumindest anklangen, war dann leider schon um 21.30 Uhr zu Ende: Deutsche Gewerkschaftler wollen pünktlich nach Hause.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • R
    RLS

    Klaus Ernst braucht nichts mehr zu lernen,

    er hat sich wie Guido Westerwelle verbraucht.

     

    Dietmar Bartsch sollte aber lernen, und am besten von dem Größten.

    "Mahatma Gandhi"

    Für diesen Mann gab es kein Schwarz oder Weiss, Kapitalismus oder Kommunismus.

    Er wusste dazwischen gibt es ein grosses Farbspektrum.

    Auf die grosse Arbeitslosigkeit antwortete er indem er die englischen Kleider verbrennen ließ, und seinem Volk sagte es soll Stolz auf heimische Produkte sein.

    Er analysierte, und startete eine Kampagne dagegen, wie ein Feldherr aber ein Pazifistischer Feldherr.

    Er setzte dass Spinnrad als Waffe gegen die Armut ein.

    In interessierte ihn nicht was Karl Marx jetzt gesagt oder getan hätte.

    Er bewertete jede Situation neu, und ging dagegen an.

    Dass ist für mich modernes linkes Handeln.

    Nicht wie Sahra Wagenknecht diesem Betonkopf die mit dem Vorschlaghammer vorgehen will.

    Sie kapiert anscheinend immer noch nicht dass staatliche Lenker einer Firma oder einer einer Bank, nicht besser sein müssen, als Manager oder Banker.

    Es kommt immer nur auf den Charakter an.

    Dummköpfe wie Helmut Kohl haben die Spielregeln abgeschafft,

    die heute Leute aus der Industrie und den Banken bestimmen.

    Das Volk muss wieder diese Spielregeln bestimmen,

    und nicht blöde Manager und Banker. Wie bei dem Atomausstieg muß dieses Volk die Richtung vorgeben, auch wenn es den Managern und ihre gekauften Medien nicht gefällt.

    Das wäre der nächste Punkt:

    Dieses Volk braucht bessere Medien, die nicht dass Volk verdummen,

    und ihm einen Weg vorsuggerieren, sondern sich darauf beschränken,

    Nachrichten neutral rüberzubringen.

     

    Dann brauchen wir wieder Strafen für die Leute die sich nicht an diese Spielregeln halten, und keine Belohnungen und Beförderungen für diese Leute.

     

    Denn Manager, wie der von BP gehören ins Gefängnis, und nicht in eine andere Firma.

  • H
    hto

    "Die Krankheit unserer heutigen Städte und Siedlungen ist das traurige Resultat unseres Versagens, menschliche Grundbedürfnisse über wirtschaftliche und industrielle Forderungen zu stellen." (Walter Gropius)

     

    Die wohl nachhaltigste Symptomatik des "gesunden" Konkurrenzdenkens im "freiheitlichen" Wettbewerb um ..., ist die zeitgeistlich-reformistische Dummheit in konfusionierender Überproduktion von systematisch-systemrationalem Kommunikationsmüll!?

     

    Es kann nur eine wirklich-wahrhaftige Antwort auf die "Krise" geben: ein unkorrumpierbares MENSCHENRECHT auf Nahrung, Wohnen und Gesundheit, mit allen daraus einzig menschenwürdig resultierenden Konsequenzen / Möglichkeiten!?