Warnstreiks in Berlin: Kampf um die Daseinsvorsorge
In der kommenden Woche ruft Verdi zu Arbeitsniederlegungen bei der BVG, Charite und Vivantes auf. Dabei geht es auch gegen die Sparpolitik.
Der zweitägige Warnstreik bei den landeseigenen Krankenhausunternehmen ist der erste Ausstand in der laufenden Tarifrunde zwischen Verdi und der Vereinigung kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), die auch das Land Berlin repräsentieren. Die Verhandlungen des „Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst“ (TvÖD) betreffen neben den Beschäftigten in Krankenhäusern unter anderem die Berliner Wasser- und Bäderbetriebe, die Stadtreinigung, das Jobcenter, die Bundesagentur für Arbeit und das Studierendenwerk.
In der kommenden Woche ruft Verdi bundesweit zu Arbeitsniederlegungen in den verschiedenen Branchen auf. In Berlin streiken zunächst nur Vivantes und Charité, die Beschäftigten der Stadtreinigung BSR könnten nach der nächsten Verhandlungsrunde folgen „Streiks wirken am besten in Wellen“, erklärt Verdi-Pressesprecher Kalle Kunkel.
Mit dem Ausstand will Verdi Druck im Vorfeld auf die kommende Verhandlungsrunde am 17. Februar machen. „Charité und Vivantes sind zwei der größten Klinikkonzerne Deutschlands und damit Schwergewichte im Arbeitgeberverband. Wir erwarten, dass sie sich im Sinne ihrer Beschäftigten für ein gutes Angebot starkmachen“, sagt Gewerkschaftssekretärin Gisela Neunhöffer. Bei der ersten Runde am 24. Januar hatte der VKA noch kein Angebot vorgelegt.
Minimum Inflationsausgleich
Die Forderungen der Gewerkschaften umfassen unter anderem eine Lohnerhöhung von 8 Prozent, höhere Zuschläge für besonders belastende Tätigkeiten wie Nachtschichten und Schichten an Sonn- und Feiertagen. Des Weiteren drei zusätzliche freie Tage und ein Zeitkonto gefordert. „Das ermöglicht den Beschäftigten Souveränität über ihre Arbeitszeiten“, sagt Kunkel.
Mit den Forderungen reagieren die Gewerkschaften auf die seit Jahren sich verschlechternden Arbeitsbedingungen. „Die Inflation hat die Löhne aufgefressen“, erklärt Kunkel, „der Personalmangel führt zu einer extremen Arbeitsbelastung“.
Der Warnstreik soll auch auf die Probleme der Beschäftigten in den Krankenhäusern aufmerksam machen. Begleitet wird der Ausstand mit einer Großveranstaltung in der Columbiahalle, bei der die Streikenden eine Petition mit Forderungen an die Berliner Spitzenkandidat*innen für die Bundestagswahl übergeben werden.
„Die zweite Tarifrunde ist zugleich die letzte vor den vorgezogenen Bundestagswahlen am 23. Februar“, sagt Verdi-Pressesprecher Kunkel. Zwar rechne Verdi damit, dass die Verhandlungen auch nach der Wahl fortgesetzt werden, doch gehe es jetzt darum „die politischen Verantwortlichen in die Verantwortung zu nehmen und Druck auszuüben“, so Kunkel weiter.
Aktivistische Unterstützung
Unterstützt werden die Streikenden auch vom Bündnis „Berlin steht zusammen“, einem branchenübergreifenden Zusammenschluss aus Klimaaktivist*innen, Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und der BVG, das im Herbst vergangenen Jahres im Hinblick auf die aktuelle Tarifrunde aufgebaut wurde.
„Wir kritisieren die Kürzungspolitik zulasten der öffentlichen Daseinsvorsorge“, sagt Celina Bittger, Sprecherin der Initiative. Das Geld sei da, es werde nur ungleich verteilt. „Kürzungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge bedeutet eine politische Priorisierung“, sagt Bittger. „Es geht immer um die existentielle öffentliche Infrastruktur“, stimmt Verdi-Pressesprecher Kunkel zu.
Das trifft auch auf die parallel laufenden Tarifverhandlungen bei der BVG zu. Nach einem enttäuschenden Angebot der Arbeitgeberseite am Freitag ruft die Gewerkschaft zu einem zweiten ganztägigen Warnstreik am kommenden Montag auf. Das Unternehmen hatte Lohnerhöhungen von 2,5 bis 7 Prozent angeboten. Verdi fordert einen deutlich höheren Zuwachs von durchschnittlich 30 Prozent. „Dass der Vorstand uns jetzt real die Löhne kürzen will, macht die Kolleginnen und Kollegen wirklich sauer“, erklärt Janine Köhler, Mitglied der Tarifkommission.
Aktivist*innen von „Berlin steht zusammen“ kündigen an, bei beiden Streiks Präsenz zu zeigen. „Wir stehen an der Seite der Beschäftigten“, sagt Bittger.
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