piwik no script img

WarnstreikMetaller trotzen drohender Krise

Die IG Metall weitet ihre Warnstreiks aus. Trotz drohender Wirtschaftskrise beharrt sie auf 8 Prozent mehr Lohn. Die Taktik: Bestreikt werden sollen vor allem Betriebe mit vollen Auftragsbüchern.

Auch in Berlin: Metaller im Warnstreik Bild: DPA

Passt aus Unternehmersicht doch bestens: Die Mercedes-Werke in Marienfelde und Ludwigsfelde wollen ihre Belegschaft aufgrund von Auftragseinbußen in die vorzeitigen Weihnachtsferien schicken. Nun ruft die IG Metall zu Warnstreiks auf. "Ein Streik beeinflusst den normalen Tagesablauf immer", sagte der Sprecher eines der betroffenen Unternehmen in Ludwigsfelde. "Aber so dramatische Auswirkungen wie Anfang des Jahres, als die Auftragsbücher noch voll waren, werden die aktuellen Streikaktionen nicht haben."

Zum Beginn der zweiten Runde der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Metall- und Elektrobranche haben sich am Dienstag mehrere tausend Beschäftigte aus Betrieben in Berlin und Brandenburg an den Warnstreiks beteiligt. Zu einer gemeinsamen Kundgebung bei Mercedes Benz im brandenburgischen Ludwigsfelde versammelten sich nach Gewerkschaftsangaben rund 1.500 Metaller. Vor dem Werk der Daimler AG Mercedes in Marienfelde demonstrierten etwa 900 Beschäftigte aus insgesamt neun umliegenden Unternehmen.

Betroffen von dem vorübergehenden Ausstand waren neben den Mercedes-Werken auch Betriebe von Bosch, MTU und Thyssen Krupp. In Berlin zogen die Demonstranten anschließend vor die Zentrale des Arbeitgeberverbands der Metall- und Elektronikindustrie (VME) am Ernst-Reuter-Platz. Dort wurden die Tarifverhandlungen am Nachmittag fortgesetzt und waren bei Redaktionsschluss noch nicht beendet. Die Warnstreikaktionen dauerten allesamt nicht länger als zwei Stunden.

Die IG Metall fordert für ihre rund 50.000 Beschäftigten in Berlin und 43.000 in Brandenburg 8 Prozent mehr Geld, die bislang höchste Lohnforderung in der Metall- und Elektrobranche seit 16 Jahren. Die Arbeitgeber haben bisher aber nur 2,1 Prozent sowie eine Einmalzahlung von 0,8 Prozent eines Jahresgehalts geboten.

"Ich bin stinksauer über das Angebot", schimpfte Felix Weitenhagen, Betriebsratsmitglied bei den Siemens Schaltwerken. Seit Jahren würden die übertariflichen Leistungen gekürzt. Bei einem Nachtschichtler mache das schnell zwischen 200 und 400 Euro weniger im Monat aus. "Die Reallöhne stagnieren, und das bei steigenden Einnahmen." Mit den "mickrigen 2,1 Prozent mehr" würden nicht einmal die Preissteigerungen wettgemacht, kritisierte auch Olivier Höbel, Bezirksleiter der IG Metall in Berlin-Brandenburg. Er sprach von einer "Provokation".

Die IG Metall stellt den Arbeitgebern ein Ultimatum bis zum 11. November. Kommt es bis dahin zu keiner Einigung, soll es eine Urabstimmung geben. "Die Zeichen stehen dann auf Streik", sagte Berlins IG-Metall-Bevollmächtigter Klaus Abel.

Wie groß die Zustimmung bei der Belegschaft zum Streik tatsächlich ist, lässt sich nach den ersten Warnstreikaktionen nicht sagen. Während die Auftragsbücher von Unternehmen wie MTU und Siemens nach Angaben von Branchenkennern noch immer voll sind, leiden die Automobilbranche und deren Zulieferbetriebe bereits unter der Konjunktur- und Finanzkrise. Deswegen will die IG Metall gezielt die Betriebe mit vollen Auftragsbüchern bestreiken.

Dass in den nächsten Tagen trotzdem so ziemlich alle Betriebe der Metall- und Elektrobranche ihr Fett abbekommen sollen, hängt vor allem damit zusammen, dass die IG Metall die Beschäftigten auf einen langen Tarifkonflikt einstimmen möchte. Für Mittwoch sind Warnstreikkundgebungen unter anderem bei den Firmen ADC Krone, Biomet und Visteon vorgesehen.

Siemens-Betriebsratsmitglied Weitenhagen gehen die bisherigen Warnstreiks dennoch nicht weit genug. IG-Metall-Chef Berthold Huber habe vor Kurzem angedeutet, dass er mindestens eine Vier vor dem Komma sehen möchte. Als "Andeutung in die falsche Richtung" bezeichnet Weitenhagen Hubers Äußerung. "Der IG Metall würde es gut zu Gesicht stehen, mal wieder einen Vollstreik einzuleiten."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!