Wanderkonzert in Hannover: Klänge statt einer Ausstellung

Die „Odd Couples“ von Komponist Gordon Williamson im hannoverschen Sprengel Museum verlangen bewegliches Publikum.

Zwei Männer an Tasteninstrumenten

Eines von vielen „Odd Couples“: Ashley Hribar (Keyboard) und Sascha Davidovic (Cembalo) Foto: Roman Jost

„Das ist hier kein Konzert mit Bestuhlung.“ Es herrscht erhöhter Erklärungsbedarf an diesem Sonntagnachmittag im Sprengel-Museum. Dass Musik gespielt wird in dem architektonisch ambitionierten Spät-70er-Bau mit Blick auf den hannoverschen Maschsee, ist daran gar nicht mal das Besondere: Das gibt es hier dann und wann. Aber diesmal soll, ja: muss das Publikum sich bewegen. Das Konzert verteilt sich auf, na ja, nicht das ganze Haus, aber doch große Teile davon: eine gerade nicht für zeitgenössische Kunst genutzte Ausstellungshalle und den „Calder-Saal“, den eine spektakuläre Rampen- und Treppenspirale prägt. Hier fühlt sich das Sprengel-Museum beinahe an wie das New Yorker Guggenheim.

Als um kurz nach 15 Uhr das Programm beginnt, sind dann doch erst mal alle Stühle besetzt, die zufällig da stehen, wo die erste Gruppe musiziert. „Odd Couples“ hat Gordon Williamson, Komponist und Professor für Neue Musik an der örtlichen Musikhochschule, das Projekt überschrieben, „Installationskonzert für 24 ungewöhnliche Instrumentenpaare“. Diese Paare sind mal mehr, mal weniger ungewöhnlich: Blockflöte und Kontrabass etwa, oder Tuba und Sopransaxofon: Das geht doch noch, das kennt man. Aber Virginal – ein kompakt gebautes Cembalo – und E-Gitarre? Schlagwerk und Toy Piano? Und was, bitte, ist überhaupt ein Flexaton, wie es Pascal Pons da spielt, im Duett mit Andrew Digby an der ungleich vertrauteren Posaune?

Eigentlich hätte das alles schon Anfang Dezember stattfinden sollen: die Uraufführung von Williamsons zumeist kurzen, neutönenden Duetten, bereichert um verwandte Arbeiten von Karlheinz Stockhausen, James Tenney und Louis Andriessen. Verwandt, was das Klangbild angeht, das auch mal Spröde, vermeintlich nicht Wohlklingende – aber auch, weil diese Stücke große Freiheiten gewähren bei der Besetzung und dem Rahmen ihrer Aufführung.

Dass sich diese Premiere verschob, hatte, klar, mit der Pandemie zu tun und ihrer Bekämpfung. Daran erinnert, dass auch jetzt einige der Odd Couples gar nicht physisch anwesend sind, sondern als Videos aus der Ferne mitwirken. Aus Berlin und Pamplona etwa, Montreal und Paris. Odd Couples ist auch ein Onlineprojekt, nach und nach sollen im Lauf des Frühjahrs auf Williamsons Homepage Paarungen hinzukommen.

Ist es nun bloßes Gimmick, die bewusst unkonventionelle Form, die Absage ans Frontalbespaßen mit teils obskuren Klang­erzeugern? Darf man so sehen, klar. So wie man in Betriebsamkeit verfallen kann, wenn zwei Räume weiter oder eine Treppe tiefer, das nächste Stück beginnt.

Man werde wohl nicht alles mitbekommen, hatte Wiliamson aber vorausgeschickt. Und klug ist, wer nicht den halben Nachmittag hindurch versucht, vorneweg zu sein, um bloß nicht irgendetwas zu verpassen. Lieber mal das eine, ganz nahe Klangereignis geschehen lassen, zu Ende gehen – und bestaunen, wie sich aus der Ferne ein ganz anderes ins Bild schiebt. Passt der leise Beifall, anderen zugedacht, nicht ganz wunderbar auch hier und jetzt gerade?

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Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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