Waldspaziergang im Hambacher Forst: Bagger kappen Wasser
Hunderte Menschen sind zum Spaziergang ins Braunkohlerevier gekommen. Der Veranstalter warnt, dass RWE den Wald zerstört, ohne ihn zu roden.
Jamilo ist einer von 600 bis 700 Menschen, die diesen Sonntag zum Waldspaziergang in den Hambacher Forst gekommen sind. Aufgerufen hatten auch zahlreiche Umweltverbände. Denn: Der Wald sei in Gefahr.
„Wie geht es dem Wald gerade? Dem Wald geht es schlecht“, sagt Veranstalter Michael Zobel zu Beginn des Spaziergangs. „Wir werden hier nachher Hunderte von toten Fichten sehen. Wir werden im Wald Eichen sehen, die ums Überleben kämpfen, die es vielleicht nicht schaffen. Da sagt RWE immer, damit hätten sie nichts zu tun.“
Der Spaziergang startet im Dorf Manheim. Vernagelte Fenster, verlassene Häuser. Häuser im Abriss, die entweihte Kirche, Stacheldraht. Kaum noch zehn Menschen leben hier. Sie wollen nicht an RWE verkaufen, sagt Zobel.
„Wir müssen hier sein“
Die 19-jährige Roxana engagiert sich bei Fridays for Future und Extinction Rebellion. Sie ist aus München gekommen und zum ersten Mal am Hambacher Forst. „Es regt mich mega auf. Manheim ist wahnsinnig schön, die Häuser sind so alt. Ich studiere Geschichte und ich kann nicht fassen, dass die Kirche abgerissen werden soll. Obwohl hier eh keine Kohle mehr abgebaut wird“, sagt sie.
Viele Menschen, die zum Spaziergang gekommen sind, sagen, sie seien wütend. Denn die Politik tue nichts, um Wald und Dörfer zu schützen. „Wir müssen hier sein, zivilen Ungehorsam ausüben und die Aktivisten unterstützen“, sagt der 53-jährige Steffen.
Auf dem Weg vom Dorf in den Wald und zum Tagebaurand, wo ein Bagger kaum noch 50 Meter von den Bäumen entfernt steht, legt Zobel regelmäßige Pausen ein und erklärt die Lage. „Wir sehen hier überall die blauen Container, die grünen Kisten, die Bauzäune. Das sind alles Pumpen. Rund um diesen Tagebau gibt es etwa 1.700 Pumpen, die das Grundwasser von 15 auf 400 Meter abpumpen. Das wirkt sich weit über dieses Gebiet hinaus aus.“
RWE baggert immer näher an den Wald
Der Hambacher Forst lebt nicht vom Grundwasser, sondern nur vom Niederschlag. „Wir haben in Bodentiefen von 6 bis 10 Metern Schichten, die das Wasser stauen“, sagt Zobel. „Wenn aber solche Sommer wie im letzten Jahr kommen, dann gibt es dieses Wasser nicht. Und wenn RWE immer näher an den Wald baggert, werden die niederschlagspeichernden Schichten angeschnitten und das Wasser läuft zur Seite weg.“ Und genau das mache RWE, sagt Zobel. „Sie haben einen Weg gefunden, wie man den Wald vernichten kann, ohne ihn roden zu müssen.“
RWE hat ein Gutachten veröffentlicht, laut dem der Wald nicht gefährdet würde. „Letztes Jahr hieß es von RWE: ‚Nein, auch wenn wir den Wald erhalten wollten, das geht gar nicht. Die Böschung ist jetzt schon zu steil‘“, sagt Zobel. „Da war die Böschung noch 600 Meter weg vom Wald. Jetzt baggern sie bis auf 50 Meter ran.“
RWE hingegen sagt, die Bedingungen hätten sich geändert und die Böschung sei nun doch nicht zu steil. Der Bagger gefährde den Erhalt des Waldes nicht. „Sie wollen den Wald vernichten!“, ruft Zobel. „Und wer sagt Stopp?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe