Waldbrände in Griechenland: Angst vor dem Höllenmonat
Der August gilt als Höhepunkt der griechischen Feuersaison. Schon jetzt zeigt sich, dass die Brände immer häufiger und verheerender verlaufen.
Demnach verbrannten in Griechenland bis zum 30. Juli insgesamt 21.303 Hektar – fast doppelt so viel wie in den Jahren zuvor. Vor allem die sechs großen Waldbrände im Juli in Itea und anderswo trugen dazu bei. Und die Hälfte der Feuersaison steht Griechenland noch bevor.
Ferner hat sich auch die Zahl der Waldbrände in diesem Jahr fast verdoppelt. Bis zum Stichtag 30. Juli wurden 40 Waldbrände in Hellas in die Effis-Datenbasis eingespeist. Im Zeitraum 2006 bis 2021 wurden bis zum Stichtag 30. Juli im Schnitt noch 22 Waldbrände in ganz Griechenland gemeldet.
Obendrein fällt auf, dass die Zahl der Waldbrände im laufenden Jahr schon seit Beginn des Frühjahrs im März deutlich angestiegen ist. Dabei wurden Zahlen erreicht, die sogar über den absoluten Höchstwerten im Zeitraum 2006 bis 2021 liegen. Das zeigt: Die Waldbrände beginnen immer früher im Jahr.
Das treibt den Experten in Athen die Sorgenfalten auf die Stirn. Denn der Monat August, wenn die Feuersaison in Griechenland alljährlich üblicherweise ihren Höhepunkt erreicht, ist gerade mal zur Hälfte vorbei. Der August gilt in Hellas als „Höllenmonat“: So brannte im August 2007 der halbe Peloponnes, die südliche Halbinsel, nieder. Dutzende Menschen kamen ums Leben.
Lehren aus vergangenen Katastrophen
Grund für die gefährliche Situation im August: Die fortschreitende Dürre sowie der in dem Monat in Griechenland aufkommende starke Nordwind Meltemi mit Böen der Windstärke 12. Das facht die Feuer in den wegen fehlendem Niederschlag bis dahin schon ausgetrockneten Wäldern an.
Rekordjahr Durch Großfeuer in ganz Europa sind in diesem Jahr bereits 660.000 Hektar Land verbrannt – Rekord seit Beginn der Aufzeichnungen 2006. Das zeigen Daten des Europäischen Waldbrand-Informationssystems (Effis). Koordinator Jesus San- Miguel warnt: „Wir sind gerade erst in der Mitte der Brandsaison.“
Regionen Schlimmer als Griechenland hat es Spanien mit bisher 225.000 Hektar verbrannter Fläche getroffen. Es folgen Rumänien mit 150.000 und Portugal mit 77.000 Hektar. Auch untypische Regionen wie Slowenien erlebten schlimme Brände. (afp, taz)
Das jüngste Beispiel: In Nord-Euböa, der größten griechischen Insel nahe Athen, wütete vor genau einem Jahr vom 3. bis zum 11. August 2021 ein riesiger Waldbrand. Die Regierung in Athen unter dem konservativen Premierminister Kyriakos Mitsotakis brüstete sich damit, dass die Feuersbrunst zumindest keine Menschenleben gekostet habe. Seine aktuelle Strategie: Umgehend Dörfer und Städte sofort evakuieren, wenn ein Feuer naht. Die Bewohner werden dabei per automatischer Textnachricht auf ihrem Smartphone vorsorglich zum sofortigen Verlassen der betroffenen Region aufgerufen.
Das ist eine bittere Lehre aus dem Feuerinferno im kleinen Küstenort Mati unweit von Athen am 23. Juli 2018. Das Feuer von Mati hat sich tief in das Gedächtnis der Griechen eingegraben. Binnen weniger Stunden starben dort 103 Menschen, als eine Feuerwalze eine Spur der Verwüstung im Ferienort hinterließ. Evakuierung? Bis dahin ein Fremdwort.
Das tödliche Feuer von Mati trug dazu bei, dass die linke Vorgängerregierung unter dem damaligen Premier und heutigen Oppositionsführer Alexis Tsipras bei den Wahlen im Juli 2019 von den Griechen abgewählt wurde. Seither genießt unter Premier Mitsotakis die Rettung von Menschenleben bei der Bekämpfung der Waldbrände oberste Priorität.
Zu wenig Personal bei der Feuerwehr
Doch die griechische Feuerwehr leidet laut griechischen Medienberichten weiter unter einem akuten Personal- und Materialmangel. Griechenland hat aktuell lediglich rund 15.000 Feuerwehrleute (ohne Freiwillige). Zum Vergleich: In Deutschland arbeiten laut Deutschem Feuerwehrverband rund 69.800 Menschen bei einer Berufsfeuerwehr oder Werksfeuerwehr. Stattdessen sind in Griechenland 50.000 Polizisten im Einsatz. Das sind 500 Polizeibeamte auf 100.000 Einwohner. Der EU-Durchschnitt liegt bei etwas über 300.
Die Beobachter sind sich einig: Ohne die Hilfe entsandter ausländischer, gut ausgerüsteter Feuerwehrkräfte wären die jährlichen Waldbrände in Griechenland kaum zu bekämpfen. Immerhin hat es in dieser Feuersaison ausgerechnet im so leidgeprüften Nord-Euböa nicht gebrannt. Kritiker ätzen: „Wie auch? Hier gibt es nichts mehr, was noch brennen kann.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure