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Waldbesetzungen in DeutschlandDas Halbjahr auf den Bäumen

Waldbesetzungen sind inzwischen fest im Repertoire der Klimaschutzbewegung verankert. Allein 2021 wurden mehr als ein Dutzend Wälder okkupiert.

Hambacher Forst, Juni 2020: ein Aktivist klettert hoch zu einem Baumhaus Foto: David Young/dpa

Wälder sind wohl etwas niedliches. Kasti, Steini, Chori – sie alle sollen bleiben, selbst Monokulturen wie der Seehäuser Wald in Sachsen-Anhalt werden liebevoll zu „Moni“ verkürzt. Bei Trier heißt es im lokalen Dialekt: Besch bleibt – Wald bleibt. Und das ist nur ein Bruchteil der Wälder, die Ak­ti­vis­t:in­nen in diesem Jahr besetzten, um sie vor der Rodung zu retten.

Als wir vor anderthalb Monaten unsere Waldbesetzungsgrafik erstmals erstellten, ging es neben dem Danni und dem Hambi um etwa ein halbes Dutzend Besetzungen aus den vergangenen Jahren. Seitdem erhalten wir fast täglich Hinweise auf vergangene, neue, bevorstehende und sogar gewünschte Besetzungen. „Hätte die Försterin nicht angeordnet, die Fällungen auf dieser Fläche unseres Waldes zu beenden, wären wir nicht gegangen“, schreibt uns eine Leserin, warum ihr Wald bisher nicht besetzt werden musste – bedroht ist er aber wohl weiterhin.

Besetzungen sind inzwischen fest im Repertoire der Klimaschutzbewegung verankert. Meist geht es darum, konkrete Waldstücke vor der Rodung zu schützen. Im Seehäuser Wald in München oder im Forst Kasten bei München beispielsweise sollte und sollen so Bäume geschützt werden. Klimacamps – wie in Passau und Darmstadt – nutzen sie, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. An anderen Orten erhöhen sie die Kosten der Rodung wie am Waggonhalle-Gelände in Marburg, wo Ersatzpflanzungen für die Bäume versprochen wurden. Und manchmal – wie im Steinhauser Wald – wird dadurch ein Bauprojekt ganz gestoppt.

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Unsere Grafik ist inzwischen stark gewachsen. Allein für dieses Jahr zählen wir 15 Besetzungen, manche nur bei Einzelbäumen und kurz, manche ziehen sich bereits über Wochen. An vielen Orten kündigen sich auch schon die nächsten Konflikte um Waldgebiete an. Unsere Karte dürfte also bald weiterwachsen.

Das sind die von uns gesammelten Wald- und Baumbesetzungen:

➡️ Im Januar wurde der Lützerather Wald in der Nähe des Hambacher Forstes aus Protest gegen den Braunkohle-Tagebau von RWE besetzt.

➡️ Nach der Räumung des Dannenröder Forstes besetzten Ak­ti­vis­t:in­nen im Januar und Februar den Herrenwald und den Maulbacher Wald jeweils mehrere Tage lang, um gegen den Bau der Autobahn 49 zu protestieren

➡️ Im Januar und Februar besetzten Ak­ti­vis­t:in­nen Bäume in Marburg, um gegen deren Rodung für den Bau eines Parkdecks zu protestieren. Die Besetzung wurde nach einer Vereinbarung beendet, die Ersatzpflanzungen für die Bäume vorsieht.

➡️ Im Februar wurde der Altdorfer Wald bei Vogt in Baden-Württemberg aus Protest gegen die Rodung für Kiesabbau besetzt.

➡️ Im Februar wurde ein Wald bei Grünheide in Brandenburg aus Protest gegen den Bau der Tesla-Fabrik besetzt.

➡️ Im Februar wurde der Steinhauser Wald in Halle (Westfalen) aus Protest gegen eine Fabrikerweiterung besetzt. Die Besetzung wurde beendet, als das Projekt abgesagt wurde.

➡️ Im Februar und März wurde der Chorusberg in Aachen aus Protest gegen drohende weitere Baumfällungen und ein mögliches Bauprojekt besetzt. Erfolgreich.

➡️ Im März wurde die „Grüne Lunge“ in Frankfurt/Main aus Protest gegen die Rodung für ein Bauprojekt besetzt.

➡️ Im April wurde der Seehäuser Wald in Sachsen-Anhalt aus Protest gegen den Bau der Autobahn 14 besetzt.

➡️ Im Mai besetzten Ak­ti­vis­t*in­nen aus dem Klimacamp Passau mehrmals Bäume, um auf mangelnden Klimaschutz aufmerksam zu machen. Nach Räumungen wies die Stadt den Ak­ti­vis­t:in­nen Bäume für eine Besetzung für mehrere Tage zu.

➡️ Im Mai besetzten Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen von „Besch bleibt“ einen Wald bei Trier, um gegen seine Rodung für den Bau der Westumfahrung Trier zu protestieren.

➡️ Im Mai besetzten Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen die Garnholter Büsche, um gegen ihre Rodung für den Bau der Autobahn 20 zu protestieren.

➡️ Im Mai besetzten Ak­ti­vis­t:in­nen den Forst Kasten bei München, um gegen seine Rodung für eine Kiesgrube zu protestieren.

➡️ Im Mai wurde eine Platane in Darmstadt mehrere Tage lang besetzt, um das Ende klimaschädlicher Projekte einzufordern.

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2 Kommentare

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  • Kann mir jemand erklären, warum nur Wälder besetzt werden, die für Verkehrs- und Infrastruktur gefällt werden sollen, aber bei gleicher Umweltbelastung keine Rodungen für Windparks etc.?

    • @Wundersam:

      Weil Rodungen für Windkraftanlagen viel kleinräumiger sind als für das Anlegen einer Autobahntrasse (siehe z.B. Dannenröder Wald). Weil eine Autobahn, die noch dazu durch ein bisher intaktes Waldgebiet führt, auch nach dem Bau dauerhaft und an jedem Tag umwelt- und klimaschädlich ist. Weil wir um Strom aus den sogenannten erneuerbaren Energien aus bekannten Gründen nicht herum kommen werden (Stichwort Energiewende).



      Ganz nebenbei: Stellen sie sich doch mal neben eine Autobahn, etwas lebensfeindlicheres gibt es doch kaum. Dagegen sind die Emissionen einer Windkraftanlage das Paradies auf Erden, weil eben kaum bis gar kein Lärm und null Gestank/Abgas.