Wahrnehmung von Wissenschaft: Lieber Forschung ohne Risiko
Die Deutschen empfinden Wissenschaft zwar weiterhin als etwas Positives. Bei einigen Bereichen überwiegt jedoch deutlich die Skepsis.
So waren nur 23 Prozent der über 1.000 von TNS Emnid repräsentativ befragten Bundesbürger der Meinung, die Öffentlichkeit werde in Deutschland genügend in die Entscheidungen über Wissenschaft und Forschung einbezogen. Ein sehr viel größerer Anteil – 42 Prozent – empfand dagegen ein Defizit an Partizipation.
Auch mit der Kommunikation der Wissenschaftler ist das Volk unzufrieden. 39 Prozent waren der Meinung, die Wissenschaft bemühe sich zu wenig, die Allgemeinheit über ihre Arbeit zu informieren, in Berlin sogar 42 Prozent. Dagegen fanden nur 27 Prozent den jetzigen Zustand in Ordnung.Allerdings ist das Interesse für die Vorgänge in den Universitäten und Forschungsinstituten kein Massenphänomen.
Zwar bekunden 36 Prozent ihr allgemeines Interesse an Wissenschaftsthemen, aber nur 16 Prozent gehen öfter oder manchmal zu Veranstaltungen, Vorträgen oder Diskussionen über Wissenschaft und Forschung. 84 Prozent selten oder nie. Bei Special Events wie der „Langen Nacht der Wissenschaften“ oder „Tagen der offenen Tür“ ist das Verhältnis mit 20:80 nicht viel besser.
Die zentrale Wissenschaftsinformation der Bevölkerung findet über die Medien statt. 52 Prozent lesen Artikel über Wissenschaft in der Zeitung. Noch mehr (66 Prozent) informieren sich im Fernsehen. Das Internet ist für 43 Prozent häufige Informationsquelle, bei den Berlinern sogar 60 Prozent. In der Summe empfinden sich aber nur 29 Prozent der Befragten bei Wissenschaftsthemen „auf dem Laufenden“; bei Politik (48) und Sport (44) ist der gefühlte Informationsgrad deutlich höher.
Vertrauen oder Zweifel
Von Bedeutung ist, wenn aus Information Einstellung wird: Akzeptanz oder Ablehnung. Beim Thema Erneuerbare Energien sagen 51 Prozent, sie vertrauen den Aussagen der Wissenschaftler (bei der Vorjahresbefragung waren es noch 44 Prozent), 19 Prozent tun das nicht. Beim Klimawandel ist das Verhältnis schon 36:26. In Berlin liegt die Zahl der Klima-Zweifler sogar bei 41 Prozent, so hoch wie nirgends sonst in der Republik. Nur 31 Prozent vertrauen in der Hauptstadt den Klimaforschern.
Vollends ins Negative kippt die Volksmeinung bei der Grünen Gentechnik: Nur 17 Prozent folgen den Forschern (2014: 16), 51 Prozent misstrauen ihnen. Am höchsten ist die Ablehnungsquote mit 60 bei den Älteren, die Jungen verweigern sich der Grünen Gentechnik zu 45 Prozent. Aus solcher Skepsis speist sich auch das Urteil zur Risikobereitschaft.
Wenn neue Technologien einen Nutzen versprechen, aber auch unbekanntes Risiko bergen, dann sind 30 Prozent der Bürger dafür, die Entwicklung zu stoppen, 39 Prozent halten sie für vertretbar.
Wichtigster Bereich: Gesundheit und Ernährung
Markus Weißkopf, der Geschäftsführer von „Wissenschaft im Dialog“ (die Agentur wird von den deutschen Wissenschaftsorganisationen finanziert) fasst die Zahlen als Hinweis darauf auf, „dass die Wissenschaft weiter auf Bürgerinnen und Bürger zugehen muss. Risiken, aber auch Chancen neuer Technologien sollten mit Bürgern und der Zivilgesellschaft diskutiert werden.“
Im Ranking der Wissenschaftsgebiete, die von den Bürgern als wichtig für die Zukunft angesehen werden und entsprechend gefördert werden sollten, rangieren Gesundheit und Ernährung mit 47 Prozent unangefochten an der Spitze. Klima und Energie kommen mit 35 Prozent auf den zweiten Platz. Innere Sicherheit wird von 10 Prozent für zukunftswichtig erachtet, erstaunlich mehr als das Forschungsgebiet Kommunikation und Digitalisierung, für das nur 4 Prozent stimmen.
Und wer sollte die Forschungs-Milliarden für diese Projekte verteilen? Das sollten „die Bürger“ entscheiden, ist mit 42 Prozent die häufigste Antwort. Nur 30 Prozent meinen, die Wissenschaftler sollten darüber selbst befinden, und nur 13 Prozent möchten die Politik in dieser Rolle sehen.
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