Wahlwiederholung in Berlin: Kaum Geld für Plakate übrig
Der zweite Wahlkampf in anderthalb Jahren ist für Kleinparteien herausfordernd. Ihnen fehlt es an Ressourcen und Kraft. Wie gehen sie damit um?
Wieder rausgehen, Plakate aufhängen und Wahlkampf machen, im grauen Januarwetter und mit weniger Vorbereitungszeit – das ist für alle Parteien gerade eine Herausforderung. Im Fall der Kleinparteien kommt aber noch ein Problem hinzu: Es fehlt am Budget für die zweite Kampagne in anderthalb Jahren.
Denn wer bei der vorangegangenen Wahl weniger als ein Prozent der Zweitstimmen erreicht hat, kann keine staatlichen Zuschüsse beanspruchen. Wie gehen Kleinparteien mit dieser besonderen Situation um? Antonio Rohrßen, Parteivorstand der Klimaliste, kritisiert die fehlende Unterstützung der Regierung für Kleinparteien.
„Eine aktive Teilnahme am Wahlkampf ist so nicht möglich“, sagt er und stellt infrage, dass die regierenden Parteien die Demokratie ernst nehmen, wenn sie die Teilhabe nicht ermöglichen. Wie er hätten viele Kandidat:innen der Liste beim letzten Mal Wahlvorbereitungsurlaub genommen und dabei auf ihr Gehalt verzichten müssen, so Rohrßen.
Den finanziellen Schaden der Wiederholungswahl für seine Partei beziffert er auf eine knappe Viertelmillion Euro. Von der Landesregierung aber gebe es „null Angebote und null Verständnis“. Seine Partei holte bei der vergangenen Wahl 0,4 Prozent der Zweitstimmen und erhält darum keine Wahlkampfkostenerstattung.
Mitglieder von Kleinparteien fühlen sich nicht wertgeschätzt
Rohrßen kritisiert auch, dass der damals für die Wahl zuständige Innensenator Andreas Geisel (SPD) keinerlei politische Konsequenzen aus der Wahlpanne gezogen habe. Und dass über den Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“, den die Liste unterstützt, nicht am 12. Februar, sondern erst am 26. März abgestimmt werden soll, ist für ihn ein weiteres Zeichen für die geringe Wertschätzung ehrenamtlicher politischer Arbeit.
Kleinparteien Neben den sechs im Parlament vertretenen Parteien treten 27 weitere an. Nur die „Aktion Partei für Tierschutz – Tierschutz hier!“ steht nicht erneut auf dem Wahlzettel – die Tierschutzpartei ist aber wie 2021 wieder dabei.
Top fünf Die meisten Zweitstimmen unter den Kleinparteien holte 2021 die Tierschutzpartei mit 2,2 Prozent, gefolgt von Die Partei (1,8 Prozent), Die Basis (1,3 Prozent), Volt (1,1 Prozent) und dem Team Todenhöfer (1 Prozent).
Spezialisten Einige Parteien haben nur ein Thema, etwa die Mieterpartei oder die Bildungspartei Bildet Berlin. (lam)
„Wir engagieren uns in den kleinen Parteien, weil wir einen Wunsch nach Veränderung haben. Das wird durch so ein Vorgehen mit Füßen getreten“, sagt er. Sorge vor einer Abwanderung der bisherigen Wähler:innen zu den Grünen, um diese zur stärksten Kraft zu wählen, hat Rohrßen nicht: „Wer diese Partei wegen ihrer Klimapolitik nicht gewählt hat, wird das auch jetzt nicht ändern.“
Dazu dürfte in seinen Augen auch die Haltung der Grünen zum Braunkohleabbau in Lützerath ihren Teil beitragen. „Eine grüne Politik reicht einfach nicht mehr aus“, meint Rohrßen. Die Klimaliste will sich im aktuellen Wahlkampf vor allem auf den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg konzentrieren. Dort konnten sie 2021 die meisten Stimmen gewinnen, dieses Ergebnis wollen sie nun übertreffen.
Die „Bergpartei – die ÜberPartei“ versucht das Problem der fehlenden Ressourcen laut ihrem Vorsitzenden Benjamin Richter anders zu lösen: Sie hat sich mit der Mieterpartei und den Piraten zusammengeschlossen, um gemeinsam Wahlkampf zu machen. In Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow teilen sie sich sogar die Listenplätze. „Es ist schwer, die Leute dazu zu bewegen, sich noch mal zu engagieren“, begründet Richter diesen Schritt.
Kleine Parteien haben weniger Geld für Wahlkampf
Die Wahlplakate malen die Mitglieder der Bergpartei selbst, teilweise werden die von der vergangenen Wahl wiederverwendet. Geld, das sie in Aktionen oder den Europawahlkampf gesteckt hätten, fließt nun in die Wiederholungswahl. Eine staatliche Finanzierung bekommen auch sie aufgrund der geringen Stimmenanteile nicht.
Kritisch sieht Richter nicht nur die geringere finanzielle Unterstützung, sondern auch die fehlende Beachtung der Kleinparteien in der Berichterstattung und in Diskussionsrunden, bei denen oftmals nur die drei Spitzenparteien vertreten sind. „Zumindest mussten wir nicht noch mal Unterstützungsunterschriften sammeln, um anzutreten“, sagt er. Dagegen hatte die Bergpartei im vergangenen Jahr geklagt.
Cara Seeberg, Co-Vorsitzende von Volt Berlin, ist trotz Wahlkampfstress guter Dinge. „Wir sind positiv gestimmt“, sagt sie. Den vergangenen Wahlkampf bereitete die Partei über eineinhalb Jahre vor. „Diesmal waren es drei bis vier Wochen, um alles zu stemmen.“
Viele Nächte hätten sie sich um die Ohren geschlagen, um möglichst schnell Entscheidungen zu treffen. Dabei konnten dann auch nicht alle Punkte mit den Mitgliedern abgestimmt werden, wie es 2021 der Fall gewesen sei. Auch das Budget fällt deutlich schmaler aus: 30.000 Euro investiert Volt in diesen Wahlkampf – 70.000 Euro weniger als 2021.
Einige Parteien ändern ihre Wahlkampfstrategie
Ein Teil des Geldes kommt aus der staatlichen Parteienfinanzierung, der Rest sei bereits für die Europawahl 2024 angespart gewesen. Statt 10.000 gibt es jetzt 3.000 Wahlplakate, auch auf Veranstaltungen muss die Partei größtenteils verzichten. „Wir machen hauptsächlich Online-Wahlkampf“, so Seeberg. Doch auch da investieren sie weniger in bezahlte Werbung, sondern setzen auf eigene Social-Media-Beiträge und Fragerunden.
„Die Situation und die Stimmung haben sich einfach geändert“, sagt Seeberg. Viele Berliner:innen hätten in den vergangenen Monaten nach Krieg, Energiekrise und nicht zuletzt den Wahlpannen das Vertrauen in die Politik verloren. „Für uns ist das ein Motivationspush. Wir möchten zeigen, dass es Leute gibt, die das ernst nehmen.“
2021 konnte Volt 1,1 Prozent der Stimmen holen. Ein ähnliches Ergebnis wollen sie wieder. „Es ist schade, dass viele Menschen das Gefühl haben, taktisch wählen zu müssen. Ich hoffe, sie haben den Mut, kleine Parteien zu wählen und sich Neues zu trauen“, sagt Seeberg.
Dass die erneute Organisation eines Wahlkampfes in so kurzer Zeit besonders für Kleinparteien schwer zu stemmen ist, das bestätigt auch Oliver Wiedmann vom Verein Mehr Demokratie. Der Verein setzt sich für Bürgerbeteiligung ein und war etwa beim Entwurf zum Transparenzgesetz beteiligt.
Eine Wahlwiederholung ist nicht unumstritten
Den Fehler sieht Wiedmann bei der Organisation der Pannenwahl. „Es ist klar, dass eine Wahl bei so gravierenden Wahlfehlern wiederholt werden muss“, sagt er, „Das hätte nicht passieren dürfen.“ Die fehlenden Gelder für kleine Parteien seien zwar ungerecht, wie es anders gestaltet werden könnte, sieht Wiedmann aber nicht.
„In Deutschland ist die Parteienfinanzierung grundsätzlich gut ausgestattet. Das ist einfach eine Ausnahmesituation.“ Schwerer wiegt in seinen Augen ein anderer Aspekt: „Wir rechnen mit einer deutlich geringeren Wahlbeteiligung.“ In welchem Verhältnis der Wahlausgang am 12. Februar zum vorherigen stünde, sei dann fraglich.
Viele Menschen hätten zudem durch die Pannen das Vertrauen in den Senat und die Politik im Allgemeinen verloren. „Ob eine Wiederholungswahl das kippen kann, ist fragwürdig“, findet Wiedmann, der auch skeptisch ist, was längst versprochene Reformen angeht: „Was in der neuen Legislaturperiode aus dem Transparenzgesetz und der Senkung des Wahlalters in Berlin wird, bleibt ebenfalls offen.“
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