Politischer Mord in DR Kongo: Terror Monate vor der Wahl

In der Demokratischen Republik Kongo wurde der Sprecher des wichtigsten Oppositionsführers erschossen. Die Opposition macht die Regierung verantwortlich.

Militärfahrzeug neben einer Demonstration.

Vor der Wahl im Dezember: Proteste der Opposition in Kinshasa im Mai 2023 Foto: reuters

BERLIN TAZ Ein politischer Mord mitten in Kinshasa heizt das politische Klima in der Demokratischen Republik Kongo wenige Monate vor den Wahlen gefährlich auf. Am Donnerstag früh wurde auf einer belebten Ausfallstraße im Zentrum der Hauptstadt ein Jeep mit einer blutüberströmten Leiche auf dem Fahrersitz gefunden: der Tote ist der Parlamentsabgeordnete und Exminister Cherubin Okende, Sprecher des Oppositionsführers Moise Katumbi, der als aussichtsreichster Gegner von Präsident Felix Tshisekedi bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember gilt.

Okende war am Mittwoch von seinen Angehörigen als vermisst gemeldet worden. Er war auf dem Gelände des Verfassungsgerichts in Kinshasa verschwunden, wo er ein Schriftstück abgeben wollte – sein Leibwächter wartete bis zum Abend vergebens auf dem Parkplatz, und Okendes Telefon war abgestellt.

Oppositionelle äußerten dann die Befürchtung, Okende könnte vom Geheimdienst verschleppt worden sein. Die Art, wie er offenbar getötet und wie seine Leiche gefunden wurde, erinnert an das Schicksal des bekannten Menschenrechtlers Floribert Chebeya, der im Jahr 2010 nach einem Termin mit Kongos Polizeichef nicht mehr auftauchte und später tot in seinem Auto gefunden wurde.

„Man will uns zum Schweigen bringen“, sagte Moise Katumbi dem RFI-Rundfunk in Abidjan in der Elfenbeinküste, wo er sich gerade aufhielt, und sprach von einem „politischen Mord“, der unabhängig aufgeklärt werden müsse – Kongos Institutionen könne man das nicht überlassen. Noch am Donnerstag wollte er seine Reise abbrechen und nach Kongo zurückkehren, erklärte Katumbi.

Katumbis Kandidatur gefährdet Tschesekedis Wiederwahl

Offensichtlich sei an nirgends im Land mehr sicher, wenn es möglich sei, einen Politiker auf dem Gelände des Verfassungsgerichts zu entführen, erklärte „Ensemble“ auf einer Pressekonferenz und erhob schwere Vorwürfe gegen Präsident Tshisekedi: „Entweder er kontrolliert alles, dann ist er der Auftraggeber, oder er kontrolliert nichts, dann ist er gefährlich.“

Aber auch Kongos Regierung zeigte sich schockiert: Regierungssprecher Patrick Muyaya sprach Okendes Familie das Beileid der Regierung aus. Präsident Tshisekedi sei über den „tragischen“ Vorfall „konsterniert“, erklärte das Präsidialamt in Kinshasa, und habe eine juristische Aufklärung angeordnet.

Okende war bis Dezember 2022 Verkehrsminister in der Regierung von Präsident Tshisekedi gewesen, einer von drei Ministern der Partei „Ensemble pour la République“ (Gemeinsam für die Republik) von Moise Katumbi. Dann verkündete Katumbi seine Absicht, bei den Wahlen 2023 zur Präsidentschaft anzutreten, und zog seine Minister aus der Regierung zurück.

Da Katumbi als beliebtester Politiker des Landes gilt – bei den letzten Wahlen 2018 durfte er wegen einer fadenscheinigen Verurteilung nicht kandidieren – schmälert seine Kandidatur die Chance Tshisekedis auf einen Wahlsieg erheblich. Die Anhänger der beiden Schwergewichte bekämpfen sich zuweilen wortwörtlich bis aufs Blut.

Eine lange Liste von Opfern

Manche Tshisekedi-treuen Politiker versuchen derweil, Katumbi auch von den Wahlen 2023 auszuschließen, während das Katumbi-Lager dem Präsidenten Unregelmäßigkeiten bei der Wahlvorbereitung vorwirft.

Erst vor wenigen Tagen hatte Okende vor der Presse in Kinshasa die „Zunahme der politischen Gewalt“ in der DR Kongo gegeißelt und der Regierung eine Gewaltkampagne gegen ihre Gegner vorgeworfen. Er listete eine Reihe von Gewaltakten gegen seine Partei „Ensemble“ auf und sagte, die Regierung wolle keine friedlichen Wahlen.

Besonders empört ist die Partei über den Umgang des Staates mit Katumbis Chefberater Salomon Kalonda: er wurde am 30. Mai auf dem Flughafen von Kinshasa vom Militärgeheimdienst festgenommen und zunächst an einen unbekannten Ort verschleppt, bis heute sitzt er in Haft und soll vor einem Militärgericht angeklagt werden, obwohl er Zivilist ist.

Am Donnerstagnachmittag versammelten sich an einigen Stellen in Kinshasa Demonstranten und zündeten Straßensperren an. Der in Kinshasa populäre Oppositionspolitiker Delly Sesanga sagte, der getötete Okende sei „der neueste auf einer langen Liste von Märtyrern und Opfern der Unfähigkeit des Regimes, unsere Sicherheit zu garantieren, in einem klaren Willen, Terror im Land zu stiften“.

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