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Wahlsieg Konservativer in AustralienSuizid-Welle im Flüchtlingslager

Die konservative Koalitionsregierung in Australien wurde überraschend wiedergewählt. In einem Lager nahmen sich mehrere Geflüchtete nun das Leben.

Flüchtlinge in einem australischen Internierungslager auf der Insel Manus bei einem Protest 2017 Foto: dpa

Canberra taz | „Die Situation auf der Insel Manus ist außer Kontrolle“, warnte der iranische Autor und Journalist Behrouz Boochani am Mittwoch über den Kurznachrichtendienst Twitter. Sechs Flüchtlinge hätten bereits versucht, sich im von Australien betriebenen Internierungslager in Papua-Neuguinea das Leben zu nehmen. „Manus wird zum Friedhof“, so Boochani, der seit mehreren Jahren in der Anlage lebt.

Insgesamt fast 1.000 Flüchtlinge werden auf der Insel Manus sowie im kleinen Pazifikstaat Nauru auf Geheiß der australischen Regierung festgehalten – einige seit über fünf Jahren. Die unerwartete Wiederwahl der konservativen Regierungskoalition unter Premierminister Scott Morrison am Samstag habe vielen Internierten die Hoffnung geraubt, innerhalb kurzer Zeit entlassen zu werden.

Die Flüchtlinge hatten offenbar auf einen Sieg der oppositionellen Labor-Partei gehofft, und auf eine Lockerung der von einem ehemaligen Lagerarzt als „Folter“ kritisierten Politik der Zwangsinternierung. „Unser Leben hing davon ab“, so Boochani. Die Flüchtlinge hätten damit gerechnet, eine Labor-Regierung würde ein von Neuseeland gemachtes Angebot akzeptieren, 150 der Festgehaltenen aufzunehmen. Die konservative Regierung unter Premierminister Scott Morrison weigert sich, die Flüchtlinge nach Neuseeland reisen zu lassen.

Wie der Polizeikommandant von Manus, David Yapu, gegenüber dem Fernsehsender CNN sagte, hätten zwei auf der Insel Festgehaltene versucht, sich das Leben zu nehmen. Zwei weitere Suizidversuche seien aus der Hauptstadt Port Moresby gemeldet worden.

Sprecher der Festgehaltenen

Laut Boochani, der sich in den letzten Jahren als Sprecher der Festgehaltenen einen Namen gemacht und ein preisgekröntes Buch über die Situation auf Manus geschrieben hatte, führt die Diskrepanz bei den Opferzahlen darauf zurück, dass „die Polizei nicht über alle Fälle hier Bescheid weiß“. Ian Rintoul, Sprecher der australischen Flüchtlingsorganisation Refugee Action Coalition, bestätigte die Meldungen. „Es gibt eine Welle von Selbstmordversuchen seit dem Wahlausgang vom Samstag.“ Die australische Regierung äußerte sich bis Mittwochabend nicht offiziell zu den Meldungen.

Beobachter gehen davon aus, dass ein jüngst gegen den Willen der australischen Regierung eingeführtes Gesetz wieder rückgängig gemacht werden soll. Danach soll es im Ermessen von Ärzten liegen, ob kranke oder verletzte Flüchtlinge aus den Lagern zur Behandlung nach Australien evakuiert werden sollen. Bisher lag der Entscheid bei den Behörden. In einigen Fällen starben Schwerkranke oder -verletzte, weil ihnen der Flug nach Australien verweigert worden war oder die Bewilligung nicht rechtzeitig eingetroffen war.

Mehr als 4.000 Männer, Frauen und Kinder sind seit 2012 in den Lagern festgehalten worden, nachdem die damalige australische Labor-Regierung beschlossen hatte, kein sogenannter Bootsflüchtling dürfe jemals einen Fuß auf australischen Boden setzen. Es handelte sich dabei meist um aus Afghanistan, Irak und Iran stammende Menschen, die versucht hatten, von Indonesien oder Sri Lanka aus auf Fischerbooten nach Australien zu gelangen, um dort Schutz zu suchen.

Die Lebensbedingungen in den Lagern wurden unter Scott Morrison deutlich verschärft, als dieser Einwanderungsminister in der konservativen Regierung wurde. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) sprach nach einer Inspektion der Pazifikinsel Nauru von einem „Regime systematischer Vernachlässigung und Grausamkeit“. Nicht mal in Kriegsgebieten in Syrien und Irak habe AI derart inhumane Zustände angetroffen, unter welchen Flüchtlinge leben müssen, die den Schutz Australiens gesucht hatten.

Ein Bild der Brutalität

Von Wärtern und Angestellten im Asylinternierungslager Nauru verfasste „Vorfall-Berichte“ zeichnen ein Bild der Brutalität, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung: Fälle von Selbstmordversuchen, Selbstverstümmelungen, körperlichen Angriffen auf die festgehaltenen Asylsuchenden seien an der Tagesordnung, so auch ehemalige Mitarbeiter. Besonders häufig sind Berichte über angedrohte und erfolgte sexuelle Belästigungen von Frauen und Kindern. So sollen Wärter Kinder geschlagen oder sexuell attackiert haben.

Die Mehrheit der australischen Bevölkerung steht hinter der „Politik der Grausamkeit“, wie Kritiker sie nennen. Die Regierung stellt sich auf den Standpunkt, die Praxis der Abschreckung von Nachahmern sei erfolgreich. Sie habe die Boote gestoppt, es würden keine Menschen mehr auf dem Weg nach Australien ertrinken. Wie viele der oftmals kaum seetüchtigen Schiffe in den Gewässern im Norden des Kontinents von der australischen Marine zur Umkehr gezwungen werden und wie viele Menschen auf dem Rückweg ertrinken, ist jedoch unklar. Die Regierung hat alle entsprechenden Informationen zur Geheimsache erklärt.

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12 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • 7G
    75026 (Profil gelöscht)

    Gibt es denn mal eine Erklärung oder Korrektur bezüglich des von mir beschriebenen Widerspruchs?

  • Soweit ich weiß, bekommen rückkehrwillige die Kosten der Reise von Australien bezahlt, sie können auch jederzeit in eines der Länder, mit denen Australien Abkommen hat, und sich dort niederlassen.



    Auch hätten sie in Australien Asyl bekommen können, wenn sie dies vorab in die Wege geleitet hätten, anstatt als bootsflüchtling den Einlass erzwingen zu wollen.



    2017 haben die 1923 Flüchtlinge auf Manus 70 Millionen australische Dollar im Gerichtsverfahren erhalten.



    Nauru und Manus sind schwer auszuhalten und nicht schön. Aber die Menschen dort können nur nicht nach Australien, woanders hin schon, bleiben müssen sie auf den Inseln nicht.

    • @siri nihil:

      Haben Sie für diese Behauptungen Quellen oder sowas? Der Artikel sagt ja was anderes.

  • Ja, Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen.

  • Mir fehlen die Worte.

  • 7G
    75026 (Profil gelöscht)

    Äh, in der Überschrift steht "Suizidwelle", in der Unter-Überschrift "...nahmen sich mehrere Geflüchtete nun das Leben", im Text hingegen ist ausschließlich von Suizidversuchen die Rede.



    Was stimmt denn nun?

  • Dame schlägt Läufer, Läufer schlägt Bauer.



    So ist der Mensch, und toll dass wir alle eher Dame sind, hier in DE oder AUS.



    Bedenklich, dass wir das trotz unserer Geschichte und Kultur tief verinnerlicht haben und auch weiter so leben werden.

  • Es ist höchste Zeit, dieses rassistische und überaus chauvinistische Land, das immer noch massiv Kohle fördert und einen Riesenanteil an Kohlenstoff-Emissionen hat,



    aus den Vereinten Nationen auszuschließen.



    Es wäre zwar sehr unfair gegenüber vielen wirklich großartigen Australiern, die es auch gibt, aber wer nicht zur Verantwortung gezogen wird, begeht weiter schwere Menschenrechtsverletzungen.



    Es würde aber auch sehr helfen, wenn so viele Menschen wie möglich, gerade junge Menschen, auf einen Austausch oder Reisen dorthin verzichten. Alleine für einen Rückflug nach Sydney muss man bei atmosfair etwa 275 Euro zahlen, um den Flug und den gewaltigen Ausstoß an CO² zu kompensieren.

    • @Ataraxia:

      Also mir würde da ein paar andere Länder einfallen - der gesamte Nahe/Mittlere Osten - die nach dieser Logik deutlich eher Anlass bieten, sie aus den Vereinten Nationen auszuschließen.

    • @Ataraxia:

      Wenn man Australien aus der UN ausschließt, dann gibt es auch noch viele andere, die ausgeschlossen werden müssten! Dann ständen bald nur noch 30 40 Länder in der UN. Ich kann Deinen Ärger teilen, aber ein Ausschluss wäre nicht die Lösung. Die UN ist meines Wissens nach die einzige Organisation, in der noch fast alle Staaten miteinander reden. Es ist schon schlimm genug, dass Taiwan auf Druck von China nicht Mitglied dort sein kann. Ansonsten, so schlimm einzelne Staaten auch sein mögen, die UN sollte so bleiben wie sie ist.

    • @Ataraxia:

      Und ein Ausschluss aus der UN würde was bringen?