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Wahlschlappe der FDPIm Sturzflug

Jasmin Kalarickal
Kommentar von Jasmin Kalarickal

In Nordrhein-Westfalen erleben die Liberalen ihre dritte Wahlniederlage in Folge. Die Ursachen liegen dabei nicht nur in der Landesbildungspolitik.

Ergebnisse in der FDP-Zentrale Düsseldorf: 18 Uhr, tiefe Betroffenheit Foto: Henning Kaiser/dpa

D as Wahlergebnis in NRW ist für die FDP desaströs ausgefallen. Zum Teil kann das auf die schlechte Bildungspolitik zurückgeführt werden. Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) stand schon länger wegen ihres schlechten Pandemiemanagements in der Kritik.

Doch das allein kann den Sturzflug nicht erklären. Es ist nach der Wahl im Saarland und in Schleswig-Holstein schließlich die dritte Niederlage in Folge. Das weiß auch Parteichef Christian Lindner. Nur findet er einen interessanten Spin: Die herben Verluste in der älteren Wählerschaft führt er vor allem auf die Energiepreispauschale zurück – also jenen Teil des Entlastungspakets, für das sich vor allem die SPD starkgemacht hat. Im Wahlkampf habe er sich oft anhören müssen, dass die FDP die Rent­ne­r:in­nen vergessen hat.

Lindner will also besser kommunizieren. Besonders selbstkritisch ist das nicht. Dass Lindner als Finanzminister viele Schulden macht, sieht er offenbar nicht als Problem für die liberale Wählerschaft. Genauso wenig die Arbeit seiner eher blassen Minister:innen. Dabei fällt vor allem Verkehrsminister Volker Wissing mit skurrilen Aussagen auf – etwa seinem Ratschlag, weniger Essensfotos zu posten, um Energie zu sparen.

Lindner verspricht, dass die FDP ein verlässlicher Partner in der Koalition bleiben wird. Damit streift er den entscheidenden Punkt: Die Ampel zahlt sich für FDP nicht aus – und das sorgt für Nervosität. Auch im Bund verliert sie an Zuspruch.

Wird sie in der Folge für ein stärkeres Profil quer schießen, wie bei der Coronapolitik? Mit dieser Oppositionsrolle in der Regierung hat die FDP in der letzten schwarz-gelben Koalition schlechte Erfahrungen gemacht. Oder macht sie sich noch geschmeidiger in der Ampel und riskiert, das bürgerliche Lager der Union zu überlassen?

Die dritte Option: Abwarten und in langen Linien denken. Der Hype um die Grünen kann abflauen. Schwarz-Gelb in Schleswig-Holstein ist noch eine Option. Wie immer die FDP sich ent­schei­de­t: Ihr Handlungsspielraum ist sehr, sehr klein.

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Jasmin Kalarickal
Redakteurin
Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
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29 Kommentare

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  • Ampel mit Mona als Ministerpräsidentin

  • Ich freu mich, daß die FDP unsere linksrotgrünen ausbremst. Aber die Alternative zur FDP ist nicht links rot grün.

  • Also vor einem Monat hieß es noch, dass die FDP sich die Ampel zum Knecht gemacht hätte und als kleinster Koalitionspartner, rigoros ihre Klienteinteressen durchsetze. Das hat sie ja auch gemacht, aber scheinbar sind diese Klientele selbst in der FDP zu klein.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Weidle Stefan:

      „Es sprach der Herr zum Knecht: ‚Mir geht es aber schlecht‘



      Da sprach der Knecht zum Herrn: ‚Das hört man gern.‘“



      (Robert Gernhardt by heart)



      btw.: „Wa(hl)schlappe“ ist ein schönes Wort.

  • wäre es evtl sinnvoll einmal die absolut abgegeben Stimmen je Partei zu veröffentlichen, ein Vergleich mit den absoluten Stimmen aus der letzten Wahl würde so manche Schönrechnerei einfach verpuffen lassen.



    bei 55% Wahlbeteiligung ist die Niederlage der FDP vielleicht sogar doppelt so schlimm, wie der prozentuale Verlust? Und der Sieg der CDU evtl nur eine Stagnation...? Und der Anstieg der Grünen ebenfalls? möglich wärs, für die FDP ist es aber in jedem Fall eine Katastrophe, möglichweise eine noch größere als sich in den Prozentzahlen widerspiegelt... also her mit den Zahlen!

    • @nutzer:

      Bitte schön. Die prozentualen Veränderungen der abgegebenen Zweitstimmen.

      Gültige Zweitstimmen



      2017: 8.487.413



      2022: 7.146.588



      Veränderung: -15,80%

      CDU



      2017: 2.796.683



      2022: 2.552.337



      Veränderung: -8.74%

      SPD



      2017: 2.649.205



      2018: 1.905.033



      Veränderung: -28.09%

      FDP



      2017: 1.065.307



      2022: 418.448



      Veränderung: -60.72%

      AfD



      2017: 626.756



      2022: 338.893



      Veränderung: -45.93%

      Grüne



      2017: 539.062



      2022: 1.299.580



      Veränderung: +141.08%

      Linke



      2017: 415.936



      2022: 146.611



      Veränderung: -64.75%

      Quelle: www.wahlergebnisse.nrw

      Ich bin zweifach drüber gegangen und hoffe, dass sich nicht doch noch ein Fehler eingeschlichen hat.

      • @spinmearound:

        bezogen auf die Gesamtzahl der Wahlberechtigten kommen die Parteien auf folgende Prozentzahlen:

        20222017Veränderung

        CDU19,69%21,24%-1,56%



        SPD14,69%20,12%-5,43%



        FDP3,23%8,09%-4,86%



        GRÜNE10,02%4,09%+5,93%

        Für die FDP also ein weniger harter Absturz, für die CDU kein Zugewinn, sondern ein Verlust, für die Grünen ein weniger starker Zugewinn.

        Bei der CDU findet eine starke Verzerrung statt, weniger Zustimmung in der Wahlbevölkerung, trotzdem wird von Sieg gesprochen. Ebenso bei den Grünen, der Zuspruch in der Wahlbevölkerung ist nur um 5,93% gestiegen, nicht so stark (nämlich 11,8%) wie das Wahlergbnis vermuten lässt

      • @spinmearound:

        super! Danke!

        • @nutzer:

          bezogen auf die Gesamtzahl der Wahlberechtigten kommen die Parteien auf folgende Prozentzahlen:

          20222017Veränderung

          CDU19,69%21,24%-1,56%



          SPD14,69%20,12%-5,43%



          FDP3,23%8,09%-4,86%



          GRÜNE10,02%4,09%+5,93%

          Für die FDP also ein weniger harter Absturz, für die CDU kein Zugewinn, sondern ein Verlust, für die Grünen ein weniger starker Zugewinn.

          Bei der CDU findet eine starke Verzerrung statt, weniger Zustimmung in der Wahlbevölkerung, trotzdem wird von Sieg gesprochen. Bei den Grünen, ist der Zuspruch in der Wahlbevölkerung nur um 5,93% gestiegen und nicht so stark (nämlich 11,8%) wie das Wahlergbnis vermuten lässt

          • @nutzer:

            20222017Veränderung

            CDU



            2022: 19,69%



            2017: 21,24%

            -1,56%

            SPD

            2022: 14,69%



            2017: 20,12%

            -5,43%

            FDP

            2022: 3,23%



            2017: 8,09%

            -4,86%

            GRÜNE

            2022: 10,02%



            2017: 4,09%

            +5,93%

  • Am schönsten ist das Schildchen auf dem Foto " Von hier aus weiter " - Also ich drück' die Daumen... :---)))

  • Kann frau so sehen, kann man aber auch ganz anders sehen: 1. Bei den Ministern muss man nicht gendern, weil es keine FDP-Ministerinnen gibt. Das ist schon mal ein großes Problem, das die durchaus kompetente Frau Strack-Zimmermann nicht kompensieren kann. Sie hätte Verteidigungsministerin werden müssen an Stelle der kompletten Fehlbesetzung eines Volker Wissing, der gut in die Kategorie Dobrindt, Scheuer passt. 2. "Lindner besser kommunizieren", kann man durchaus als Witz betrachten. Der Mann hat schließlich für die besten Wahlkampfreden einen Rhetorik-Preis bekommen. Nur: Rhetorik und Realpolitik sind zwei Paar ganz unterschiedlicher Schuhe: kleine Sandaletten gegen schwere, kampferprobte Rockerstiefel. 3. Die FDP ist eine reine Klientalpartei und heftig dabei, nach Regierungsbeteiligung mal wieder aus dem Parlament zu fliegen. Westerwelle (inzwischen gestorben), Rösler (komplett verschwunden) lassen grüßen. 4. Höhenflug der Grünen. Da wäre ich sehr vorsichtig. Komplettversagen der Medien in der Einschätzung von Baerbock. Kinkerlitzchen wurden aufgebauscht. Lindner wurde massiv geschont, obwohl er wie ein Kleinkind an der Kasse nach dem Finanzminister weit vor der Wahl geschrien hatte bis er ihn, wie das Kleinkind den Lolli, auch wirklich bekam.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Christian Lindner [….] findet[…] einen interessanten Spin: Die herben Verluste in der älteren Wählerschaft…“



    So alt wie die BWL-Studenten auf dem Foto können wir Rentner nie werden.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      🤣

    • @95820 (Profil gelöscht):

      So alt ... Wohl wahr ! Soowas von ....

  • Lindner braucht ein wenig mehr an Reflexionsvermögen. Wer die Frage der eigenen roten Linien - in der Pandemiepolitik, in der Verkehrspolitik, aber auch hinsichtlich der eigenen Kooperations- und Koalitionsfähigkeit, zu der die Aussagen nur bis genau 18.00 Uhr des nächsten Wahltags halten - nicht zu stellen bereit ist, erhält auch keine Antworten hinsichtlich der aktuellen Wählerverluste. So jedenfalls brauchen wir keine FDP.

  • Man hört, dass die CDU die Wahl nur deswegen "gewonnen" habe, weil sie im Vergleich den geringsten Stimmenverlust (250 000) erlitten habe.

    Das hälste doch im Kopp nich aus!

  • @FRANK STIPPEL

    Ihre rotzigen Sprüche sind auch genug, um die Klimakatastophe abzuwenden.

  • Wer braucht bei der aktuellen Ausrichtung der Grünen noch die FDP?

  • 9G
    90946 (Profil gelöscht)

    Das Foto trifft es doch gut: FDP wählen junge Männer, die angepasst und konsumsozialisiert sind, sich aber trotzdem ein bisschen widerständlerisch fühlen wollen. Veränderung wollen sie aber nicht, dazu sind sie zu konservativ.

  • Mist. Ich hatte schon Sekt kaltgestellt.

    Auf 4.9 Prozent!

    Kann ja noch werden.

  • Ich sehe die Verluste nicht (alleine) in der Rolle der FDP in der jetzigen Bundesregierung. Das für die FDP ungewöhnliche Ergebnis bei der Landtagswahl 2017 war auch der "Verdienst" des Spitzenkandidaten Christian Lindner, der sich kurz nach der Wahl nach Berlin verabschiedete. Der neue, etwas blasse Spitzenkandidat hat die Wählerschaft der FDP nun eben wieder auf ihr übliches Maß schrumpfen lassen.

  • Es ist doch bei der FDP seit irgendwie 30 Jahren stets das gleiche: Die ziehen in ihrem Selbstverständnis als Kleinpartei allein kritische Stimmen gegen die größeren Parteien groß und zerlegen deren Politik durchaus virtuos, vom Möllemann, Westerwelle bis eben Chrissie Lindner. Sobald selbst an der Macht sollte es aber mal konstruktiv proaktiv werden. Das ist aber bei Wissing Lindner und Co. dann wegen der "Oppositionssozialisierung" schwierig.

    • @Tom Farmer:

      Aber irgendwie kommen sie immer wieder zurück....was wäre die taz, ohne einen FDP-kritischen Artikel?! Machen wir uns ehrlich, deswegen komnen wir doch hier hin zum Lesen.

  • Liegt wohl eher daran, dass sich immer weniger Menschen von der FDP verkackeiern lassen

    • @Bolzkopf:

      Mir macht eher Angst, dass sie mit der "Mictotargeting" genannten Wählerverarschung bei jungen Wählern punkten.



      Natürlich fühlt sich jeder abgeholt, wenn ich dem bitcoin-Trader geringe Steuern und liberalisierte Banken in Aussicht stelle, den Umweltinteressierten eine beschleunigte Energiewende, den Autofahrern ein verhindertes Tempolimit & den Querdullies ein Ende von Corona Maßnahmen verspreche. Aber was für eine Politik soll daraus folgen?



      Bitcoin schürfen, aber kein Katzenfoto posten?



      Tankrabatt und dazu Ölembargo?